Anwälte von Öcalan stellen Besuchsantrag

Das Anwaltsteam Abdullah Öcalans hat erneut einen Besuchsantrag bei der Staatsanwaltschaft in Bursa eingereicht. Inzwischen ist wieder ein Jahr vergangen, seitdem der kurdische Vordenker von seinem Rechtsbeistand vollständig abgeschottet wird.

Die Rechtsanwält*innen Newroz Uysal, Mazlum Dinç, Cengiz Yürekli und Faik Özgür Erol haben bei der Staatsanwaltschaft in Bursa einen weiteren Antrag für einen Besuch bei ihrem Mandanten Abdullah Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali gestellt. Seit einem Jahr wird der kurdische Vordenker wieder vollständig von seinem Rechtsbeistand abgeschottet. Ihm wird ein Haftregime auferlegt, das auf körperliche und physische Vernichtung abzielt.

Der letzte Anwaltsbesuch bei Abdullah Öcalan fand am 9. August 2019 statt. Seitdem hat das Rechtsbüro Asrin, das den 71-jährigen PKK-Gründer seit seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung im Februar 1999 aus der griechischen Botschaft im kenianischen Nairobi in die Türkei vertritt, 96 Besuchsanträge eingereicht. Alle diese Anträge wurden weder positiv noch negativ beschieden, sondern schlichtweg ignoriert. Dies stellt eine neue Dimension der Isolation dar, da die Staatsanwaltschaft in Bursa es noch nicht mal für notwendig erachtet, die Ablehnung der Anträge zu rechtfertigen. Auch Öcalans Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş wird das Recht auf anwaltliche Betreuung verwehrt. Familienangehörige konnten zuletzt am 3. März die Imrali-Gefangenen besuchen. Erstmals und bisher das einzige Mal wurden am 27. April zudem Telefongespräche mit ihnen ermöglicht.

Abdullah Öcalan konnte während des im November 2018 von der damals noch inhaftierten HDP-Politikerin Leyla Güven gestarteten Hungerstreiks erstmalig nach acht Jahren wieder am 2. Mai 2019 mit seinen Anwält*innen sprechen. Der Hungerstreik wurde auf seinen Aufruf hin nach 200 Tagen beendet. Bei den folgenden Anwaltsgesprächen am 22. Mai, 12. Juni und 18. Juni hatte Öcalan zu einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage und der Probleme im Mittleren Osten aufgerufen. Nach der Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul am 23. Juni 2019 wurde jeglicher Kontakt zu ihm unterbunden. Ungefähr zwei Monate lang konnten weder die Anwälte noch Angehörige die Gefängnisinsel Imrali aufsuchen.

Diese Praxis war auch Gegenstand der Kritik am Haftregime auf Imrali durch das Antifolterkomitee des Europarats (CPT). Das Gremium verlangt in einem am vergangenen Mittwoch veröffentlichten Bericht zur Lage in dem Inselgefängnis im Marmarameer, dass ein „Gleichgewicht zwischen Sicherheitserwägungen und den grundlegenden Menschenrechten der betroffenen Gefangenen” gefunden werden muss, und fordert ein „nachhaltiges System“ regelmäßiger Besuche von Familienmitgliedern und Anwälten auf Imrali. Gegen die Gefangenen auf Imrali liegt jedoch ein Beschluss zur Einschränkung der Kommunikationsmöglichkeiten vor, der halbjährlich erneuert wird – auch während der Corona-Pandemie.

Für die Anwält*innen der Imrali-Gefangenen ist das Anlass zu noch größerer Besorgnis, wurden schließlich auch seit Ausbruch der Pandemie Anträge auf Gewährleistung der notwendigen Präventionsmaßnahmen abgelehnt. Mit einem Antrag auf Aufhebung der Kontaktsperre für Öcalan und seine drei Mitgefangenen vor dem türkischen Verfassungsgerichtshof war das Rechtsbüro Asrin Ende Juli trotzdem gescheitert. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, keine ernste Gefahr für das Leben der Antragsteller zu sehen. Asrin hatte daraufhin einen Eilantrag an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gestellt. Die Entscheidung der Richter in Straßburg steht noch aus.