Eine Woche nach der Veröffentlichung zweier drastischer Berichte des Antifolterkomitees des Europarates (CPT) zur Situation in türkischen Gefängnissen und im Polizeigewahrsam fordert die Demokratische Partei der Völker (HDP) eine parlamentarische Untersuchung der Missstände. Laut den Berichten für das Jahr 2019 sei bei Inspektionen in Haftanstalten und Polizeistationen eine „beträchtliche“ Zahl an Vorwürfen der Polizeigewalt an das Gremium herangetragen worden, so das CPT. Dabei ging es vor allem um Schläge, mit denen „entweder ein Geständnis erzwungen oder jemand in Polizeigewahrsam bestraft” werden sollte. Die türkische Polizei müsse eine „klare und feste Botschaft” erhalten, dass es für Misshandlungen in Polizeigewahrsam und in Gefängnissen keinerlei Toleranz gebe. Diese Botschaft müsse von der höchsten politischen Ebene ausgehen, „nämlich dem Präsidenten der Republik”, so das Expertengremium.
Das CPT kritisierte insbesondere auch die Haftbedingungen im Inselgefängnis Imrali, in dem unter anderem der PKK-Gründer Abdullah Öcalan inhaftiert ist. Öcalan und seine drei Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş befanden sich zum Zeitpunkt des Besuchs dort (Mai 2019) bis auf neun Stunden pro Woche in Isolationshaft. Das sei nicht akzeptabel, den Gefangenen müsse mehr Kontakt untereinander erlaubt werden, erklärte das CPT. Die Türkei müsse außerdem die Regeln für Insassen mit verschärften lebenslangen Haftstrafen grundsätzlich überarbeiten. Zudem fordert das Komitee regelmäßige Besuche von Familienangehörigen und Anwält*innen auf Imrali. Der letzte Anwaltsbesuch fand im August vergangenen Jahres statt.
Die HDP fordert in ihrem Antrag die Untersuchung von allen menschenrechtsverletzenden Praktiken in Gefängnissen wie Isolation, Folter und Misshandlung, gerade auf Imrali. In dem von den Fraktionsvorsitzenden Meral Danış Beştaş und Saruhan Oluç eingebrachten Antrag weist die HDP darauf hin, dass auf Imrali nach wie vor ein Ausnahmezustandsregime herrsche, welches sich ständig vertiefe, statt abgeschafft zu werden. Mit „Sicherheitsbedenken” sei dieser Zustand nicht zu legitimieren, führen Beştaş und Oluç weiter aus. Während der Ausnahmezustand über das Land vor zwei Jahren aufgehoben wurde, habe sich diese Maßnahme auf Imrali als gängige Praxis entwickelt.
Die HDP will zudem Auskunft darüber, ob es Maßnahmen gibt, die getroffen wurden oder geplant sind, um Empfehlungen des CPT umzusetzen und Misstände in den Gefängnissen aus dem Weg zu räumen. Außerdem wird in dem Antrag für eine parlamentarische Untersuchung festgehalten, dass in Vollzugsanstalten in Amed (türk. Diyarbakir), Riha (Urfa), Silivri, Bakirköy, Metris und Maltepe eine massive Überbelegung herrsche. Dieser Zustand sei einzig auf das autoritäre Regime der Regierung zurückzuführen, unterstreichen die HDP-Fraktionsvorsitzenden. „In Anbetracht der zunehmenden Verbreitung des Coronavirus bedeuten überfüllte Haftanstalten nichts anderes, als die Gefangenen noch tiefer in die Verzweiflung zu treiben.“