Akat Ata: Für eine Lösung bin ich auch bereit für meine Hinrichtung

Die im Kobanê-Verfahren angeklagte ehemalige HDP-Abgeordnete und Frauenaktivistin Ayla Akat Ata erklärte, die fingierten Aussagen von geheimen Zeugen seien nicht nötig: „Für eine Lösung bin ich auch bereit für meine Hinrichtung.“

Das sogenannte Kobanê-Verfahren wurde am Donnerstag fortgesetzt. An der Sitzung vor dem 22. Schwurgerichtshofs in Ankara nahmen Abgeordnete der HDP, Vertreter:innen von HDP-Verbänden und zivilgesellschaftlicher Organisationen und Anwält:innen teil.

Die im Gefängnis von Sincan inhaftierten Politiker:innen saßen im Gerichtssaal, während andere per Videoübertragung zugeschaltet wurden. Die inhaftierte kurdische Politikerin und Frauenrechtsaktivistin Ayla Akat Ata ergriff das Wort und sprach von Eingriffen in das Recht auf die Verteidigung. So würde auch Material, das von den Anwält:innen an die Gefangenen weitergereicht wird, mindestens einen Tag eingezogen. Zum Verfahren erklärte sie: „Wir haben eine Erwartung an das Gericht. Wir erwarten Gerechtigkeit. Der Staatsanwalt braucht kein Aufhebens zu machen und mein Telefon untersuchen. Es ist ohnehin alles klar. Wenn ein neues Dokument eingeführt wird, das uns entlastet, dann wird eben ein neuer geheimer Zeuge [der Anklage] ins Verfahren eingeführt. Das ist nicht nötig. Wenn ihr uns fragt, ob wir bereit sind, für eine Lösung im Gefängnis zu bleiben, dann sage ich euch: ich bin auch bereit, mich dafür hinrichten zu lassen.“

Hintergrund: Angeklagt wegen Kobanê-Solidarität

Im Kobanê-Verfahren sind insgesamt 108 Persönlichkeiten aus Politik, Zivilgesellschaft und der kurdischen Befreiungsbewegung angeklagt, die im Zusammenhang mit den Protesten während des IS-Angriffs auf Kobanê im Oktober 2014 terroristischer Straftaten und des Mordes in dutzenden Fällen beschuldigt werden. Allein für Selahattin Demirtaş fordert die Generalstaatsanwaltschaft Ankara bis zu 15.000 utopische Jahre Haft.

Auslöser des Kobanê-Verfahrens ist ein Beitrag des HDP-Exekutivrats im Kurznachrichtendienst Twitter, der während einer Dringlichkeitssitzung verfasst worden war und neben Solidarität mit der von der Terrormiliz „Islamischer Staat” (IS) eingekesselten Stadt in Westkurdistan auch zu einem unbefristeten Protest gegen die türkische Regierung aufrief, da diese ihre Unterstützung für den IS nicht beendete: „Dringender Aufruf an unsere Völker […]! In Kobanê ist die Lage äußerst kritisch. Wir rufen unsere Völker dazu auf, auf die Straße zu gehen und diejenigen zu unterstützen, die bereits auf der Straße sind, um gegen die Angriffe des IS und gegen das Embargo der AKP-Regierung zu protestieren.”

Dutzende Tote, hunderte Verletzte

Im Zuge dessen kam es in vielen Städten zu regelrechten Straßenschlachten zwischen Sicherheitskräften sowie paramilitärischen Verbänden wie Dorfschützern und Anhängern der radikalislamistischen türkisch-kurdischen Hisbollah (Hizbullah) und den Demonstrierenden. Die Zahl der dabei getöteten Menschen, bei denen es sich größtenteils um Teilnehmende des Aufstands handelte, schwankt zwischen 46 (IHD) und 53. Die Regierung spricht lediglich von 37 Toten. Viele von ihnen wurden durch Schüsse der Sicherheitskräfte getötet. Laut einem Bericht des Menschenrechtsvereins IHD wurden 682 Menschen bei den Protesten verletzt. Mindestens 323 Personen wurden verhaftet. Im Verlauf des Aufstands kam es zudem zu Brandanschlägen auf Geschäfte sowie öffentliche Einrichtungen. Die Regierung macht die HDP für die Vorfälle verantwortlich.