Der kurdische Politiker Ahmet Türk ist im Rahmen der „Kobanê-Ermittlungen“ von der Staatsanwaltschaft vorgeladen worden. Der vom türkischen Innenministerium im August 2019 abgesetzte Bürgermeister der Provinzhauptstadt Mêrdîn (türk. Mardin) ist in Begleitung der HDP-Abgeordneten Pero Dündar und seines Rechtsbeistands im Justizgebäude in Mêrdîn eingetroffen und nimmt über eine Videoschaltung an einer staatsanwaltschaftlichen Anhörung in Ankara teil.
Ahmet Türk ist langjähriger kurdischer Politiker. 1993 nahm der heute 78-Jährige an der Pressekonferenz im Libanon teil, auf der Abdullah Öcalan die Verlängerung einer Waffenruhe verkündete. 1994 wurde er nach der Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität gemeinsam mit Orhan Doğan, Hatip Dicle, Mahmut Alinak, Sırrı Sakık und Leyla Zana verhaftet.
Die sogenannten „Kobanê-Ermittlungen“ beziehen sich auf die Proteste in der Türkei im Jahr 2014 während des IS-Angriffs auf die nordsyrische Stadt. Im Rahmen dieses Verfahrens sind Anfang Oktober siebzehn Politikerinnen und Politiker, allesamt hochrangige Vertreter*innen der Demokratischen Partei der Völker (HDP), verhaftet worden.
Die Haftbefehle waren gegen den Bürgermeister von Qers, Ayhan Bilgen, Politökonom Alp Altınörs vom HDP-Exekutivrat, den langjährigen außenpolitischen Sprecher Nazmi Gür, die ehemaligen Parlamentarierinnen Ayla Akat Ata und Emine Ayna, die früheren Exekutivratsmitglieder Bircan Yorulmaz, Berfin Özgü Köse, Dilek Yağlı, Can Memiş, Günay Kubilay, Bülent Parmaksız, Pervin Oduncu, İsmail Şengün und Cihan Erdal, den ehemaligen HDP-Schatzmeister Zeki Çelik, den früheren stellvertretende HDP-Vorsitzende Ali Ürküt und die Umweltingenieurin und frühere Abgeordnete Emine Beyza Üstün angeordnet worden. Bereits die ehemaligen HDP-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş waren wegen demselben Vorwurf verhaftet worden. Gegen die kurdischen Politikerinnen Sebahat Tuncel, Aysel Tuğluk und Gültan Kışanak sind in diesem Zusammenhang neue Haftbefehle erlassen worden – obwohl sie bereits seit vier Jahren im Gefängnis sind.
Das türkische Parlament hat vergangene Woche erneut einen Antrag der Demokratischen Partei der Völker (HDP) auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Kobanê-Proteste abgelehnt.