Rechtswidrig in serbischer Haft
Das Bündnis Demokratischer Kräfte in Europa (ADGB) hat sich besorgt über den andauernden Hungerstreik des in Serbien inhaftierten Kurden Ecevit Piroğlu geäußert. „Wir befürchten, dass Piroğlu sterben könnte“, erklärte das ADGB in einer Mitteilung und forderte erneut die Freilassung des Aktivisten. Das Bündnis informierte auch über eine Delegationsreise Ende der vergangenen Woche nach Belgrad, in deren Rahmen ein Besuch bei Piroğlu zustande kam. Der gesundheitliche Zustand des 49-Jährigen sei äußerst kritisch, er sei auf inzwischen nur noch 43,4 Kilogramm abgemagert. „Seine Blutwerte sinken ständig, er leidet unter Muskelschwäche, kann nicht mehr lesen und hat aufgrund einer zunehmenden Sehschwäche Schwierigkeiten beim Gehen. Ans Aufhören denkt er trotzdem nicht. Er will weitermachen, bis seine ungerechtfertigte Haft beendet und er freigelassen wird“, erklärte das ADGB.
In der „Roten Liste“ der meistgesuchten „Terroristen“
Ecevit Piroğlu wurde im Juni 2021 am Belgrader Flughafen aufgrund einer von der Türkei veranlassten „Red Notice“ von Interpol festgenommen. Ihm wird „Terrorismus“ vorgeworfen. Konkret geht es um die Beteiligung an den Gezi-Protesten 2013 in Istanbul und um die Unterstützung für Rojava. Seit seiner Jugend war der alevitische Kurde in der Türkei politisch aktiv, wirkte als Vorstandsmitglied des Menschenrechtsvereins IHD und war Geschäftsführer der Sozialistischen Demokratie-Partei SDP. Nachdem der Gezi-Aufstand von der Regierung niedergeschlagen wurde, ging Piroğlu nach Nordsyrien und schloss sich dort dem Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) an. Nach Serbien reiste er, um politisches Asyl zu beantragen: Die Türkei führt Piroğlu in der „Roten Liste“ der meistgesuchten „Terroristen“ und hat ein Kopfgeld von zehn Millionen TL auf ihn ausgesetzt. Ihm drohen mindestens dreißig Jahre Gefängnis.
Rechtswidrige Haft
Das Auslieferungsverfahren gegen Piroğlu wurde im Mai 2023 eingestellt, nachdem das Oberste Berufungsgericht Serbiens entschieden hatte, dass er nicht an die Türkei ausgeliefert werden darf. Nachdem Piroğlu zwischenzeitlich freikam, wurde er im Januar dieses Jahres erneut festgenommen. Trotz Ablehnung des türkischen Auslieferungsersuchens wird er in einem Abschiebezentrum in Padinska Skela festgehalten. Grundlage hierfür ist eine Anordnung des serbischen Innenministeriums zum sofortigen Verlassen des Landes. Dennoch wird Piroğlu weiterhin in Haft gehalten, obwohl diese einen Verstoß gegen die Richtlinien des UN-Ausschusses gegen Folter, serbisches Recht und frühere Gerichtsurteile darstellt. Gleichermaßen ignoriert die serbische Justiz einen Antrag Piroğlus auf freiwillige Ausreise.
Bereits zweiter Hungerstreik
In den Hungerstreik trat Ecevit Piroğlu erstmals während des Auslieferungsverfahrens im Juni 2022. Er verlor innerhalb von 136 Tagen dreißig Kilogramm Gewicht. Nach der endgültigen Aussetzung der Auslieferung durch den Obersten Gerichtshof beendete er den Widerstand. Am 12. Februar nahm er diesen Protest wieder auf. Das ADGB wirft Serbien vor, Piroğlu in den Tod treiben zu wollen. Laut dem Bündnis bestehe die begründete Befürchtung, dass er noch immer von der Abschiebung in die Türkei bedroht sei. „Ecevit Piroğlu wird als politische Geisel benutzt. Serbien verstößt gegen seine eigenen Gesetze, indem es ihn in Haft behält.” Mit Regierungsvertretern kam die Delegation nicht zusammen, da Bitten um einen Termin im Innenministerium ignoriert worden seien. „Wir hatten auf die Bereitschaft seitens des serbischen Staates zu Gesprächen gehofft, um konkrete Lösungen im Fall Piroğlu auszuhandeln. Dazu kam es aufgrund der verweigernden Haltung in Belgrad nicht."
Internationale Öffentlichkeit schaffen
Die Delegation, der auch Vertreter des Bayerischen Flüchtlingsrates und der Plattform der Stimme der Gefangenen (TSP) angehörten, forderte Serbien erneut auf, seine Gesetze einzuhalten und Piroğlu nicht länger seiner Freiheit zu berauben. An die Gesellschaft appellierte die Abordnung, eine internationale Öffentlichkeit zu schaffen, die sich kritisch mit dem willkürlichen Vorgehen Serbiens auseinandersetzt und die Regierung dazu bringt, die Menschenrechte Piroğlus zu respektieren. „Ecevit ließ uns ausrichten, dass die Solidarität und die Proteste für ihn ihm Kraft gegeben haben. Er übermittelte allen Unterstützenden seine Grüße und seinen Dank. Es liegt an uns, ihn am Leben zu halten.“
Foto: Kundgebung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 28. Mai 2024 in Straßburg © Kampagne Freedom for Ecevit Piroğlu