Abschlusserklärung des internationalistischen langen Marsches

Neun Tage veranstalteten internationalistische Aktivist*innen im Rahmen des aufgrund der Pandemie umgestalteten langen Marschs für die Freiheit von Abdullah Öcalan Kundgebungen in verschiedenen deutschen Städten.

Geplant war ein langer Marsch durch Deutschland, um neun Tage lang für die Freiheit des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan zu demonstrieren. Aufgrund der Pandemie wurde der Marsch in eine Serie von kraftvollen Kundgebungen und Demonstrationen von Hanau bis Freiburg umgewandelt. Nun ziehen die Aktivist*innen in einer Erklärung Resümee und bedanken sich bei den Beteiligten.

Völkerrechtswidriger Piratenakt richtete sich gegen Freiheitsbewegung wie Bevölkerung“

In dem Resümee wird zunächst das Komplott politisch bewertet: „Die Verschleppung von Abdullah Öcalan, dem politischen Repräsentanten des kurdischen Volkes, aus Kenia in die Türkei bildete am 15. Februar 1999 den Höhepunkt des internationalen Komplotts, das am 9. Oktober 1998 seinen Anfang nahm. Der völkerrechtswidrige Piratenakt richtete sich sowohl gegen die kurdische Freiheitsbewegung als auch gegen die Zivilbevölkerung. Doch im Gegensatz zu den Erwartungen der beteiligten Kräfte konnte der Widerstand der Kurdinnen und Kurden für Befreiung nicht aufgehalten werden.

Konzept der demokratischen Moderne stellte Weichen für gesellschaftlichen Wandel“

Öcalan selbst trieb trotz der Isolation auf der Gefängnisinsel Imrali den dringend notwendig gewordenen Paradigmenwechsel der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) voran. Das daraus entstandene Konzept der demokratischen Moderne stellte die Weichen für einen Wandel hin zu einer basisdemokratischen, ökologisch bewussten und geschlechterbefreiten Gesellschaft – nicht nur für die Region des Nahen Ostens. Diese Idee bietet Menschen weltweit eine demokratische Alternative zum vorherrschenden System der Nationalstaaten.

Millionen fordern Öcalans Freilassung“

Während sich Öcalan insbesondere mit den ideologischen Fragen der kurdischen Gesellschaft auseinandersetzte und trotz seiner Haftbedingungen versuchte, eine politische Lösung im Sinne des Friedens zu organisieren, wurden weltweit Initiativen gestartet, um seine Gedanken in die Praxis umzusetzen. So konnte als Ergebnis der Revolution von Rojava die Demokratische Föderation Nord- und Ostsyrien ausgerufen werden. Darüber hinaus entstanden vielfältige Projekte und auch Kommunen wurden auf Grundlage des Paradigmas von Öcalan ins Leben gerufen. Das gemeinsame Hauptanliegen ist und bleibt aber weiterhin die Freiheit von Abdullah Öcalan. Seine Verschleppung wurde intensiv analysiert, auf verschiedenste Weisen angeklagt und bis heute wurden Millionen Aktionen von Millionen Menschen organisiert, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen.“

Langer Marsch unter Pandemiebedingungen und erhöhter Repression

Das Bündnis charakterisiert die „Langen Märsche“ als eine wichtige Aktionsform gegen die Isolation Öcalans und berichtet von den Schwierigkeiten aufgrund der aktuellen Situation: „Den diesjährigen fünften internationalistischen langen Marsch zu organisieren, gestaltete sich sowohl aufgrund der pandemiebedingten Situation als auch wegen der erhöhten Repression schwieriger als in den Jahren zuvor. Im Namen des Vorbereitungskomitees des langen Marsches 2021 möchten wir hiermit einen letzten Rückblick aus unserer Perspektive veröffentlichen, gleichzeitig aber auch einen Aufruf für das vor uns liegende Jahr abgeben.

Wohin wir auch gingen, waren wir mit Beschränkungen und Repression konfrontiert“

Selbstverständlich hatten wir Probleme, uns der Situation entsprechend vorzubereiten. Alle paar Wochen änderten sich die Corona-Auflagen und Maßnahmen und gerade in die Zeit des Jahrestags des internationalen Komplotts fiel der härteste Lockdown. Trotzdem stand es für uns stets außer Frage, dass der Marsch stattfinden würde. Wir sahen es als unsere Pflicht an, uns in dieser Form für die Freiheit Abdullah Öcalans einzusetzen. Die einzige Frage, die ständig in unseren Köpfen geisterte, war das ‚wie‘. Doch mit Hilfe der Aktivist*innen vor Ort, die uns solidarisch unterstützten, konnten wir für jedes Problem eine schnelle Lösung finden.“

Willkür und Behördenrepression“

Neben der Pandemie gab es auch massive administrative Hindernisse, die bereits beim Versuch der Anmeldung von Aktionen zum Tragen kamen. Wie die Organisator*innen berichten, wurden einige Demonstrationen aus „reiner Willkür“ verboten. In der Erklärung wird die Situation folgendermaßen beschrieben: „Einige Demonstrationen wurden in stationäre Kundgebungen umgewandelt und bei anderen wurden nur von Grund auf veränderte Routen genehmigt. Bereits bei der Vorbereitung nutzte die Polizei jedwede Strategie, um uns zu demoralisieren, doch wir ließen nie locker.

Kurdenkäfig in Hanau“

Besonders problematisch war das Verhalten der Polizei- und Ordnungsbehörden auf der Straße unter dem Vorwand der Corona-Regeln. Beispielsweise wurde der gesamte Marktplatz in Hanau mit zwei Gitter-Reihen abgesperrt, die Polizei bezeichnet dies stolz als den ‚Käfig der Kurden‘. So war es für Passant*innen unmöglich, zur Kundgebung zu gelangen, geschweige denn zu hören, worum es ging. Interessierte, die dennoch versuchten sich zu nähern, wurden teilweise von der Polizei angehalten. Bei einigen dieser Personen wurden sogar die Personalien aufgenommen.

Willkürliche Kriminalisierung von legalen Parolen“

In Frankfurt am Main setzte sich diese Politik fort. Viele Parolen, die bisher nie als problematisch beanstandet worden sind, wurden verboten, Fahnen wurden nicht erlaubt. Bei einigen Redebeiträgen wurde der Demonstrationszug angehalten und versucht, die Redner*innen zum Schweigen zu bringen. Wir ließen uns trotzdem weder einschüchtern noch provozieren und konnten unsere Aktionen weiterhin erfolgreich durchführen.

Diskreditierende und diskriminierende Presseberichterstattung“

Auch Provokationen der Presse fehlten nicht. Während die Zeitung ‚Badische Neue Nachrichten‘ bereits vor Beginn einen diskreditierenden Artikel mit rassistischem Beigeschmack veröffentlicht hatte, wurde auch danach mehrfach von ‚Kurdenmarsch‘ und ‚Kurdenführer‘ berichtet. Als die Frankfurter lokale Presse zu uns kam, lautete eine der ersten Fragen: ‚Haben Sie vor, heute noch für Krawalle zu sorgen?‘ Der enttäuschte Blick der ‚Reporterin‘, als das von unserem Pressesprecher lachend verneint wurde, war nicht zu übersehen.

Teilnehmer*innen in Stuttgart und Freiburg wahllos festgesetzt“

Als die Polizei feststellen musste, dass all dies nichts bewirkt hatte, wurden in Stuttgart und Freiburg wahllos Menschen festgesetzt. In Freiburg waren es vier Teilnehmende, die vorübergehend in Gewahrsam genommen wurden.“

Kampf für die Freiheit Öcalans lässt sich nicht kriminalisieren“

Der Repression zum Trotz sehen die Veranstalter*innen im diesjährigen „Langen Marsch“ einen großes Erfolg. Sie kritisieren die Behauptung, es sei „in dieser Zeit unverantwortlich einen solchen Marsch durchzuführen“, und erklären, dass sie durch den Marsch ein Beispiel gesetzt haben und auch unter Pandemiebedingungen unter der Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen (AHA) Proteste möglich seien. Sie betonten: „In einer Zeit, in der unter dem Motto des sozialen Abstandes die Isolation in der Gesellschaft immer weiter vorangetrieben wird, ist es umso wichtiger, einen Kampf gegen das Imrali-System zu führen.

Direkte Antwort auf Angriffe auf Gare waren durch Aktion möglich“

Ein weiterer für uns überaus wichtiger Punkt war es, offen und flexibel aufzutreten. So konnten wir mit dem langen Marsch viele neue Kontakte knüpfen, viele Gedanken wurden ausgetauscht. Gleichzeitig konnte durch den langen Marsch und die Verbundenheit der Aktivist*innen schnell und direkt eine Antwort auf die Angriffe auf Gare gegeben werden. Viele Menschen haben daraus große Kraft ziehen und gleichzeitig viel Hoffnung und Überzeugung gewinnen können.

Internationalistisch-solidarischer Charakter der Teilnehmer*innen beeindruckend“

Was uns dahingehend auch besonders motivierte, war der internationalistisch solidarische Charakter der Teilnehmenden. Als wir schweren Herzens entscheiden mussten, den Menschen, die von außerhalb Deutschlands kommen würden, eine Mail mit der Bitte nicht zu kommen, zu schicken, bekamen wir viele unerwartete Antworten. Menschen von Gran Canaria über das Baskenland und Katalonien bis hin zu Spanien und Frankreich sagten, sie würden weder Kosten noch Quarantäne scheuen, nur um mit uns gemeinsam auf die Straße zu ziehen. Es gab viele, die alleine auf Grund der Quarantäne wochenlang unterwegs waren.

Internationalistischer Geist wurde intensiv gelebt“

Im Allgemeinen kann also gesagt werden, dass der internationalistische Geist des Marsches intensiv gelebt worden ist. Auch die Forderung nach der Freiheit von Abdullah Öcalan konnte viele Menschen erreichen. Die Aktion stellt somit einen weiteren wichtigen Stein auf dem Weg gegen das internationale Komplott vom 15. Februar dar.

Wir wollen am 4. April Öcalans Geburtstag mit ihm zusammen in Freiheit feiern“

Zum Schluss möchten wir uns selbstverständlich bei allen Menschen bedanken die sich an dem internationalistischen Marsch beteiligt haben. Es waren neun sehr wichtige Aktionstage, die Eindruck hinterlassen haben. Es gilt selbstverständlich darauf aufzubauen und den Kampf für die Freiheit von Abdullah Öcalan weiter auszubauen. Unser persönliches Ziel ist es, den 4. April, den Geburtstag von Abdullah Öcalan, mit ihm gemeinsam in Freiheit zu feiern. Es soll im Jahr 2022 nicht notwendig sein, dass wir den nächsten internationalistischen langen Marsch organisieren müssen. Deswegen rufen wir alle Menschen dazu auf, sich unser Ziel zu ihrem Ziel zu setzen. Wir möchten zum Schluss nur noch eins sagen: Freiheit für Öcalan! Frieden in Kurdistan!“