„Üble Nachrede”: Zweieinhalb Jahre Haft für Demirtaş

Der inhaftierte Politiker Selahattin Demirtaş ist wegen „übler Nachrede” zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der ehemalige HDP-Vorsitzende soll den Ex-Oberstaatsanwalt von Ankara „zur Zielscheibe von Terroristen” gemacht haben.

Der kurdische Politiker Selahattin Demirtaş ist wegen „übler Nachrede” zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Grundlage des Schauprozesses an diesem Freitag an der 25. Schwurgerichtskammer Ankara ist eine behauptete Beleidigung des beklagten Ex-Vorsitzenden der HDP gegenüber Yüksel Kocaman, dem ehemaligen Oberstaatsanwalt von Ankara, der inzwischen an den Kassationsgerichtshof befördert wurde. Kocaman hatte Demirtaş wegen vermeintlicher Bedrohung und öffentlicher übler Nachrede gegenüber einem Beamten angezeigt. Letzteres sah das Gericht als erfüllt an.

Konkret ging es um eine Aussage von Demirtaş, die er im vergangenen September im Rahmen eines Mandantengesprächs mit seinem Anwalt Cahit Kırkazak geäußert haben soll. Bezüglich der kurz zuvor medial verbreiteten Fotos der Hochzeit Kocamans im Sheraton in Ankara, an der neben Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan unter anderem auch der Vorsitzende des Kassationshofs, der Justizminister, der Innenminister, der Generalstabschef und der Vorsitzende der Wahlkommission zu Gast waren, hätte Demirtaş gesagt: „Es gab eine Zeit, als Staatsanwälten sogar gepanzerte Fahrzeuge geschenkt wurden. Dennoch gelang es ihnen nicht, sich der Justiz zu entziehen. Die Geschenktüten, die euch jemand in die Hände drückt, werden euch ebenfalls nicht vor Strafverfolgung bewahren.“ Nach Auffassung des Gerichts habe Demirtaş damit den Staatsanwalt als „Person in einem Amt für Antiterrorbekämpfung“ bei „Anhängern von Terrororganisationen zur Zielscheibe“ gemacht.

Demirtaş war nicht persönlich bei der Verhandlung anwesend und wurde aus dem Hochsicherheitsgefängnis im westtürkischen Edirne, wo er seit Ende 2016 in Geiselhaft einsitzt, über eine Videoschalte eingebunden. Im Saal ließ sich der 48-Jährige, der selbst Rechtsanwalt ist, von Hadi Cin, Levent Kanat, Aydın Erdoğan und Mahsuni Karaman verteidigen. Bei der Verlesung des Plädoyers der Staatsanwaltschaft kam es zu heftigen Protesten seitens der Verteidigung, weil Demirtaş darin als „Person mit Verbindungen zur bewaffneten und terroristischen Organisation PKK/KCK“ bezeichnet wird. Die Demirtaş-Anwälte bezeichneten das Verfahren als „politisch motiviert“ und eine „Farce“ und forderten Freispruch für ihren Mandanten. Dass es wegen der Aussage über Yüksel Kocaman überhaupt zu einem Prozess kam, zeige die „antijuristische Marschroute” bei den Gerichten auf. Die vorsitzenden Richter entschieden, dass die behauptete Bedrohung durch Demirtaşs Aussagen nicht gegeben sei, sahen aber keine mildernden Umstände, die es rechtfertigten, das Strafmaß zu reduzieren. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass der Kommentar von Demirtaş im Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet wurde.

Trotz EGMR-Urteil im Gefängnis

Selahattin Demirtaş ist seit über viereinhalb Jahren im Gefängnis. Der damalige HDP-Vorsitzende wurde am 4. November 2016 zeitgleich mit zahlreichen weiteren kurdischen und linken Politiker:innen, darunter Figen Yüksekdağ, festgenommen und anschließend inhaftiert. Trotz eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wird er nicht freigelassen.