Şengal-Proteste in Bielefeld, Saarbrücken und Berlin

Um gegen die Kriegsverbrechen der Türkei im ezidischen Siedlungsgebiet Şengal zu demonstrieren, sind am Samstag zahlreiche Menschen in Deutschland auf die Straße gegangen. Proteste gab es unter anderem in Bielefeld, Saarbrücken und Berlin.

Um gegen die Kriegsverbrechen der Türkei im ezidischen Siedlungsgebiet Şengal zu demonstrieren, sind am Samstag zahlreiche Menschen in Deutschland auf die Straße gegangen. Proteste gab es unter anderem in Bielefeld, Saarbrücken und Berlin. Anlass waren die tödlichen Luftangriffe des türkischen Staates in Şengal, bei denen Anfang der Woche mehrere Personen getötet und verletzt wurden. Nach einem Drohnenangriff am 16. August in der Altstadt von Şengal, bei dem der Kommandant der Widerstandseinheiten Şengals, Seîd Hesen, und dessen Neffe Îsa Xwedêda getötet wurden, bombardierte die türkische Luftwaffe tags darauf ein Krankenhaus im Dorf Sikêniyê in der Region. Bei diesem Angriff wurde vier Mitarbeiter:innen des Krankenhauses sowie vier YBŞ-Kämpfer, die sich dort in Behandlung befanden, getötet. Vier weitere Personen erlitten Verletzungen.

Demonstration in Bielefeld

Frauen führen Demo in Bielefeld an

In Bielefeld beteiligten sich fast tausend Menschen an einer Demonstration, zu der neben dem Dachverband des Ezidischen Frauenrats e.V. (SMJÊ) auch NAV-YEK, HCÊ und das Kurdistan-Zentrum aufgerufen hatten. Das für Samstag geplante ezidische Kulturfestival war im Vorfeld abgesagt worden. Stattdessen versammelten sich Menschen aus der kurdischen und ezidischen Community sowie viele Unterstützende ab dem späten Vormittag am Hauptbahnhof. Eingangs wurde eine Schweigeminute im Gedenken an die Opfer der türkischen Luftangriffe und des IS-Genozids und Femizids in Şengal am 3. August 2014 gehalten. Pünktlich um 12 Uhr zog die Demonstration angeführt von einem Frauenblock sowie einem ezidischen Kinderchor los.

Viele Menschen hatten Transparente und Fahnen dabei, entlang des Zuges wurden Flugblätter zu den Hintergründen des Protests und damit zur Lage in Şengal und anderen Regionen Kurdistans verteilt. Über den Lautsprecher wurden mehrere Redebeiträge gehalten. Der Fernsehmoderator Yilmaz Pêşkevin Kaba informierte die Bielefelder Öffentlichkeit ausführlich über die derzeitige Situation in Şengal und wies in diesem Zusammenhang auf die deutsche Kriegsbeihilfe für die Türkei hin, welche nicht nur dort unmittelbar für die Flucht von zehntausenden Menschen verantwortlich sei. Die Ansprache einer Aktivistin richtete sich an den Frauenwiderstand gegen die Terrororganisation Taliban in Afghanistan. Am Rathaus Bielefeld mündete die Demonstration in eine Kundgebung. Dort gab es weitere Redebeiträge, ein Musikprogramm und ein Theater-Performance des ezidischen Kinderchors „Kinder der Sonne - Zaroken Rojê”.

Kundgebung in Saarbrücken

In Saarbrücken fand eine Kundgebung statt. Eine Aktivistin las aus einer Erklärung des Demokratischen Autonomierats von Şengal (MXDŞ) vor. Darin wurde unterstrichen, dass die türkische Führung sich durch das Schweigen der internationalen Gemeinschaft ermutigt fühle, an ihrer „genozidalen Vernichtungspolitik” gegen die kurdische oder ezidische Gemeinschaft festzuhalten. Dass die Kriegsverbrechen von Ankara ignoriert werden, bestärke die Regierung des Landes in ihrem völkerrechtswidrigen Handeln, hieß es. Die internationale Öffentlichkeit wurde aufgerufen, das Schweigen ihrer Regierungen angesichts dem „kriegerischen Treiben” der Türkei zu durchbrechen.

An einer Kundgebung in Berlin beteiligte sich unter anderem auch die frühere HDP-Abgeordnete Sibel Yiğitalp. Die Exil-Politikerin kritisierte internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen dafür, dass diese den Luftangriff des NATO-Partners Türkei auf das Krankenhaus in Şengal nicht verurteilt haben. Angriffe auf Einrichtungen wie Krankenhäuser stellen nach der Genfer Konvention Kriegsverbrechen dar, sagte Yiğitalp. „Andernorts würden nach so einem Vorfall Konsequenzen gezogen. Aber wenn der türkische Staat in Şengal Krankenhäuser bombardiert, an der von Genoziden gezeichneten Gemeinschaft der Region erneut einen Völkermord – der von der UNO als solcher anerkannt ist – verübt, dann herrscht weltweit das große Schweigen. Das kann und wird nicht akzeptiert.“

Deutliche Worte an die Bundesregierung

Der Ko-Vorsitzende von NAV-Berlin, Hüseyin Yılmaz, erklärte, dass die jüngsten Angriffe des türkischen Staates in Şengal erneut bewiesen hätten, wie notwendig die Anerkennung Selbstbestimmungsrechts der ezidischen Gemeinschaft für die Region sei. Nur auf diese Weise kännten derartige Angriffe verhindert werden. „Es scheint, als fürchte sich der Westen und im Besonderen Europa vor negativen Einflüssen auf die Handelsbeziehungen mit Ankara. Das ohenbetäubende Schweigen der Massaker des türkischen Staates im Nahen Osten lässt sich anders nicht erklären. Dass es hier kein Engagement für Frieden in der Region gibt, ist verachtenswert”, sagte Yılmaz. Der Westen habe wohl vergessen, dass der militärische Sieg gegen die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) maßgeblich von den Kurdinnen und Kurden errungen wurde und vor allem Europa vom Terror verschont blieb.