Prozessbeginn gegen 70-jährigen Kurden in Stuttgart

Vor dem OLG Stuttgart startet am Montag der Prozess gegen einen 70-Jährigen, dem PKK-Mitgliedschaft vorgeworfen wird. Der Rechtshilfefonds AZADÎ kritisiert die Zulassung der Anklage und ruft zu Solidarität mit dem Kurden auf.

Prozess nach §§ 129a, 129b

Vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart beginnt am kommenden Montag (14. Oktober) die Hauptverhandlung gegen den Kurden Emin Bayman. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart wirft dem 70-Jährigen vor, Mitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein, weshalb sie ihn wegen mitgliedschaftlicher Betätigung in einer „terroristischen“ Vereinigung im Ausland nach §§ 129a, 129b StGB anklagt. Das teilte der Kölner Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. am Samstag mit.

Im Mai 2021 waren die Wohnungen und Fahrzeuge zweier kurdischer Aktivist:innen in Heilbronn und dem benachbarten Weinsberg durchsucht worden. Einer der Betroffenen war Emin Bayman. Ihm wirft die Anklagebehörde vor, als Mitglied der PKK von Januar 2015 bis Mai 2021 zunächst verantwortlich für den „PKK-Raum Crailsheim“ und später verantwortlich für den „zusammengelegten PKK-Raum Sinsheim/Crailsheim“ gewesen zu sein. Er habe nach Weisung der ihm übergeordneten „PKK-Gebietsverantwortlichen“ unter anderem Veranstaltungen und Demonstrationen organisiert, Spendensammlungen koordiniert, Zeitschriften an Kurd:innen verkauft und eingenommene Gelder an höherrangige PKK-Funktionäre weitergeleitet.

Verfahren aufgrund Einzelermächtigung des Justizministeriums

Emin Bayman befindet sich nicht in Untersuchungshaft, was laut AZADÎ für den Vorwurf der PKK-Mitgliedschaft unüblich ist. Derzeit befinden sich nach Angaben des Rechtshilfefonds 14 Kurd:innen wegen dieses Vorwurfs in deutschen Gefängnissen in Straf- oder Untersuchungshaft. Das Verfahren gegen Bayman werde allerdings auch nicht auf Grundlage der allgemeinen Verfolgungsermächtigung gegen „PKK-Gebietsverantwortliche“ und andere Führungskader, die das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz im September 2011 erteilt hat, geführt, sondern aufgrund einer Einzelermächtigung des Ministeriums vom Juli 2019.

AZADÎ befürchtet Ausweitung der Strafverfolgung

Der Rechtshilfefonds AZADÎ kritisiert die Zulassung der Anklage gegen Emin Bayman durch das OLG Stuttgart und befürchtet eine Ausweitung der Strafverfolgung von Kurd:innen nach den Anti-Terror-Paragrafen 129a und 129b des Strafgesetzbuchs. „Mithilfe von Einzelermächtigungen und einer uferlosen Bewertung kurdischer Vereinsstrukturen als Teile der PKK könnten zukünftig auch Anhänger:innen oder Sympathisant:innen der Organisation als vermeintliche Mitglieder verfolgt werden, obwohl sie tatsächlich keine Mitglieder der ziemlich klar definierten Kaderorganisation sind“, warnt der Verein. Um diese Entwicklung nicht unwidersprochen zu lassen und Solidarität mit dem Angeklagten auszudrücken, ruft AZADÎ zur solidarischen Prozessbegleitung auf.

Weitere Verhandlungstermine im Prozess gegen Bayman

Der Termin am 14. Oktober 2024 beginnt um 9.00 Uhr im OLG Stuttgart, Saal 3, Olgastraße 2, 70182 Stuttgart (Eingang Seite Ulrichstraße). Weitere Verhandlungstermine sind bestimmt auf 21. und 28. Oktober, 4., 11., 18. und 25. November, 2., 9., 16. und 20. Dezember 2024 sowie 8. und 10. Januar 2025 – jeweils um 9.00 Uhr im Saal 3 des OLG Stuttgart.