AZADÎ kritisiert Urteil gegen Kenan Ayaz

Das Urteil gegen Kenan Ayaz sorgt weiter für Kritik. AZADÎ nennt die Entscheidung ein weiteres Glied in der beschämenden Kette an Verurteilungen von Kurden, die gegen Unterdrückung und Ausbeutung ihrer Gesellschaft kämpfen.

Vier Jahre Haft für PKK-Mitgliedschaft

Der Rechtshilfefonds AZADÎ hat das Urteil gegen Kenan Ayaz scharf kritisiert. Die Entscheidung sei „ein weiteres Glied in der beschämenden Kette an Verurteilungen von Kurd:innen, die sich gegen die Unterdrückung und Ausbeutung der kurdischen Gesellschaft engagieren“, erklärte der Verein am Abend schriftlich. AZADÎ fügte hinzu: „Die Bundesregierung steht in der Frage von Frieden oder Krieg in Kurdistan weiterhin auf Seiten der Kriegsbefürworter. Sie versteckt sich und ihre politische Haltung hinter der Justiz, anstatt Verantwortung für einen Frieden im Mittleren Osten zu übernehmen und zu helfen, den Weg für eine politische Lösung des Kurdistan-Konflikts zu ebnen.“

Keine individuellen Straftaten

Der kurdische Aktivist und Politiker Kenan Ayaz ist am Montag wegen Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vom Oberlandesgericht (OLG) Hamburg zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Das Gericht hält es für erwiesen, dass der 50-Jährige zwischen 2018 und 2020 „Gebietsverantwortlicher“ der PKK gewesen sei, unter anderem in Hamburg und Köln. Konkret wurde ihm vorgeworfen, Versammlungen und Veranstaltungen mitorganisiert zu haben und an Spendensammlungen beteiligt gewesen zu sein. Individuelle Straftaten wurden Ayaz nicht vorgeworfen – wie so häufig in Verfahren wegen PKK-Mitgliedschaft. Trotzdem verurteilte ihn das Gericht wegen „mitgliedschaftlicher Betätigung in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ nach §§ 129a, 129b Strafgesetzbuch. Die Bundesanwaltschaft hatte viereinhalb Jahre Haft gefordert, Ayaz‘ Verteidigung dagegen Freispruch.

Von Zypern an Deutschland ausgeliefert

Kenan Ayaz lebte seit 2013 als anerkannter politischer Flüchtling im griechischen Teil Zyperns. Wegen seiner politischen Aktivitäten war er bereits in der Türkei insgesamt zwölf Jahre im Gefängnis. Mitte März 2023 war er am Flughafen von Larnaka festgenommen worden, da deutsche Behörden einen europäischen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt hatten. Trotz vielfältiger, auch internationaler Proteste, intensiver Bemühungen seines Rechtsbeistands sowie eines Hungerstreiks, stimmte das zuständige Gericht einer Überstellung an Deutschland zu, sodass er schließlich Anfang Juni 2023 an die BRD überstellt und in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg (Holstenglacis) inhaftiert wurde. Das Gerichtsverfahren begann Anfang November 2023 und war von einer äußerst konfrontativen Verhandlungsleitung der Vorsitzenden Richterin geprägt, die mehrmals den Anklagten, seine Verteidiger:innen Antonia von der Behrens und Stephan Kuhn sowie das Publikum verbal anging und damit mangelnde Souveränität unter Beweis stellte.

Verteidiger weist auf Widersprüche der deutschen Repressionspraxis hin

„Leider reiht sich das Urteil nahtlos in die verschärfte Verfolgungspraxis des deutschen Staates gegen die kurdische Freiheitsbewegung ein. Immer deutlicher werden dabei vermeintliche geopolitische Interessen über Grund- und Menschenrechte gestellt, immer maßloser Menschen für ihr gewaltfreies politisches Engagement bestraft,“ resümierte Stephan Kuhn nach Prozessende. Er hob des Weiteren die Diskrepanz zwischen der Anerkennung der Kriegsrealität in Kurdistan sowie dem Festhalten an der Kriminalisierung des politischen Engagements von Kurd:innen in der BRD hervor: „Das Gericht hat hier zwar von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass es trotz unklarer Beweislage und unter Zugrundelegung zweifelhafter geheimdienstlicher Behauptungen verurteilen wird. Dennoch hat die Urteilsbegründung noch einmal eindrücklich den inneren Widerspruch der deutschen Repressionspraxis gezeigt, einerseits nicht umhin zu können jahrzehntelange menschenrechtswidrige Unterdrückung der Kurden durch den türkischen Staat festzustellen und Verständnis für die hierdurch motivierte, für sich genommen legale politische Betätigung des Angeklagten zu äußern, anderseits eine derart hohe Strafe zu verhängen.“