Föderation KAWA kritisiert Hessenschau-Bericht zu kurdischem Festival

„Zwischenfälle bei Kurdenfest in Frankfurt“ titelte die Hessenschau über das Kulturfestival. Die Föderation KAWA wirft der Sendung vor, die Stigmatisierung von Kurd:innen zu bedienen und ein Klima zu fördern, in dem antikurdischer Rassismus gedeihen kann.

Am 9. September 2023 fand in Frankfurt das 31. Internationale Kurdische Kulturfestival statt, zu dem Kurd:innen und ihre Freund:innen aus aller Welt anreisten. Zehntausende Menschen kamen unter dem Motto „JIN, JIYAN, AZADÎ - FRAUEN, LEBEN, FREIHEIT!“ zusammen und feierten gemeinsam bei einem ganztägigen und vielfältigen Kulturprogramm. Botschafter:innen des Festivals waren die österreichische Nobelpreisträgerin Elffriede Jelinek und der Musiker Konstantin Wecker. Unter den Gastredner:innen befanden sich neben Politiker:innen aus dem In- und Ausland auch der Bundestagsabgeordnete der SPD, Armand Zorn, sowie weitere Vertreter:innen zahlreicher Institutionen.

Bereits Monate vor dem Festival begannen die Vorbereitungen für die Veranstaltung. So wurde ein abwechslungsreiches Bühnenprogramm mit musikalischen Beiträgen, traditionellen kurdischen Tänzen, Redebeiträgen und einem Kinderprogramm zusammengestellt. Auch in diesem Jahr bereicherten zahlreiche Informations-, Kultur- und Essensstände das Fest. In erfolgreicher Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden, insbesondere mit dem Grünflächenamt der Stadt Frankfurt, konnte ein gemeinsames Konzept zur Durchführung des Festivals erarbeitet werden. Rückblickend sind wir sehr zufrieden mit der zielführenden und lösungsorientierten Zusammenarbeit mit allen städtischen Behörden. An dieser Stelle möchten wir auch unseren Dank an alle Mitwirkenden, Organisator:innen, Künstler:innen und Helfer:innen aussprechen, die mit großem Einsatz für einen reibungslosen, sicheren und friedlichen Ablauf des Kulturfestivals bei extremen Sommertemperaturen gesorgt haben.

Bericht schürt Antipathien

Umso überraschter sind wir über die Berichterstattung der Hessenschau über das vergangene Kulturfestival. Was nun von dem 31. Internationalen Kurdischen Kulturfestival in der deutschen Presse übrig bleibt, sind stigmatisierende und hetzerische Narrative über Kurd:innen, die in der deutschen Medienlandschaft seit Jahrzehnten System haben. Bereits die Überschrift „Zwischenfälle beim Kurdenfest in Frankfurt“ macht deutlich, welcher mediale Fokus gesetzt wurde. Bedauerlicherweise stehen in der Berichterstattung über das Kulturfestival haltlose Unterstellungen und Unwahrheiten im Vordergrund, die die Teilnehmer:innen gezielt kriminalisieren und Antipathien schüren.

Als Demokratische Föderation der Gesellschaften Kurdistans e.V. (KAWA) weisen wir diese Unterstellungen entschieden zurück und bringen unsere Kritik an den entsprechenden Medienschaffenden zum Ausdruck. Antikurdischer Rassismus und antikurdische Mediengestaltung prägen die deutsche Medienlandschaft seit Jahrzehnten und sind uns sicherlich nicht neu. Wer in Deutschland Zugang zu Nachrichten über aktuelle Entwicklungen in Kurdistan und der kurdischen Diaspora in Deutschland sucht, stößt innerhalb kürzester Zeit auf eine stigmatisierende Berichterstattung, die sich nur wenig von der Berichterstattung in der Türkei unterscheidet, was unmittelbar zu Stigmatisierung führt und Kurd:innen in ihren Grundrechten einschränkt.

Dass besonders hetzerische Narrative Aggressionen schüren und der Weg zu rechter Gewalt mit Hetze im Alltag beginnt, ist keine neue Erkenntnis. Bereits seit Jahrzehnten ist antikurdischer Rassismus in der türkischen Presse ein gefährlicher Wegbereiter für Pogrome, Lynchattacken und Verfolgung. Auch in Deutschland trägt diese Art der reißerischen Berichterstattung zu einer systematischen Kriminalisierung und stärkeren Verfolgung von Kurd:innen bei. Indem Medienschaffende die Stigmatisierung von Kurd:innen bedienen, fördern sie ein Klima, in dem antikurdischer Rassismus gedeihen kann und begünstigen ihre Kriminalisierung und gesellschaftliche Benachteiligung. Es stellt sich zudem die Frage, ob insbesondere der türkische Rechtsextremismus durch diese Form der Berichterstattung nicht legitimiert und gefördert wird.

Auch für das 31. Internationale Kurdische Kulturfestival gilt:

Aus welchem Anlass Kurd:innen und ihre Freund:innen zusammenkamen, welche Inhalte die zahlreichen Redebeiträge aus unterschiedlichen Teilen der deutschen Gesellschaft enthielten und wie vielfältig das Festival war, scheint für die Berichterstattung nicht nennenswert zu sein. Dass der Krieg in Kurdistan derzeit an allen Fronten eskaliert und Kurdistan zum Schauplatz zahlreicher Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen durch die Türkei und ihre Verbündeten geworden ist und dass die Kurd:innen mit ihren vielfältigen und progressiven Bestrebungen um Demokratie, Frauenbefreiung und Ökologie den Demokratisierungsprozess im Mittleren und Nahen Osten vorantreiben, scheint nicht erwähnenswert, wenn stattdessen über Unterstellungen gegen Teilnehmer:innen des Kulturfestivals berichtet werden kann.

Auch die Erwähnung der großen Vielfalt und der tollen Atmosphäre des Kulturfestivals suchten wir in der Berichterstattung vergeblich. Was wir lasen, war der vermeintliche „Störfaktor Kurd:innen“ und das immer vorhandene Gefahrenpotential, das angeblich von Kurd:innen ausgeht. Wir fragen uns: Aus welchem Grund wird inhaltlich Relevantes über die genannte Veranstaltung in der Berichterstattung gezielt weggelassen? Weshalb werden gesellschaftliche Bezugspunkte zu den Bestrebungen der Kurd:innen unsichtbar gemacht? Wieso sollen sie lieber mit der Unterstellung von Randale und Kriminalität in Verbindung gebracht werden, als mit ihren fortschrittlichen Ideen?

Ob in Kurdistan oder in der Diaspora: Kurd:innen sind seit jeher für Frieden, die Befreiung aus menschenunwürdigen Verhältnissen und die Wahrung ihrer grundlegenden Menschenrechte bemüht, haben weltweit und insbesondere in Deutschland zahlreiche Organisationen, Initiativen und Vereine gegründet und im Kampf um internationale Sicherheit hohe menschliche Verluste erlitten. Wirft man jedoch einen Blick auf die mediale Darstellung von Kurd:innen in Deutschland, so werden wir mit einem „Feindbild Kurd:innen“ konfrontiert, das eine „gescheiterte Integration” suggerieren soll und insbesondere in rechten und rechtsoffenen Milieus Wut und Abscheu schürt. Durch diesen Schreibstil wird Misstrauen gegenüber den Kurd:innen geschürt, das wiederum die Kurd:innen mit ihren Anliegen und Bestrebungen isolieren soll. Zudem sollen ihnen damit zivilgesellschaftliche und diplomatische Bestrebungen sowie demokratische Partizipation abgesprochen werden.

So kann Demokratie in der Presse nicht funktionieren

An dieser Stelle kritisieren wir außerdem die vielfach verwendeten Spezialbegriffe für Kurd:innen, die auch in der Berichterstattung über das Kulturfestival ihren Platz fanden. Insbesondere die Verwendung des Begriffs „Kurdenfest“ ist Teil unserer Kritik, da sich hinter dieser Begrifflichkeit grundsätzlich nicht nur inhaltliches Desinteresse, sondern oft auch eine tief verwurzelte Antipathie verbirgt. Wir fragen daher an dieser Stelle gezielt die betreffenden Medienschaffenden: Sprechen Sie bei Festen, an denen mehrheitlich deutsche Mitbürger:innen teilnehmen, von einem „Deutschenfest“? Die Frage beantwortet sich von selbst.

Journalismus, der haltlose Unterstellungen wiedergibt, ohne diese zu überprüfen, kann nicht objektiv und kritisch sein. So kann Demokratie in der Presse nicht funktionieren. Dieses Vorgehen halten wir zudem für sehr gefährlich, denn wir wissen um die Wirkung der Medien auf die Meinungsbildung und das demokratische Zusammenleben in einer Gesellschaft. Als Mitbürger:innen dieses Landes bereits in der vierten Generation, als Mitgestalter:innen der Entwicklung dieses Landes möchten wir darauf hinweisen, dass eine solche mediale Hetze, die seit vielen Jahren im Fokus der Medien steht, nicht hinnehmbar ist und öffentlich diskutiert und beendet werden muss. Vielmehr sollte die deutsche Presse den Werten einer gelebten Demokratie und Toleranz verpflichtet sein und sich in ihrer Berichterstattung daran orientieren.

Wir appellieren daher an die Medienschaffenden, ihre Form der Berichterstattung zu überdenken und nicht mit Stigmata zu arbeiten, die Bevölkerungsgruppen gezielt isolieren, herabwürdigen, kriminalisieren und Angriffe auf sie begünstigen. Überprüfen Sie Ihre Quellen, nehmen Sie gerne unsere Einladung an, selbst an den Veranstaltungen der kurdischen Gesellschaft in Deutschland teilzunehmen und sich ein Bild von der Situation vor Ort zu machen.

PM/KAWA - Föderation der Demokratischen Vereine Kurdistans e.V. 

Der Bericht der Hessenschau findet sich unter https://www.hessenschau.de/panorama/zwischenfaelle-bei-kurdenfest-in-frankfurt-v1,kurz-kurden-kulturfest-randale-100.html?fbclid