Aus Anlass des ursprünglich für den 2. Juni geplanten „Autogipfels“, bei dem über Kaufprämien für Neuwagen entschieden werden sollte, hat das klimaaktivistische Bündnis Sand im Getriebe für heute zum bundesweiten dezentralen Aktionstag aufgerufen. Auch wenn der „Autogipfel" im Kanzleramt am kommenden Dienstag nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) ausfällt, finden heute trotzdem in über 20 Städten vielfältige Proteste statt. Sand im Getriebe wertet dies als Erfolg des breiten Widerstands und erklärt:
Vor der Absage des Gipfels waren Regelungen im Gespräch, welche auch eine Kaufprämie für PKW mit einem Ausstoß von bis zu 140 Gramm CO2 pro Kilometer möglich machen würden. Dies läge deutlich über dem aktuellen EU-Flottengrenzwert von durchschnittlich 95 Gramm. Der Verband der Automobilindustrie fordert weiterhin eine Regelung dieser Art.
Marie Klee, Sprecherin von Sand im Getriebe, kommentiert die Situation: „Der breite Widerstand und Protest zeigt Wirkung! Obwohl die Autoindustrie einen viel zu engen Draht zur Bundesregierung hat, wurde die Entscheidung über eine Abwrackprämie jetzt zum zweiten Mal vertagt. Das ist ein erster Schritt, auf den eine klare Absage an die Förderung fossiler Industrien und eine radikale Umgestaltung des Verkehrssektors folgen müssen! Jegliche Staatshilfen müssen an den sozial-ökologischen Rück- und Umbau der Autoindustrie geknüpft werden. Wir bleiben aktiv und laut, bis eine radikale Verkehrswende endlich eingeleitet und klimagerechte Mobilität für alle ermöglicht wird!“
Bundesweit haben sich Verkehrswende- und Klimagerechtigkeits-Gruppen dem Protestaufruf von Sand im Getriebe angeschlossen. Auch sie sehen durch die Bestrebungen von Politik und Autolobby die Verkehrswende und die Klimaziele 2030 in Gefahr. Neben der Autoindustrie fordern auch andere klimaschädliche Industrien staatliche Hilfen in Milliardenhöhe ein. Stimmen aus der Klimabewegung äußern hingegen, dass diese Gelder in andere Bereiche fließen müssen: "Es ist unglaublich, dass Milliarden für Auto-Konzerne verschleudert werden sollen. Systemrelevant sind die Beschäftigten im Pflegebereich, die trotz Risiko und Überlastung unsere Gesundheitsversorgung aufrechterhalten und stattdessen mit warmen Worten abgespeist werden. Die Klimabewegung fordert: Geld für Pflege statt für Autos!" so Ronja Weil, Pressesprecherin von Ende Gelände Berlin.
Einige Gruppen betonen auch die Verantwortung, welche Konzerne und Politik für die kommenden Generationen tragen. Dazu Mike Spundflasche, Pressesprecher von Ende Gelände Köln: „Die Automobilindustrie ist neben der Kohleindustrie der Hauptluftverschmutzer in Deutschland - und damit eindeutig Verursacherin der eskalierenden Klimakrise. Die Autokonzerne müssen - genau wie die Kohleunternehmen - endlich zur Verantwortung gezogen werden. Die Rettung von klimaschädlichen fossilen Industrien ist im Jahr 2020 allenfalls ein schlechter Scherz. Als Ende Gelände Köln solidarisieren wir uns klar mit Sand im Getriebe und den Forderungen nach einem radikalen Wandel der Verkehrspolitik und gegen eine Abwrackprämie. Doch nicht nur der Autogipfel gehört abgesagt, auch Datteln 4 darf nicht ans Netz gehen!“
Im Rahmen des Aktionstages von Sand im Getriebe finden heute in über 20 Städten bundesweit vielfältige Proteste statt, unter anderem sind Kundgebungen oder Demonstrationen in Aachen, Berlin, Freiburg, Frankfurt, Köln und Kassel angemeldet. Sand im Getriebe fordert, dass Staatshilfen mit einer Verpflichtung zum sozial-ökologischen Rück- und Umbau der Automobilindustrie einhergehen müssen. Die Produktion muss auf ‚Verkehrswendemittel' wie Straßenbahnen, E-Busse und Lastenräder umgestellt werden, während die Existenzgrundlage aller Beschäftigten, nicht nur in der Automobilindustrie, gesichert wird. Das Bündnis hat 2019 die Internationale Automobil-Ausstellung blockiert. Es setzt sich für eine radikale Verkehrswende mit autofreien Städten und kostenlosem, massiv ausgebautem öffentlichen Verkehr sowie viel mehr Platz für Fußgängerinnen und Radfahrer ein.