Am Dienstag trafen sich Vertreter*innen aus Politik, Autoindustrie und -verbänden zum sogenannten „Autogipfel“ mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wie im Vorfeld bereits vermutet, wurden der Automobilindustrie bei der Videokonferenz Kaufprämien in Aussicht gestellt. Nach Informationen aus Regierungskreisen will die Bundesregierung bis Anfang Juni über deren genaue Ausgestaltung entscheiden. Die Verhandlungen wurden von Protesten auf dem Platz der Republik und direkt vor dem Kanzlerinnenamt begleitet. Unter anderem hatten die Gruppen Sand im Getriebe, Interventionistische Linke (iL) Berlin sowie Potsdam Autofrei zu einer Kundgebung aufgerufen.
„Der Politik geht es offenbar vor allem darum, den Profiteur*innen dieses autozentrierten Verkehrssystems ein ‚Weiter-so‘ zu ermöglichen. Dabei könnten Städte jetzt auf klimafreundliche, gemeinschaftliche und gerechte Mobilität umgestellt werden!“, kritisiert die Initiative Potsdam Autofrei in einer Mitteilung. „Jetzt riesige Geldsummen an die verbrecherischen Autokonzerne zu verteilen, wäre ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die in einem unterfinanzierten Gesundheitswesen und in schlecht bezahlten Pflegeberufen arbeiten und tagtäglich um ihre Existenz fürchten müssen. Statt Steuergeldern sollten vor allem die Milliardenprofite der Eigentümer herangezogen werden, um mögliche soziale Folgen für die Beschäftigten in der Autoindustrie abzufedern“, betont Ana Romero von der IL Berlin darin.
Verschiedene Akteur*innen der Verkehrswende- und Klimabewegung hatten zuletzt wiederholt die Stoßrichtung der Diskussion kritisiert. Anstatt einer Kaufprämie für Autos mit Verbrennungs- oder Elektromotor halten sie einen radikalen und sozial-ökologischen Umbau des Mobilitätssektors für notwendig. Dazu gehört aus ihrer Sicht auch eine deutliche Schrumpfung der Autoindustrie und eine Umstellung der Produktion auf ‚Verkehrswendemittel‘ wie Straßenbahnen, elektrische Busse und Lieferwagen oder Lastenräder, verbunden mit einer demokratischen Ausgestaltung des Wandels und der sozialen Absicherung von Beschäftigten. Dieser Forderung wurde auch heute durch weitere dezentrale Protestaktionen an verschiedenen Orten Nachdruck verliehen, unter anderem in Kassel, Aachen und Wolfsburg.
Dazu sagte Marie Klee, die Sprecherin von Sand im Getriebe: „Die Vielfalt der Proteste zeigt, dass viele Menschen ein Festhalten am überholten, sozial und ökologisch verantwortungslosen Geschäftsmodell der Autokonzerne nicht länger akzeptieren. Statt mit öffentlichem Geld den Verkauf von Privatautos weiter anzukurbeln, muss jetzt der Umbau der Industrie im Sinne einer radikalen Verkehrswende forciert werden. Die Politik ist orientierungslos und lässt sich von der Lobby auf der Nase herumtanzen – das zeigt uns, wie wichtig unser Protest ist. Der Widerstand gegen das ‚business as usual‘ des fossilen Verkehrssystems wird weiter zunehmen!“
Foto: Sand im Getriebe