Heilbronn: Neun Monate Haft wegen kurdischen Symbolen

Deutschland setzt bei der Bekämpfung der kurdischen Bewegung neben dem Terrorparagraphen 129a/b auf die Anwerbung von Spitzeln, aufenthaltsrechtliche Sanktionen und Einschüchterung. Einer der Betroffenen ist Emin Çatıkkaş aus Heilbronn.

In Deutschland befinden sich aktuell zwölf Kurden wegen des Vorwurfs der PKK-Mitgliedschaft in Untersuchungs- oder Strafhaft. Zunehmend betroffen von der strafrechtlichen Verfolgung nach §§129a/b StGB sind auch Aktivist:innen, die nicht als „Parteikader“ eingestuft werden. Das zeigen die Durchsuchungen von Wohnungen und kurdischen Gesellschaftszentren und vermehrten Ermittlungsverfahren, die früher „nur“ als Verstöße gegen das Vereinsgesetz verfolgt worden wären. Das betrifft unter anderem das Sammeln von Spenden oder die aktuelle bzw. vergangene Vorstandstätigkeit in einem kurdischen Verein.

Darüber hinaus setzt Deutschland bei der Bekämpfung der kurdischen Bewegung auf die Anwerbung von Spitzeln, aufenthaltsrechtliche Sanktionen und Einschüchterung. Seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden Kurd:innen werden Pass und Aufenthaltstitel entzogen, in einigen Fällen wird mit Kindesentzug gedroht. Über das Ausmaß dieser Fälle liegen keine Informationen vor, weil die Betroffenen damit selten an die Öffentlichkeit gehen. Wenn die Abschiebung oder der Sorgerechtsentzug droht, wird genau überlegt, ob die Teilnahme an einer Demonstration oder einer kurdischen Kulturveranstaltung im Moment sinnvoll ist.

Haftstrafe wegen Facebook-Fotos

Über einen dieser Fälle berichtet die Tageszeitung Yeni Özgür Politika in ihrer heutigen Ausgabe. Emin Çatıkkaş lebt seit 31 Jahren in Heilbronn und soll Ende des Monats eine Haftstrafe von neun Monaten antreten. Ihm werden Fotos von Abdullah Öcalan, gefallenen Guerillakämpfer:innen und kurdischen Flaggen auf Facebook zur Last gelegt. Deshalb wurde 2021 ein Strafverfahren eingeleitet. Wie Çatıkkaş berichtet, berücksichtigte das Gericht in Stuttgart beim Strafmaß die Angaben aus seinem Asylverfahren, dass sein Bruder 1988 als PKK-Kämpfer gefallen ist und seine Schwester in der Türkei im Gefängnis war. Er wurde zu neun Monaten Haft und 600 Euro Geldstrafe auf Bewährung verurteilt.

Nicht die erste Verurteilung

„Weil ich jedoch schon früher auf Bewährung verurteilt wurde und gegen die Auflagen verstoßen haben soll, ist die Aufforderung zum Haftantritt für Ende Juni gekommen“, berichtet Çatıkkaş weiter. Aufgrund einer Protestaktion nach der Verschleppung von Abdullah Öcalan im Februar 1999 sei er zwölf Tage im Gefängnis gewesen: „Ich wurde zu sieben Monaten verurteilt und bin mit zehnjähriger Bewährungsauflage nach der Zahlung von 500 Mark entlassen worden.“

Anwerbeversuch in der Ausländerbehörde

2003 sei er Ko-Vorsitzender des kurdischen Vereins in Heilbronn gewesen, vor acht Jahren wurde er brieflich zur Ausländerbehörde einbestellt: „Bei der Ausländerbehörde waren ein Mann und eine Frau. Als ich nach dem Grund für das Gespräch fragte, sagten sie: ,Wo arbeitest du, hast du genug Geld? Wir können dich einbürgern, dir ein Gehalt zahlen und eine Arbeit beschaffen.' Sie wollten mir 450 Euro geben. Das habe ich natürlich abgelehnt.“ Die beiden Personen hätten gesagt, dass sie von einer wichtigen staatlichen Institution kämen und ihn jeden Mittwoch treffen wollten. „Sie sagten, ich solle mich entscheiden und am nächsten Mittwoch zur Raststätte an der Autobahn nach Sinsheim kommen. Ich sagte, dass ich mein Volk nicht verraten und nicht kommen werde.“

Tochter und Sohn festgenommen

Die Repression sei danach weitergegangen, erzählt Çatıkkaş. Nach einer Brandstiftung in einer Heilbronner Moschee im Jahr 2018 sei seine Wohnung durchsucht worden: „Bei der Razzia wurde meine Wohnung durchsucht und verwüstet. Wir mussten uns alle auf den Bauch legen, die Polizisten stellten ihre Füße auf unsere Rücken. Mein Sohn und meine Tochter wurden ohne jeglichen Beweis festgenommen. Später wurde klar, dass meine Kinder nichts mit diesem Vorfall zu tun hatten. Wir haben den Prozess gewonnen.“

Gibt es Meinungsfreiheit in Deutschland?

Zuletzt appelliert Emin Çatıkkaş an die Öffentlichkeit in Deutschland und sagt: „Muss ich wirklich ins Gefängnis, weil ich Kurde bin? Vor fünf Jahren wurde mir der Aufenthalt entzogen und ich habe keine offiziellen Papiere mehr. Die deutsche Polizei und der Staat haben mir alle Rechte genommen. Was ist das für eine Auffassung von Gerechtigkeit? Neun Monate Haft wegen Social-Media-Beiträgen ist ein Präzedenzfall. Gibt es in einem Land wie Deutschland keine Meinungsfreiheit? Die Kurden auf diese Weise zu kriminalisieren, ist unmoralisch und unmenschlich.“