Hasankeyf: Der Kampf ist noch lange nicht aufgegeben worden

Ercan Ayboga, Mitarbeiter der Initiative zur Rettung von Hasankeyf, erklärt in einem Interview die aktuelle Lebensituation der Bevölkerung in der historischen Ortschaft und spricht darüber, wie weit der Bau des Ilisu-Staudamm-Projekts fortgeschritten ist.

Am 10. Januar haben wir berichtetet, dass die 100 Ladenbesitzer der alten Einkaufstraße von Hasankeyf, kurdisch Heskîf, von der staatlichen Wasserbehörde und dem Umweltministerium die Aufforderung bekommen haben, bis zum 17. Januar ihre Läden zu räumen.

Wir sprachen mit Ercan Ayboga, der seit 2006 Mitarbeiter der Initiative zur Rettung von Hasankeyf ist, wie er diesen weiteren Schritt der Zerstörung des historischen Ortes einordnet und wie weit dieses Großprojekt, dass Tausende Menschen vertreibt und als ökologische Katastrophe bezeichnet werden kann, bereits fortgeschritten ist.

Wie sieht die Situation in Hasankeyf momentan aus, wie weit ist der Bau des Staudamms fortgeschritten?

Der Staudammkörper soll angeblich vollständig gebaut worden sein, was wir nicht überprüfen können. Beim Wasserkraftwerk gibt es noch große technische Probleme, weshalb erst 3 von 6 Turbinen verbaut sind. Die große Brücke bei Hasankeyf ist noch im Bau; Abschluss wird frühestens Ende 2018. Die Wohnungen in Neu-Hasankeyf sind noch im Bau, allerdings in einer sehr schlechten Qualität. Sie sollen zum Sommer einzugsfertig sein.

Der Tigris bei Hasankeyf ist in ein enges Bett gezwungen worden. Letzte Woche wurde der Längsdamm durch heftige Regenfälle und Hochwasser durchbrochen (Wir berichteten).

Um den Burgfelsen herum und im Nebental werden Felsenstücke weiterhin systematisch durch Baumaschinen zerstört. Natürliche oder menschengeformte Felsenformationen und Höhlen werden zerstört und der Grund für einen „antiken Hafen" für die Zeit des Stausees mit dem zerstörten Material aufgeschüttet. Im August 2017 regte sich die Öffentlichkeit auf, als erste Felsenstücke zerstört wurden, aber die jetzige Zerstörung ist weit größer.

Wann ist mit der Flutung zu rechnen.

Es gibt diverse Erklärungen von staatlicher Seite. Diese sprechen von Ende 2018 oder Anfang 2019. Diesen ist jedoch nicht zu trauen. In der Vergangenheit gab es ständig Erklärungen, dass jederzeit geflutet wird. Diese Vorgehensweise soll den psychologischen Effekt erzeugen, dass unumstößliche Tatsachen geschaffen sind.

Wie ist die Forderung der Wasserdirektion und des Umweltministeriums zu bewerten?

Die Ladenbesitzer sollen mit ihren Läden nach Neu-Hasankeyf ziehen, obwohl dort kaum jemand wohnt. Begründet wird es damit, dass Monumente versetzt werden sollen. Diese Versetzung von Monumenten – sofern sie technisch gelingen sollten – sind ein Verbrechen an der Geschichte und Kultur.

Wie ist die momentane Lebenssituation für die Bevölkerung?

Seit Jahren nimmt die Zahl der Bevölkerung ab, insbesondere als ab 2010 der Zugang zum Burgfelsen gesperrt und der Tourismus Schritt für Schritt eingeschränkt wurde. Hasankeyf gehört zu den ärmsten Kleinstädten der Türkei. Die Menschen sind momentan sehr verärgert, sie fühlen sich vom Staat betrogen.

Regt sich noch Widerstand gegen das Projekt und wenn ja von wem?

Neben unserer Initiative zur Rettung von Hasankeyf gibt es Hasankeyf Matters, eine Gruppe von mehreren Einzelpersonen in Êlih (Batman) und Istanbul, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir arbeiten in Richtung der lokalen, türkeiweiten und schließlich internationalen Öffentlichkeit.

Der Kampf ist noch lange nicht aufgegeben worden. Wir rufen alle auf, sich mit uns zusammenzuschließen. Im April 2018 soll es einen internationalen Aktionstag geben. Außerdem läuft eine Unterschriftenkampagne unter: https://www.change.org/p/mesopotamian-ecology-movement-withdraw-from-the-relocation-project-of-monuments-in-hasankeyf


Ercan Ayboga ist seit der Gründung im Januar 2006 aktives Mitglied der Initiative zur Rettung von Hasankeyfs. Auch zuvor engagierte er sich gegen das Ilisu-Staudamm-Projekt. Zurzeit ist er für die internationale Arbeit des Vereins verantwortlich. Er selbst hat schon zweimal für eine längere Zeit am Tigris gelebt.