Die Beweisaufnahme im Aachener Prozess gegen einen Aktivisten aus dem Hambacher Forst scheint allmählich abgeschlossen. Das Landgericht Aachen hat am Donnerstag den Folgetermin auf den 11. November bestimmt. An diesem Tag wird auch ein Urteil erwartet. Vorgeworfen wird dem Aktivisten eine Widerstandshandlung gegen Vollstreckungsbeamte. Der Umweltschützer hatte sich bei der gewaltsamen Räumung im „Hambi“ genannten Wald im Herbst 2018 an eines der dort errichteten Baumhäuser angekettet.
Nachdem die Verhandlung aufgrund von technischen Problemen um mehr als eine Stunde verzögert wurde, gestaltete sich die Reihe von Anträgen, die sich mit der Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes beschäftigten, umso spanndender. Im Falle einer Rechtswidrigkeit der konkreten Maßnahmen bleibt nämlich der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach §113 StGB straffrei. So sei nach Ansicht der Verteidigung nicht nur der gesamte Einsatz zur Räumung des Hambacher Forstes rechtswidrig gewesen – wie auch kürzlich das VG Köln entschied – sondern auch die Diensthandlung der hier involvierten Polizist:innen. Zum Einen sei es ihre Pflicht, einen offensichtlich rechtswidrigen Befehl bei ihren Vorgesetzten zu remonstrieren – angesichts der öffentlichen Debatte um die Fadenscheinigkeit der Brandschutz-Begründung sei diese Kompetenz auch von ausführenden Beamt:innen zu erwarten, zum anderen sei ohnehin die offensichtlich stattfindende Versammlung nicht aufgelöst worden. Da der Grundrechtsschutz einer Versammlung derartige Amtshandlungen bedingungslos verbietet, gäbe es auch keinen Spielraum für eine Verurteilung.
Der Angeklagte erklärte dazu: „Das Gericht hat durchblicken lassen, dass es unsere Anträge zur Rechtswidrigkeit der Räumung für irrelevant hält. Im Strafrecht zähle nur die formelle, aber nicht die materielle Rechtswidrigkeit der Vollstreckungshandlung. Wir finden zum Einen, dass dieser formelle Rechtswidrigkeitsbegriff eine Weigerung der Gerichte darstellt, die gesetzliche Straflosigkeit des Widerstands gegen eine rechtswidrige Polizeihandlung anzuwenden. Zum Anderen war diese Räumung sehr wohl auch formell rechtswidrig.“
Bis auf die häufigen, technisch bedingten Unterbrechungen verlief der Verhandlungstag ruhig und konstruktiv. „Nach den bisherien Reaktionen der Richterin ist allerdings auch kein Präzedenzurteil zu erwarten, welches den Angeklagten mit der Begründung der rechtswidrigen Räumung oder des rechtfertigenden Notstands (nach §34 StGB) freisprechen würde”, resümierte der Ermittlungsausschuss (EA) Hambacher Forst. Ein solcher Freispruch ereignete sich vor wenigen Monaten in der Schweiz für die Besetzung einer Bankfiliale, in Deutschland hingegen bleiben diesbezügliche Anstrengungen nach wie vor erfolglos.
Der Gerichtstermin am 11. November im Saal A 1.010 wird wieder begleitet von einer solidarischen Kundgebung vor dem Gericht auf dem Adelbertsteinweg 92. Los geht es um 10 Uhr.
Titelfoto: Pay Numrich | Ende Gelände