Die Wahl des irakischen Präsidenten ist ein weiteres Mal verschoben worden. Nach erneuten Boykottaufrufen verschiedener politischer Blöcke erschienen am Samstag nur 202 der 329 Abgeordneten im Parlament von Bagdad. Erforderlich ist eine Zweidrittelmehrheit, also 220. Ein neuer Versuch soll nun am kommenden Mittwoch gewagt werden.
Das für eine Dauer von vier Jahren vergebene Präsidentenamt im Irak ist weitgehend repräsentativ. Solange es jedoch keinen Präsidenten gibt, gibt es auch keine Regierung. Es ist Aufgabe des Präsidenten, innerhalb von 15 Tagen nach seiner Wahl aus dem größten Parteienblock einen Regierungschef zu ernennen. Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen im Oktober kam keine Regierung zustande. Damit droht sich die politische Vertrauenskrise im Irak zu verschärfen.
Darauf machte am Samstag auch der bisherige Amtsinhaber Barham Salih aufmerksam. Der kurdische YNK-Politiker rief nach der gescheiterten Präsidentenwahl zu einem „ernsthaften und effektiven“ Dialog auf, um die derzeitige politische Krise im Irak zu bewältigen. „Der Mangel an nationaler Verständigung und das Scheitern dieser Parlamentssitzung mit dem Ziel, die verfassungsmäßigen Ansprüche zu erfüllen, sind mit Blick auf die vergangenen fünf Monate seit den Wahlen mehr als bedauerlich und besorgniserregend“, sagte Salih. Das Versäumnis des Landes einen Präsidenten zu küren, sei inakzeptabel.
Salih wies darauf hin, dass die Entscheidung, vorgezogene Neuwahlen abzuhalten, „kein Ziel an sich, sondern vielmehr ein Mittel zur Reform, zur Gewährleistung politischer und sozialer Stabilität, zur Verbesserung der allgemeinen Lage im Land und zur Erfüllung der Forderungen der irakischen Bevölkerung“ sei und darauf abziele, die politische Krise im Irak zu beenden und nicht fortzusetzen.
Mit Blick auf die politische Lage im Land erklärte der Präsident, die verschiedenen Parteien hätten eine „historische Verantwortung“, die gegenwärtige Krise durch „Patriotismus und Solidarität“ zu überwinden und eine fähige Regierung zu bilden, die den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht wird und die Souveränität und Interessen des Landes schützt. Um dieses Ziel zu erreichen und alle Herausforderungen zu bewältigen, müssten sich alle politischen Parteien an einem Dialogprozess beteiligen, mahnte Salih.
Barham Salih aussichtsreichster Bewerber
Das Präsidentenamt im Irak steht seit der US-Invasion 2003 traditionell einem Kurden zu. Ministerpräsident wird stets ein Schiit, Parlamentspräsident ein Sunnit. Seit 2005 kommt der Präsident aus der YNK, wie auch der bisherige Amtsinhaber Barham Salih. Der Politiker gilt auch jetzt als aussichtsreicher Bewerber für das Amt des Präsidenten. Insgesamt gibt es bei der Präsidentschaftswahl rund 25 Kandidaten. Als weiterer heißer Kandidat gilt Rêber Ahmed, Politiker der PDK und Innenminister der kurdischen Autonomieregion.