Pakhshan Azizi: UN-Expertengruppe fordert Aufhebung von Todesurteil

Eine UN-Expertengruppe hat sich besorgt über die Bestätigung des Todesurteils gegen die in Iran inhaftierte Kurdin Pakhshan Azizi gezeigt. Die Entscheidung müsse umgehend aufgehoben werden.

Unbedingter Verfolgungswille

Eine UN-Expertengruppe hat sich besorgt über die Bestätigung des Todesurteils gegen die in Iran inhaftierte Kurdin Pakhshan Azizi gezeigt. Dass die Justiz an der Todesstrafe für die 40-Jährige festhalte, verstoße gegen die allgemeine Erklärung der Menschenrechte und gegen internationales Recht, betonten die Expert:innen am Dienstag in Genf. Denn das verbietet ausdrücklich die Todesstrafe für Straftaten, die nicht die Schwelle der „schwersten Verbrechen“ erreichen, zum Beispiel vorsätzlicher Mord. Das Todesurteil gegen Azizi müsse unverzüglich aufgehoben werden, fordern die Fachleute.

Pakhshan Azizi ist Aktivistin und Sozialarbeiterin und hat bis zu ihrer Verhaftung im August 2023 in Teheran für humanitäre Hilfsorganisationen gearbeitet, die in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien sowie in der Kurdistan-Region des Irak ansässig sind. Ihr Fokus lag auf der sozialen Betreuung von ezidischen Frauen und Kindern in Vertriebenenlagern, die infolge des Genozids der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) im August 2024 in Şengal aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Zuvor arbeitete sie auch als Journalistin.

Die ersten vier Monate ihrer Haft verbrachte Azizi im Trakt 209 des Teheraner Evin-Gefängnisses, wo sie verschiedenen Menschenrechtsorganisationen zufolge von Agenten des Geheimdienstministeriums körperlich und psychisch schwer gefoltert wurde, um ein Geständnis zu erzwingen. Inzwischen wird sie in der Frauenabteilung der berüchtigten Haftanstalt festgehalten. Im Juli vergangenen Jahres verurteilte ein Revolutionsgericht in Teheran Azizi wegen „bewaffneter Rebellion gegen das System“ durch eine angebliche „Mitgliedschaft in bewaffneten Gruppen gegen die Islamische Republik“ zum Tode, darüber hinaus erhielt sie vier Jahre Haft. Vor einer Woche bestätigte der Oberste Gerichtshof Irans das Todesurteil. Damit könnte die Hinrichtung der in Mahabad geborenen Kurdin jeden Moment vollstreckt werden.

Verurteilung wegen Arbeit als Sozialarbeiterin

„Die Verhaftung und Verurteilung Pakhshan Azizis scheint ausschließlich im Zusammenhang mit ihrer Arbeit als Sozialarbeiterin zu stehen, einschließlich ihrer Unterstützung für Flüchtlinge im Irak und in Syrien“, erklärte die UN-Expertengruppe. Sie kritisierte das Regime, weil Azizi in Einzelhaft schwerer psychischer und physischer Folter ausgesetzt wurde und sie keinen Zugang zu Familienbesuchen hatte. „Die Anwendung von Folter, um Geständnisse zu erzwingen, und die Verweigerung eines fairen Verfahrens machen das Todesurteil gegen Frau Azizi zu einem willkürlichen Urteil“, so die Expert:innen.

Kritik an wachsender Zahl von Hinrichtungen

Die Arbeitsgruppe, die unter anderem aus der UN-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtslage in Iran, Mai Sato, und Morris Tidball-Binz, dem UN-Sonderberichterstatter zu außergesetzlichen, summarischen und willkürlichen Hinrichtungen besteht, zeigte sich auch besorgt über die steigende Zahl von Hinrichtungen in Iran geäußert. Nach UN-Angaben wurden im vergangenen Jahr mindestens 901 Menschen in dem Land hingerichtet – so viele wie seit 2015 nicht mehr. Allein in einer Woche im Dezember waren es demnach etwa 40. Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Exekutionen laut UN um fast 50 Fälle zu. Unter ihnen seien auch 31 Frauen. Das sei die höchste Zahl seit mindestens 15 Jahren.

Die Expertengruppe kritisierte zudem eine „gezielte Verfolgung kurdischer Aktivistinnen“ durch politisch motivierte Anklagen. Gerade der Fall von Pakhshan Azizi „spiegelt die verschärfte Verfolgung wider, der weibliche Aktivistinnen, die einer Minderheit angehören, im Iran ausgesetzt sind, und die fortgesetzte Absicht, sie zu bestrafen und zum Schweigen zu bringen, indem ein Klima der Angst geschaffen wird“. Dieser Schikanierung und gezielten Verfolgung von Frauenaktivisten müsse ein Ende gesetzt werden.

Unbedingter Verfolgungswillen

Pakhshan Azizi ist nicht die einzige kurdische politische Gefangene in Iran, gegen die die Todesstrafe verhängt wurde. Zu ihren Mitinsassinnen im Frauentrakt des Evin-Gefängnisses gehört unter anderem auch die Aktivistin Varisheh Moradi, die wegen ihres Engagements für die „Gemeinschaft der freien Frauen von Rojhilat“ (KJAR), dem Dachverband der kurdischen Frauenbewegung in Ostkurdistan und Iran, zum Tode verurteilt wurde. Die Menschenrechtsorganisation Kurdistan Human Rights Network (KHRN) führt die Todesurteile gegen Azizi und Moradi sowie den Anstieg der Hinrichtungen von Frauen in Iran auf einen „unbedingten Verfolgungswillen“ des Regimes hinsichtlich der „Jin Jiyan Azadî“-Bewegung und die von ihr verkörperten politischen Prinzipien des Säkularismus und der Frauenbefreiung zurück. Die Mullah-Justiz wolle sich mit den Todesurteilen an der Bewegung rächen, die 2022 nach dem gewaltsamen Tod der 22-jährigen Kurdin Jina Mahsa Amini enstanden war.