Arzach: Dutzende Tote, hunderte Verletzte

Nach Berichten aus der Region wurden bei dem aserbaidschanischen Angriff auf die armenische Region Arzach mindestens 27 Menschen getötet, darunter zwei Zivilisten. Eine massive Vertreibung droht.

Der aserbaidschanische Krieg gegen die armenische Bevölkerung in Arzach (Berg-Karabach) eskaliert weiter nach neuen Angriffen. Mindestens 27 Personen wurden bei den Angriffen der von der Türkei unterstützten aserbaidschanischen Armee getötet, 200 Menschen wurden verletzt, darunter auch Kinder. Unter den Toten soll sich auch ein Kind befinden. Die Angriffe konzentrieren sich derzeit hauptsächlich auf großkalibrige Artillerieangriffe auf die Hauptstadt der selbstverwalteten Region, Stepanakert.

Aserbaidschan bereitet Völkermord vor“

Die sogenannte „Anti-Terror-Operation“ wird unter dem Vorwand „illegaler armenischer Militärformationen“ durchgeführt und markiert den Höhepunkt einer seit Monaten anhaltenden Eskalationspolitik. Aserbaidschan hatte die vorwiegend von Armeniern bewohnte Region Arzach bereits vor Monaten belagert und den Latschin-Korridor geschlossen, über den die Region mit Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgt wurde. Seit Mitte Dezember hatte Aserbaidschan den Korridor für die 120.000 Menschen, darunter 30.000 Kinder, blockiert. Zuvor hatte Armenien täglich 400 Tonnen Lebensmittel in die Region geliefert. Angesichts dessen hatte bereits im August Luis Moreno Ocampo, der ehemalige Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, gewarnt, Aserbaidschan bereite einen Völkermord an Armenier:innen in Arzach vor. „Der Hunger ist die unsichtbare Waffe des Völkermordes“, hatte Ocampo angesichts der Blockade erklärt und weiter: „Ohne sofortige dramatische Veränderungen wird diese Gruppe von Armeniern in wenigen Wochen vernichtet sein.“

Es geht um die Vernichtung der Selbstverwaltung

Das diktatorische Alijew-Regime hat angekündigt, die Operation erst zu beenden, wenn sich „die illegalen armenischen Militärformationen“ ergeben und die Selbstverwaltung der Region aufgelöst werde. Die Bewohner:innen von Stepanakert haben sich in Bunker und Keller zurückgezogen, und die Stromversorgung ist unterbrochen.

Der Zentralrat der Armenier in Deutschland hat angesichts der groß angelegten Militäroffensive gegen Arzach die Bundesregierung aufgefordert, „rasch zu handeln“ und den von Aserbaidschan geführten Angriff zu verurteilen. Bisher gab es nur halbherzige Verurteilung durch Russland und die USA. Russland als Garantiemacht der trilateralen Erklärung, die den Waffenstillstand nach der aserbaidschanischen Invasion in Arzach im Jahr 2020 festgelegt hat, trägt die Hauptverantwortung. Allerdings fordert der Zentralrat Deutschland und die EU auf, effektive Maßnahmen wie Sanktionen gegenüber Aserbaidschan zu ergreifen, um ein erneutes Blutvergießen und die Vertreibung der Armenier aus Arzach zu verhindern. Der Zentralrat warnt davor, dass Deutschland aufgrund der Rolle Aserbaidschans als neuer Gaslieferant anstelle von Russland nicht schweigen sollte und sogar die aserbaidschanischen Angriffe finanziell unterstützen könnte.

Gaspartner“ Deutschlands als Aggressor

Deutschland ist ökonomisch eng mit Aserbaidschan verwoben. Insbesondere die Gaslieferungen spielen dabei vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs eine entscheidende Rolle. Während Aserbaidschan bereits die Menschen in Arzach durch seine Blockade aushungerte, besuchte Bundeskanzler Scholz den Autokraten Alijew. Vereinbart wurde eine Steigerung der Gasexporte von Baku nach Europa auf 20 Milliarden Kubikmeter bis 2027. „Aserbaidschan ist für Deutschland und die Europäische Union ein Partner von wachsender Bedeutung“, erklärte der deutsche Bundeskanzler.

Türkei ist inoffizielle Kriegspartei

Die Türkei steht hinter den Angriffen. Nicht nur in Worten, sondern auch durch Waffenlieferungen und die Bereitstellung von Drohnen (insbesondere der TB-2-Drohne) unterstützt das türkische Regime Alijew. Auf der UN-Versammlung bekundete Erdoğan seine Unterstützung für „den Schutz der regionalen Integrität Aserbaidschans“ und seine Hoffnung auf „schnelle Ergebnisse“. Bereits die Besetzung von Teilen von Arzach und die Vertreibung der armenischen Bevölkerung im Jahr 2020 hatte Erdoğan als „den größten Sieg der türkischen Außenpolitik im Jahr 2020“ bezeichnet. Sowohl 2020 als auch 2022 wurden Soldaten und Söldner von der Türkei nach Arzach entsandt; Söldner aus den besetzten Gebieten in Syrien und Libyen wurden nach Aserbaidschan verlegt. Es scheint, dass die Achse Ankara-Baku die geopolitische Aufmerksamkeit der Welt auf den Ukraine-Krieg nutzt, um ihre Expansion in der Region voranzutreiben. Der türkische Staat nutzt Aserbaidschan als Stellvertreter für seine panislamische und panturkistische Expansionspolitik und strebt eine strategische Positionierung im Südkaukasus an, um Einfluss bis nach Pakistan und Kaschmir zu erlangen und die Kontrolle über große Gasvorkommen zu erlangen. Diese Einflusssphäre soll bis in die sogenannten „Turkstaaten“ reichen.