Im Januar 2018 begann die türkische Armee die Region Efrîn im Norden von Syrien anzugreifen. Während des zweimonatigen Angriffskrieges wurden mehrerer Hunderttausend Menschen vertrieben, die trotz des Winters unter sehr schlechten Bedingungen in der Region Şehba in Zelten leben müssen. 50.000 Dschihadisten wurden stattdessen dort angesiedelt. Während zunächst türkische Soldaten die Angreifer waren, wurden aufgrund von Protesten auch türkischer Soldatenmütter, die gegen den Einsatz ihrer Söhne in Efrîn protestierten, immer mehr dschihadistische Söldner eingesetzt, oftmals auch ehemalige IS-Mitglieder, wie Geflohene aus Efrîn in Til Nasri berichteten.
Die Ko-Vorsitzende des Dorfrates von Til Nasri, Ehlam Omer, erklärte gegenüber Teilnehmerinnen der Delegation der feministischen Kampagne „Gemeinsam Kämpfen“, dass auch der ENKS betrogen wurde: „Diese Leute vom ENKS wurden in die Türkei geholt und dort ausgebildet, angeblich, um Führungsaufgaben in Efrîn zu übernehmen. Ihnen wurde gesagt, dass sie zu den neuen Herren gemacht werden. Als dann die Besatzung durch die türkische Armee und die dschihadistischen Banden begann, wurden diese Versprechen jedoch nicht eingelöst. Inzwischen sind diese Leute Opfer ihres eigenen Verrats geworden. Pro Forma wurden einige ENKS-Leute in die Besatzungsmacht integriert. Diese Personen zeigen der türkischen Armee bis heute, wo die Mitarbeiter*innen der Selbstverwaltung von Efrîn leben. Diese werden dann in die Türkei verschleppt.“
Ehlam berichtet weiter von einem Nachbardorf des Dorfes Hese, dem Ort, aus dem die in Kobanê gefallene Arin Mirkan stammt. Emara liegt im Bezirk Mabeta. Die von der Türkei eingesetzten Dschihadisten seien in dieses Dorf eingefallen. „Der größte Teil der Bevölkerung war in Angst und Schrecken versetzt, aber die Vertreter des ENKS waren erwartungsvoll. Da war klar, es gab Abmachungen mit der türkischen Armee. Der türkische Geheimdienst hatte dort vorher Kontakte zum ENKS hergestellt.“ Als die türkische Armee und die Banden gekommen wären, hätten die ENKS-Vertreter Reis geworfen, sie hätten sogar Schafe geschlachtet, um sie zu begrüßen.
Eine Frau vom ENKS sei jedoch später nach Şehba geflohen. Sie sagte, dass die Dschihadisten erst sehr freundlich zu ihnen gewesen seien, aber später immer mehr Geld verlangt und die Menschen geschlagen hätten. Einen Monat später sei die Tochter eines ENKS-Mitglieds in Mabeta entführt worden. Der Vater kam dann zu den YPG, die er zuvor verraten hatte, und verlangte, dass seine Tochter befreit wird. Die YPG lehnten ab.
Elham berichtet weiter, dass die Banden und Soldaten Nacht für Nacht durch die Straßen ziehen würden, um Frauen vor den Augen der Ehemänner zu vergewaltigen. Auch Familien, die zuerst nicht geflohen waren und der Selbstverwaltung nicht nahe standen, seien inzwischen nach Til Nasri gekommen, denn die Mädchen konnten nicht mehr vor die Tür gehen. Unter dem Vorwand Häuser zu kontrollieren, würden die Dschihadisten junge Frauen entführen. Sie nähmen Mädchen mit, um angeblich Jungfräulichkeitstests mit ihnen durchzuführen, da die jungen Frauen Kontakt zu den YPG gehabt hätten.