YPG-Mitglieder berichten über Verteidigungsaktionen

Wir interviewten gestern Kämpfer der YPG, die bei Bilika an der Front gegen das türkische Militär und seine Dschihadisten-Milizen Widerstand leisten.

Der Widerstand von Efrîn ist von historischer Bedeutung. Die ganze Realität dieses Widerstands, der nun einen Monat lang andauert, ist immer noch nicht vollkommen deutlich geworden. Deswegen ist es von besonderer Bedeutung darüber zu berichten, was die Kämpfer*innen von YPG und YPJ, die jeden Tag an den Fronten Widerstand leisten und mit dem Feind zusammenstoßen, erlebt haben und bezeugen können. Ich habe das Glück und verbringe Zeit mit einer YPG-Einheit, die schon in den ersten Tagen der Invasionsoperation an der wichtigsten Frontlinie, dem Kreis Raco und seiner Umgebung, am Widerstand teilnahm. Das was die Kämpfer*innen zu erzählen haben, ist sehr wichtig. Als ich sage, dass ich es aufschreiben will, lächeln sie und erzählen.

Wie haben fünf YPG-Kämpfer ein ganzes Heer zurückschlagen können?

Der YPG-Kämpfer, mit dem ich spreche, heißt Azad und ist 24 Jahre alt. Ich frage, wie konnten sich fünf YPG-Kämpfer gegen Dutzende Soldaten und Milizionäre halten: „Es war in den Tagen nach dem 15. Februar. Am 17. Februar befanden wir uns auf einen Gipfel in der Umgebung von Bilika. Wir waren zu fünft. Wir hatten uns auf dem Gipfel an verschiedenen Orten verteilt. Das türkische Militär griff den Gipfel an. Zuerst begann das Bombardement mit Haubitzen. Innerhalb einer Stunde schlugen etwa 15 Granaten ein. Den ganzen Tag gingen diese Angriffe weiter. Zwei Tage lang dauerte das Bombardement pausenlos an. Nach den Haubitzen wurde das Bombardement mit Flugzeugen fortgesetzt. Auf diesen kleinen Gipfel wurden aus Flugzeugen Bomben abgeworfen, aus neun Geschützen gefeuert und vier Raketen abgeschossen. Als das Wetter schlecht wurde, begann das türkische Militär und die Banden den Gipfel am Boden anzugreifen.“

Zum Gipfel brachen zwei mit A4 und DSchK-Geschützen bestückte Toyota-Militärfahrzeuge und 30–35 Soldaten auf. Die fünf YPG-Kämpfer auf dem Gipfel verfügten nur über Kalaschnikows, BKC-Maschinengewehre, B7-Raketenwerfer und Handgranaten. Die Soldaten, die sich dem Gipfel näherten, rückten wie der IS unter dem dschihadistischen Schlachtruf „Tekbir“ vor. Die fünf YPG-Kämpfer waren weiter in ihren Stellungen. Die Soldaten griffen in drei Gruppen an. Die YPG-Kämpfer warten und beobachten ruhig die „Tekbir“ schreienden und um sich schießenden Soldaten wie sie auf den Gipfel zustürmen. Sie warten so lange, bis die Soldaten sehr nahe gekommen waren und begannen dann die um sich schießenden Soldaten mit Salven zu beschießen. Sie entgegnen die Angriffe der Soldaten mit BKC-Maschinengewehrsalven und B7-Raketen. Die „Tekbir“ rufende Gruppe von Soldaten erhielt einen heftigen Schlag. Azad berichtet, dass es verletzte und getötete Soldaten gegeben habe und dass er selbst vier verletzte Soldaten mit eigenen Augen gesehen habe. Sie haben die vier verletzten Soldaten über den Boden geschleift und in ein Militärfahrzeug gebracht. Die Soldaten in der anderen Gruppe waren in Panik geraten. Die YPG-Kämpfer blieben auf dem Gipfel. Azad berichtet, dass die Soldaten regelrecht wie Schafe so offen auf den Gipfel zugelaufen seien und dass sie, sobald sie auf heftige Gegenweht trafen, ihre Ausrüstung wegwarfen und abgehauen seien. Bei diesem Gefecht wurde einer der YPG-Kämpfer am Arm verletzt, sie konnten den Gipfel aber weiter halten. Sie sagen, dass das Ziel der Armee gewesen sei Panzer auf dem Gipfel zu stationieren. Obwohl sich die Soldaten intensiv auf den Angriff vorbereitet hatten, mussten sie ihre Toten und Verletzten nehmen und sich zurückziehen. Hunderte Haubitzen und Flugzeugangriffe und auch die Unterstützung von Drohnen und Dutzenden Soldaten erlitten eine Niederlage gegen ein fünfköpfiges YPG-Team, das den Gipfel verteidigte.

Ich frage danach, ob sich die fünf YPG-Kämpfer bei den Gefechten miteinander unterhalten konnten und falls ja, worüber sie geredet hatten. Sie unterhielten sich, während sie die Bewegungen der Soldaten beobachteten, leise, wie sie vorgehen würden. Ich fragte, was sie in diesem Moment gefühlt hatten. „Wir mussten in diesem Moment tapfer sein. Wir dachten daran uns selbst und unsere Freund*innen zu schützen und den Gipfel zu verteidigen. Ich sagte den Freunden, dass sie ruhig sein müssten“, so Azad und erzählt weiter, „wir hatten die Gruppe von Soldaten und Bandenmitgliedern durch unseren plötzlichen Angriff in Schock versetzt. Als sich die Gruppe Soldaten und Bandenmitglieder, die unter ‚Tekbir‘-Rufen zum Angriff gekommen war, schnell zurückziehen musste, war unsere Moral unübertroffen. In diesem Moment strahlten unsere Gesichter. Und als dann eine Gruppe Freund*innen zu Verstärkung kam, änderte sich die Situation noch weiter und es gab viele Tote unter den Soldaten und ihren Banden.“

Die Soldaten haben zwei ihrer Toten im Schlamm zurückgelassen und sind abgehauen

Ein zweites Beispiel von der Efrîn-Front erzählt der 28 Jahre alte YPG-Kämpfer Xelil. Xelil befindet sich auch an der Raco-Front. Er hat vor allem auch an den heftigen Kämpfen der ersten zehn Tage teilgenommen. Am sechsten Tag des Angriffs versuchte das türkische Militär und seine Milizen in das Dorf Qude einzumarschieren. An einem Gipfel in der Nähe des Dorfes versuchte das türkische Militär einen Gipfel einzunehmen und konnte zuerst ein Stück vorrücken. Als das Militär die YPG bemerkte, kam es zu heftigen Gefechten. Die YPG zog sich wie geplant etwas zurück. Dann aber setzte die YPG zum Gegenangriff aus dem Hinterhalt an. Dabei wurden zwei Soldaten im ersten Gefecht getötet. Weitere wurden verletzt. Die Soldaten gerieten in Panik und ließen ihr Taschen, ihre Waffen, ihre Munition, ihre Geräte, ihre Granatwerfer, ihre Flammenwerfer und zwei tote Soldaten im Schlamm zurück und flohen. Die YPG brachte die im Schlamm liegengelassenen Toten mit einem Traktor nach Raco. Weitere zwei Traktorladungen mit Munition und Ausrüstung der geflohenen Soldaten wurden ebenfalls nach Raco gebracht.

Ich frage Xelil nach Details des Kampfes. „Ich habe zwei tote Soldaten gesehen. Während des Kampfes waren wir ganz nah beieinander. Der Abstand betrug vielleicht ein paar Meter. Das Wetter war neblig und regnerisch. Die fliehenden Soldaten hatten an vier verschiedenen Orten ihre Erste-Hilfe-Ausrüstung genutzt. An drei Stellen wurden die gleichen Militärkoppeln gefunden. Nur einer war anders. Die könnte einem Kommandanten gehört haben, denn da lag auch ein großes Funkgerät. Wir haben die zurückgelassenen Waffen und Ausrüstungsgegenstände eingesammelt“, so Xelil und erzählt mit leichtem Lächeln, „Die Soldaten hatten sehr viel Ausrüstung dabei und die ließen sie zurück und flohen. Wir haben zwei Traktoranhänger mit der Ausrüstung der Soldaten gefüllt.“

Der YPG-Kämpfer Aso berichtet

Als die türkischen Soldaten die Dörfer Elbiske und Canika plünderten, leistete der YPG-Kämpfer Aso in der Umgebung von Elbiske und Raco Widerstand. Es war der 10. Tag des Widerstands. Die türkischen Soldaten waren in das Dorf Elbiske eingedrungen und zerstörten mit einem Bagger, drei Panzern und drei DSchK-Fahrzeugen das Dort. Sie rissen eine Vielzahl der Häuser ein. Die Soldaten und Bandenmitglieder plünderten die Häuser des Dorfes. Beim Dorf Elbiske stieg eine Gruppe YPG-Kämpfer auf einen Gipfel. Die Soldaten und Banden wollten von Elbiske nach Canika ziehen, um das Dorf zu plündern. Sie kamen mit einem DSchK-Geschütz und einem gepanzerten Personentransporter in die Nähe des Dorfes. Die YPG nahm die Angreifer unter Feuer. Schon nach den ersten Schüssen lassen die Soldaten ihre Munition und ihre Fahrzeuge zurück und fliehen. Danach versuchen sie mit Verstärkung ihre Fahrzeuge zurückzuholen. Daraufhin griff die YPG mit schweren Waffen an. Die Soldaten und Banden zogen sich ins Dorf Elbiske zurück. Die YPG- und YPJ-Kämpfer*innen ließen den Soldaten auch in Elbiske keine Ruhe und zerstören einen am Angriff teilnehmenden Leopard-Panzer. Sie beschossen die Truppen mit Mörsern. Ganze acht Mörsergranaten schlugen in ihrem Ziel ein. Die türkische Armee griff mit Panzern an. Als die Panzerangriffe keine Ergebnisse brachten, griff die türkische Armee die YPG-Stellungen mit Flugzeugen an. Dies war auch erfolglos, da sich die YPG erfolgreich in Deckung bringen konnten.