„Wo sind die Leichen unserer Gefallenen?“

Die Angehörigen der Gefallenen von Efrîn fordern umgehende Aufklärung darüber, wohin die von einem Gefallenenfriedhof in Efrîn von den türkischen Besatzern exhumierten Leichen gebracht wurden.

Der türkische Staat und seine Söldner begehen in Efrîn systematisch Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen. Zuletzt wurde ein Gefallenenfriedhof geschändet, indem die Leichen der dort begrabenen Menschen aus dem Boden gerissen und an einen unbekannten Ort gebracht wurden. Der Friedhof wurde anschließend als „Massengrab“ in den türkischen Medien lanciert und behauptet, in den geöffneten Gräbern hätten sich Zivilist:innen befunden, die von den Volksverteidigungseinheiten (YPG) hingerichtet worden seien. Immer wieder wurden Gefallenenfriedhöfe in Efrîn bombardiert oder verwüstet. Das Vorgehen gegen die Leichen von Gefallenen ist ein häufig in der türkischen Spezialkriegsführung benutztes Mittel.

Drei meiner Verwandten lagen auf diesem Friedhof“

Angehörige der zuletzt von den Besatzungstruppen exhumierten Gefallenen haben im ANF-Gespräch ihre Forderungen zur Sprache gebracht. Cibrayil Mustefa, selbst Mitglied der Menschenrechtsorganisation von Efrîn, erklärt zu dem Angriff auf den Friedhof hinter dem Avrîn-Krankenhaus und der Medienkampagne der türkischen Staatspresse: „Die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, in Efrîn wäre ein Massengrab gefunden worden. Der Bericht behauptet, dass diejenigen, die dort begraben wurden, von den YPG und YPJ getötet worden seien.

Juristisch wird ein Massengrab als ein Ort definiert, an dem Menschen in einer Ausnahmesituation mit ihren Alltagskleidern gesammelt begraben werden. Wenn wir uns jedoch die Bilder und Aufnahmen des betreffenden Gebiets ansehen, wird klar, dass es sich hier nicht um ein Massengrab handelt, sondern jede Leiche über ihr eigenes Grab verfügt. Es wird ebenfalls deutlich, dass jeder exhumierte Körper in einem Leichentuch begraben ist. Dies bedeutet, dass jede Beerdigung nach Sitten und Gebräuchen vollzogen wurde. Ich komme aus Efrîn, die Leichen von drei meiner Verwandten wurden auf diesem Friedhof begraben. Wenn der türkische Staat behauptet, dass es sich um ein Massengrab handelt, dann soll er die Leichen den Familien zurückgeben.“

Die Mörder der Gefallenen sind bekannt“

Mustefa fährt fort: „Der Staat benutzt dieses Thema für ein Mordverfahren. Jedes Mordverfahren hat folgende Fragen zu stellen: Wer ist der Mörder? Wer ist der Ermordete? Was ist das Motiv? Auf welche Weise wurde die Person umgebracht? Die Antwort auf diese Fragen ist jedoch vollkommen klar: Die Ermordeten sind Menschen aus Efrîn, ihre Mörder sind der türkische Staat und seine Söldner. Über die Tatwaffe gibt es auch keinen Zweifel, sie wurden von türkischen Kampfflugzeugen und Drohnen getötet. Wir wollen, dass ein internationales Komitee gebildet wird und die Leichen der Gefallenen untersucht werden. Rechtlich gesehen ist es bewiesen, dass diese Morde vom türkischen Staat verübt worden sind. Auf dieser Grundlage können wir feststellen, dass der türkische Staat rechtlich und politisch am Ende ist. Es gibt nichts mehr, was sie tun können, also greifen sie die Leichen der Gefallenen an.“

Die Verbrechen des türkischen Staates sind dokumentiert“

Mustefa berichtet von den Dokumentationen der Kriegsverbrechen in Efrîn und erwähnt besonders einen Bericht der UN-Untersuchungskommission zu Syrien. Der Menschenrechtler führt aus: „Das Komitee ist dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen angegliedert. Der im März 2021 veröffentlichte Bericht hebt Menschenrechtsverletzungen durch den türkischen Staat und seine Söldner hervor. Obwohl der türkische Staat wusste, dass es sich um ein Gefallenenfriedhof handelte, versuchte er, die internationale Gemeinschaft zu täuschen, indem er ihn zu einem ‚Massengrab‘ umtitulierte. Der türkische Staat hat auf diese Weise Schritte unternommen, um sich der Gefahr [einer Verurteilung aufgrund des Berichts] zu entziehen. Einer davon war die Entsendung von Nasir al-Hariri nach Efrîn und die Einrichtung eines ‚Komitees gegen Ungerechtigkeit‘ in Efrîn. Die Menschen in Efrîn, die Kontakt zu uns hatten, sagten jedoch, dass das Komitee selbst in den Landraub verwickelt ist. Die Personen, die sich beim Komitee beschweren, werden ebenfalls verhaftet und inhaftiert. Daher war dieser Versuch des türkischen Staats [seine Verbrechen zu verschleiern] erfolglos. Nun schickten sie Abdulhakim Başar (ENKS) los, und ließen ihn erklären, es gäbe keine Menschenrechtsverletzungen in Efrîn. Als das auch nicht glaubwürdig war, wurde der Friedhof benutzt.“

Die Lügen des türkischen Staates sind ans Licht gekommen“

Der türkische Staat hat diese Morde begangen, sagt Cebrayil Mustefa. „Entsprechende Dokumente haben wir der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Spätestens dann wurde klar, dass der türkische Staat lügt. Seit die Wahrheit ans Licht gekommen ist, schweigen die Besatzer. Als Volk von Efrîn rufen wir jedoch internationale Institutionen auf, ein Komitee zu bilden und die Mörder der Gefallenen zu entlarven.“ Mustefa weist darauf hin, dass der türkische Staat gegen die Haager Landkriegsordnung verstößt, in der festgelegt ist, dass eine Besatzungsmacht die Zivilbevölkerung, aber auch die Friedhöfe zu schützen habe. Außerdem verstoße die Türkei mit ihrem Vorgehen auch gegen die Genfer Konvention.

Wir wollen wissen, was sie mit unseren Gefallenen gemacht haben“


Ayide Mistefa, Tochter des Gefallenen Mihemed Mistefa, der ebenfalls auf dem Friedhof beigesetzt war, erklärt: „Mein Vater arbeitete beim Asayîş. Er fiel am 11. März 2018 bei einem türkischen Luftangriff. Aufgrund der Intensität der Angriffe und des Bombardements mussten wir unsere Gefallenen in der Nähe des Krankenhauses begraben. Wir haben den Leichnam meines Vaters mit einer Zeremonie am 14. März 2018 begraben. Am selben Tag fanden die Beerdigungen von 35 Gefallenen statt. Als Tochter des Gefallenen Mihemed will ich wissen, was der türkische Staat unseren Gefallenen angetan hat. Wir hoffen, eines Tages nach Efrîn zurückzukehren, um das Grab meines Vaters zu besuchen. Deshalb rufe ich die internationale Gemeinschaft auf, den Ort, an dem sich die Leiche meines Vaters und all der anderen Gefallenen befindet, zu ermitteln.“


Der Vater des Gefallenen Ehmed Xanê, Ebdin Xanê, berichtet, wie Ehmed am 12. März 2018 gefallen war und unter dem türkischen Bombardement hinter dem Avrin-Krankenhaus beigesetzt wurde. Er appelliert ebenfalls an alle Menschenrechtsinstitutionen zu ermitteln, was mit den Leichen der Gefallenen geschehen ist.