Wieder Mordfall im Camp Hol

Im nordostsyrischen Auffanglager Hol hat sich erneut ein Mordfall ereignet. Das Opfer ist ein irakischer Schutzsuchender. Der 32-Jährige wurde mit zwei Schüssen in den Kopf regelrecht hingerichtet.

Im Auffang- und Internierungslager Hol nahe Hesekê ist am Sonntag die Leiche eines Schutzsuchenden gefunden worden. Der 32-jährige Iraker aus Anbar wurde mit zwei Schüssen in den Kopf regelrecht hingerichtet, sagte ein Sprecher der Asayîş, den Sicherheitskräften der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens. Zu den Tätern ist nichts bekannt, vermutet werden Schläferzellen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Die Fahndung nach den Verantwortlichen übernimmt eine Ermittlungsgruppe, die zur Aufklärung früherer Mordfälle in Hol im Einsatz ist.

Mit dem Mord an dem jungen Iraker sind seit Anfang des Jahres mindestens zwölf Menschen in Camp Hol getötet worden. Vergangene Woche wurde ein irakisches Ehepaar erschossen, wenige Tage zuvor waren die Leichen von drei Frauen entdeckt worden. 2021 gab es nach Angaben der Lagerverwaltung mindestens 127 Mordfälle in Hol, die hauptsächlich von der sogenannten IS-Religionspolizei für Frauen und der IS-Jugendorganisation „Junglöwen des Kalifats“ begangen wurden. Hol gilt als Brutstätte der dschihadistischen Terrormiliz und als eines der gefährlichsten Lager der Welt.

Hälfte aller Internierten minderjährig

War Hol zu Beginn für 10.000 Personen ausgelegt, halten sich heute mehr als 56.000 Menschen aus verschiedenen Ländern dort auf. Unter ihnen befinden sich auch tausende IS-Familien, die nach der Einnahme der letzten IS-Bastion Baghuz Anfang 2019 von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) aufgegriffen wurden. Mehr als die Hälfte der Internierten sind Minderjährige unter zwölf Jahren, denen die IS-Doktrin beigebracht wird. Dadurch entsteht die Gefahr, dass eine neue Generation von Terroristen geschaffen wird. Die IS-Frauen haben eigene Strukturen aufgebaut und begehen immer wieder Gräueltaten an Personen, die sich vom IS trennen wollen oder nicht nach den Maßstäben der Terrororganisation leben. Diese Situation hängt vor allem mit der fehlenden Bereitschaft zu internationaler Unterstützung für die Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens und Rücknahme der Internierten ab. Die wenigsten Staaten sind bereit, ihre in Camp Hol festgehaltenen Bürgerinnen und Bürger zurückzunehmen. Die Selbstverwaltung warnt seit Jahren vergeblich vor der Gefahr, dass in Hol eine neue IS-Generation anwächst.

Hol primäres Ziel von „Vergeltungsoffensive“ des IS

Seit etwa zwei Wochen kommt es in einigen Regionen des Autonomiegebiets von Nord- und Ostsyrien wieder vermehrt zu IS-Anschlägen gegen militärische und zivile Strukturen der Selbstverwaltung. Am 17. April hatte die Dschihadistenmiliz dazu aufgerufen, die Zeit des Ukraine-Kriegs für Anschläge zu nutzen. Europa gehe „durch eine heiße Phase“ und IS-Unterstützer sollten diese Gelegenheit wahrnehmen, überall zuzuschlagen, hieß es in einer Audiobotschaft der Terrororganisation. Als primäres Ziel für Attentate in Syrien wurde das Auffang- und Internierungslager Hol genannt. Damit solle der Tod der ehemaligen IS-Anführer Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi und Abu Bakr al-Baghdadi gerächt werden. Der IS hoffe, dass der Krieg in der Ukraine nicht ende, ehe er die Menschen im Westen vernichtet und die dortigen Gebiete zerrissen habe.Vergangenen Mittwoch kamen sieben Menschen in der Nähe von Deir ez-Zor bei einem IS-Anschlag auf das Haus von Nuri al-Hamish, den Leiter des Büros für Öffentlichkeitsarbeit im Zivilrat der Region, ums Leben.