Die Sicherheitskräfte der Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien (Asayîş) haben im Auffang- und Internierungslager Hol einen unterirdischen Tunnel entdeckt. Genutzt worden sei dieser für die Ausbildung der IS-Jugendorganisation „Junglöwen des Kalifats“ und als Versteck jugendlicher Attentäter. „Der Tunnel wurde auf eine Weise angelegt, die es ihnen erlaubt, überraschend anzugreifen und sich sofort wieder zurückzuziehen“, sagte ein Asayîş-Sprecher nach dem Fund.
Angelegt wurde das unterirdische Trainingslager in einem Zelt im Abschnitt „Muhadschirat“, in dem die Angehörigen ausländischer Dschihadisten der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ festgehalten werden. Neun Minderjährige im Alter zwischen dreizehn und fünfzehn Jahren, die in dem Zelt in der Scharia unterrichtet wurden, hat der Asayîş in die Obhut eines Rehabilitationszentrums gegeben. Es handelt sich um Kinder von Eltern mit indonesischer, turkmenischer, französischer und russischer Staatsbürgerschaft.
Linientreue IS-Anhängerinnen großes Problem
Verantwortlich für die Indoktrination der Kinder mit der IS-Ideologie seien die von linientreuen IS-Anhängerinnen im Sektor Muhadschirat aufgebauten Strukturen. Diese Dschihadistinnen haben auch nach dem Vorbild der sogenannten Al-Khansa-Brigade (Liwa al-Khansa), der IS-Religionspolizei für Frauen, die Hisba-Truppe aufgebaut. Diese begeht immer wieder Gräueltaten an Personen, die sich nicht an die Verhaltensnormen des IS halten. Seit Anfang des Jahres gab es bereits mehr als hundert Mordfälle in Camp Hol, die allesamt auf das Konto der Hisba-Truppe und der „Junglöwen des Kalifats“ gehen sollen. Neun von ihnen erhalten nun im Therapiezentrum Hori die Chance auf ein neues und vor allem friedliches Leben, frei von extremistischen Gedanken und Ideen. Die Einrichtung im östlich von Qamişlo gelegenen Dorf Tel Maarouf wird von der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens betrieben und ist das einzige Rehabilitationszentrum für Kinder aus IS-Familien. Aktuell leben dort etwas mehr als hundert Kinder und Jugendliche.
Video: NorthPress
Camp Hol
Camp Hol liegt etwa 40 Kilometer östlich der Kantonshauptstadt Hesekê im irakisch-syrischen Grenzgebiet und ist so groß wie eine Stadt. Es wurde Anfang 1991 während des Zweiten Golfkriegs vom UNHCR für irakische Flüchtlinge errichtet. Nachdem es zwischenzeitlich geschlossen war, wurde das Camp im Zuge des Irakkrieges 2003 wiedereröffnet. Seit der Zerschlagung der Territorialherrschaft des IS durch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) im März 2019 gilt Camp Hol als tickende Zeitbombe und Brutstätte des IS, da es hauptsächlich zur Unterbringung von Frauen und Kindern benutzt wird, die zuvor in Gebieten unter Kontrolle des IS lebten. Die Gesamtzahl der Bevölkerung in dem Lager liegt derzeit bei etwa 58.000. Bei mehr als der Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner handelt es sich um Binnenvertriebene aus dem Irak, die meisten von ihnen sind Kinder.
Situation in Camps gerät außer Kontrolle
Der Außenbeauftragte der Selbstverwaltung, Abdulkarim Omar, warnt immer wieder vor einer neuen IS-Generation, die in den Internierungs- und Auffanglagern in Nordostsyrien heranwächst, und fordert Unterstützung der Herkunftsländer der IS-Gefangenen und ihrer Angehörigen. „Die internationale Öffentlichkeit muss uns helfen. Es wird nichts unternommen, damit die IS-Mitglieder vor Gericht gestellt werden können. Auch hinsichtlich der IS-Familien in den Lagern wird keine Unterstützung geleistet. Wir fordern seit langer Zeit einen Gerichtshof für Prozesse gegen die Islamisten, aber niemand reagiert auf unsere Appelle. Die Frauen und Kinder in den Lagern sind eine große Gefahr. Sie geben dem IS eine neue Gestalt. Die Kinder werden mit Hass aufgezogen“, sagte Omar kürzlich in einem ANF-Interview.