In einer Zeit tiefgreifender Umwälzungen und anhaltender Konflikte in Syrien hat eine überraschende politische Entwicklung die Gemüter vieler im Land bewegt: das Abkommen zwischen den Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und der syrischen Interimsregierung. Dieses Abkommen zielt darauf ab, eine Grundlage für die Zukunft des Landes zu schaffen. Mehrere syrische Künstler:innen und Intellektuelle reagierten nun öffentlich auf diese Einigung, die von vielen als ein bedeutsames Zeichen der Hoffnung inmitten der anhaltenden Schwierigkeiten interpretiert wird.
Wichtiger Beitrag zur Einheit des Landes
Die Nachricht dieser Einigung, die nur drei Monate nach dem Machtwechsel in Syrien erfolgte, wurde von einem breiten Spektrum syrischer Künstler:innen positiv aufgenommen. Viele Kulturschaffende sehen in diesem Schritt einen wichtigen Beitrag zur Einheit des Landes und zur Verhinderung weiteren Blutvergießens.
„Geschenk an alle Völker Syriens“
Der Künstler Semih Shiqer äußerte sich in den sozialen Medien und betonte sein Mitgefühl für die Zivilbevölkerung und die Asayîş-Einheiten, während er gleichzeitig die Verursacher der Gewalt verurteilte. Er zeigte sich sehr glücklich über das Abkommen zwischen den QSD und der Übergangsregierung, das er als „ein wichtiges Geschenk an alle Völker Syriens“ bezeichnete und als Beitrag zum Aufbau eines „freien und geeinten Syriens“ würdigte. Seine Worte spiegeln die tiefe Sehnsucht vieler Syrer:innen nach einem Ende der Konflikte und einer Rückkehr zur nationalen Einheit wider.
„Großer Schritt in die Zukunft Syriens“
Auch der Schauspieler Cemal Sileman kommentierte die historische Bedeutung des Treffens zwischen der syrischen Regierung und den QSD. Er bezeichnete es als einen „großen Schritt in die Zukunft, die Syrien verdient“. Dabei hob er hervor, dass trotz aller Unterschiede letztendlich alle Syrerinnen und Syrer seien. Diese Betonung der gemeinsamen nationalen Identität über unterschiedliche politische und ethnische Zugehörigkeiten hinweg ist ein wiederkehrendes Thema in den Reaktionen der Künstler:innen.
„Syrien – du bist jetzt frei“
Mazin Al-Natour, der Ko-Vorsitzende der Vereinigung syrischer Kunstschaffender, brachte seine Unterstützung auf kreative Weise zum Ausdruck. Er veröffentlichte einen Videoclip, in dem er ein Lied auf Kurdisch und Arabisch mit dem Titel „Erhebe deinen Kopf, Syrien – du bist jetzt frei“ sang. Diese Künstlerische Darbietung unterstreicht die Hoffnung auf eine neue Ära der Freiheit und Einheit für das Land und symbolisiert die Überwindung sprachlicher und kultureller Barrieren im Streben nach einem gemeinsamen Ziel.
„Versöhnung ist ein Schimmer von Optimismus“
Die Regisseurin Rasha Hisham Sharbatji äußerte sich ebenfalls zufrieden über das Abkommen. Zunächst gedachte sie aller unschuldigen Opfer des Konflikts und erkannte an, dass das viele Blutvergießen der Preis für Freiheit und Befreiung gewesen sei. Trotz der erlittenen Zerstörung sah sie in der „heutigen syrisch-kurdischen Versöhnung einen Schimmer von Optimismus“. Ihre Worte vermitteln eine vorsichtige Hoffnung, die aus dem Leid der Vergangenheit schöpft und in der aktuellen Einigung einen Wendepunkt sieht.
„Das Abkommen verhindert weiteres Blutvergießen“
Der Schriftsteller Nabil Milhim hob die präventive Wirkung des Abkommens hervor. Er glaubt, dass die Unterzeichnung „weiteres Blutvergießen und weitere Spaltungen verhindert“ habe und bezeichnete dies als einen „sehr vernünftigen Moment“. Er äußerte zudem sein Vertrauen in Mazlum Abdi, den er als „wahren Patrioten und Staatsmann“ bezeichnete. Milhims Einschätzung unterstreicht die Bedeutung von politischer Weitsicht und Kompromissbereitschaft in der Überwindung tiefgreifender Konflikte.
Wichtige Rolle von Kunst- und Kulturschaffenden
Die breite Zustimmung der syrischen Kulturschaffenden zu diesem Abkommen ist insofern bemerkenswert, als sie die Hoffnung auf eine friedlichere und geeinte Zukunft Syriens widerspiegelt. Die Künstler:innen, die oft eine sensible Antenne für die gesellschaftlichen Stimmungen und Entwicklungen in ihrem Land haben, sehen in dieser Einigung offenbar einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Ihre öffentlichen Äußerungen können dazu beitragen, eine breitere Akzeptanz und Unterstützung für den Friedensprozess in der syrischen Bevölkerung zu fördern.
Entscheidender Moment des Abkommens
Es ist wichtig, den Kontext dieser Einigung vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in Syrien zu betrachten. Der Machtwechsel in Syrien vor drei Monaten und der Sturz des langjährigen Präsidenten Assad im Dezember haben eine neue politische Dynamik geschaffen. Die Kämpfe mit Assads Anhängerschaft und die Massaker an der alawitischen Minderheit insbesondere in der Küstenregion Latakia, zeigen die weiterhin fragile Sicherheitslage im Land. In dieser angespannten Atmosphäre kommt dem Abkommen zwischen den QSD und der neuen Führung unter Ahmed al-Scharaa eine besondere Bedeutung zu.
Äußere Bedrohungen
Gleichzeitig bleiben Herausforderungen bestehen. Die Türkei betrachtet die kurdischen Volksverteidigungseinheiten, die führende Kraft der QSD sind, weiterhin als Ableger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und stuft sie als Terrororganisation ein. Auch die israelischen Luftangriffe auf Ziele im Süden Syriens, die sich seit dem Sturz Assads intensiviert haben, stellen eine fortwährende Bedrohung für die Stabilität des Landes dar. Die Übergangsregierung fordert den Rückzug Israels aus Syrien.
Die Hoffnung überwiegt
Trotz dieser anhaltenden Schwierigkeiten überwiegt bei den syrischen Künstler:innen die Hoffnung, dass das Abkommen zwischen Abdi und al-Scharaa einen Wendepunkt in den Entwicklungen in Syrien darstellen könnte. Ihre positiven Reaktionen sind ein wichtiger Indikator für die Sehnsucht der syrischen Bevölkerung nach Frieden, Einheit und einer besseren Zukunft nach Jahren des Bürgerkriegs und der politischen Instabilität. Die kreativen Stimmen des Landes tragen somit dazu bei, einen gesellschaftlichen Konsens für den eingeschlagenen Weg zu fördern und die Hoffnung auf eine friedliche und geeinte Zukunft Syriens lebendig zu halten. Die kommenden Monate werden zeigen, inwieweit die in dem Abkommen formulierten Ziele tatsächlich umgesetzt werden können und welchen Beitrag die syrische Kunst und Kultur weiterhin zur Gestaltung der Zukunft des Landes leisten werden.
Inhalte des Abkommens
Das Abkommen umfasst acht Kernpunkte, die die zukünftige Gestaltung Syriens betreffen. Dazu gehören die Gewährleistung des Rechts aller Syrer:innen auf Vertretung und Teilnahme am politischen Prozess unabhängig von ihrer religiösen und ethnischen Herkunft. Ein besonders wichtiger Punkt ist die Anerkennung der kurdischen Bevölkerungsgruppe als indigene Bevölkerung des syrischen Staates, verbunden mit der Garantie ihres Rechts auf Staatsbürger:innenschaft sowie aller verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten. Des Weiteren sieht das Abkommen einen Waffenstillstand in allen Gebieten Syriens vor. Ein zentraler Aspekt ist die Integration aller zivilen und militärischen Institutionen Nord- und Ostsyriens in die Verwaltung des syrischen Staates, einschließlich wichtiger Infrastruktur wie Grenzübergänge, Flughäfen sowie Öl- und Gasfelder. Die Rückkehr aller vertriebenen Syrer:innen in ihre Städte und Dörfer unter dem Schutz des syrischen Staates soll ebenfalls gewährleistet werden. Eine bemerkenswerte Klausel ist die Unterstützung des syrischen Staates im Kampf gegen die Überreste des Assad-Regimes und aller Bedrohungen seiner Sicherheit und Einheit. Zudem wird die Ablehnung von Spaltungsaufrufen, Hassreden und Versuchen, Zwietracht zwischen den Bevölkerungsgruppen Syriens zu säen, bekräftigt. Schließlich sieht das Abkommen die Einrichtung von Exekutivausschüssen vor, die auf die Umsetzung der Vereinbarung bis zum Ende des laufenden Jahres hinarbeiten.
Foto: Mazlum Abdi und Ahmed al-Scharaa unterzeichnen das Abkommen (c) Sana