Die Stadt Suweida ist ein Brennpunkt des demokratischen Widerstands gegen das Assad-Regime. Während des Krieges ging die Bevölkerung in Suweida ihren eigenen Weg und etablierte eine Form der Autonomie. Das Regime versucht jedoch mit allen Mitteln, seine Kontrolle in der Region aufrechtzuerhalten. Dies und die rasch zunehmende Verarmung führen zu immer breiteren Protesten in der südsyrischen Region, die hauptsächlich von Drus:innen bewohnt wird. Etwa 3,5 Prozent der syrischen Bevölkerung sind Drus:innen, die unter der Politik des arabischen Nationalismus des Baath-Regimes leiden und als Nichtaraber:innen ausgegrenzt werden. Sowohl die Muslimbruderschaft als auch das syrische Regime haben versucht, die drusische Bevölkerung im Verlauf ihres Konflikts zu instrumentalisieren.
Suweida schlug, ähnlich wie Rojava, einen dritten Weg ein und setzte eine Form der Autonomie um. Die Region Suweida stand trotz ihrer Entfernung in enger Verbindung zur Selbstverwaltung von Rojava. Die Organisierung der Bevölkerung und ihr Selbstbewusstsein zeigen sich nun erneut in massiven Protesten gegen das Regime.
Es geht um Demokratisierung und ein Ende des Regimes
Die Menschen im Gouvernement Suweida gehen seit dem 20. August für die Anerkennung ihrer autonomen Verwaltung und unter der Parole „Stürzt das Assad-Regime“ auf die Straße. Der Journalist Murhaf al-Shair sprach mit der Nachrichtenagentur ANHA über die Entwicklungen in der drusischen Region. Er berichtet, dass die Menschen einen Regierungswechsel, die Umsetzung der UN-Sicherheitsresolution 2254, in der ein Fahrplan für einen politischen Wandel in Syrien festgelegt wurde, Bürgerrechte, Demokratie, politische Teilhabe und Selbstbestimmungsrecht fordern.
Geistiges Oberhaupt der Drusen unterstützt den Protest
Al-Shair erklärte: „Als die Menschen erkannten, dass Frieden, Freiheit und der Erfolg des Kampfes von der Organisation abhängen, wuchs ihre Forderung nach Revolution und Widerstand von Tag zu Tag. Jeden Tag sehen wir Dörfer, politische Kräfte, zivilgesellschaftliche Organisationen und sogar Familien Stellung beziehen. Dies wird auch durch die Aussagen des geistlichen Anführers der Drusen, Scheich Hekmat al-Hajri, bestätigt. Al-Hajri stellte fest, dass die Forderungen des Volkes legitim sind und dass es einen Bedarf an Veränderungen gibt. Junge Menschen, Frauen und Vertreter verschiedener Teile der Gesellschaft schließen sich ebenfalls dem Widerstand an und treten dafür ein, dass ihre Forderungen erfüllt werden.
Die Hoffnung auf eine Zukunft in Freiheit
Al-Shair beschrieb die Ziele und Motivation des Widerstands: „Das Ziel des Widerstands ist nun der Wandel, die Schaffung eines nationalen und demokratischen Klimas, das die Freiheit des Volkes gewährleistet. Diese Regierung unterdrückt ihr Volk und verkauft die nationalen Werte des Landes leichtfertig an das Ausland. Die Menschen in Suweida zählen auf ihre Geschwister, die sich in anderen Regionen für die Ehre Syriens und die Zukunft ihrer Kinder einsetzen. Sie wollen Recht, Freiheit und eine Zukunft auf der Grundlage sozialer Gerechtigkeit. Alle syrischen Flüchtlinge auf der ganzen Welt sehen ihre Zukunft in der Revolution. Sie ist das Tor der Hoffnung für die Befreiung aller Menschen in Syrien. Dieser Widerstand zeigt, dass sich die Proteste und Aktionen auf ganz Syrien ausgeweitet haben.“
Lokale Komitees schützen die Bevölkerung
Der Widerstand müsse noch besser organisiert werden, erklärte Al-Shair und fügte hinzu: „Suweida hat ein eigenes Wertesystem, das auf den moralischen Traditionen der Gesellschaft basiert. Dadurch kann sich die Situation des Widerstands weiter verbessern. Es wurden bereits Organisationskomitees für den Widerstand gebildet. Seit Beginn des Widerstands in der Provinz sind Entführungen und Sicherheitsprobleme zurückgegangen. Die lokalen Komitees sind dafür verantwortlich, die Bevölkerung von Suweida zu schützen. Möglicherweise werden nach den Beratungen politischer, zivilgesellschaftlicher und lokaler Kräfte sowie den Aufrufen der Scheichs umfassendere und stärkere Komitees gebildet. Es sollte eine einheitliche Form und Lösungen geben, die allen Menschen in Syrien und der Bevölkerung von Suweida dienen. Dabei müssen insbesondere die psychologische Kriegsführung, die das Regime über den IS anwendet, und mögliche Bedrohungen berücksichtigt werden.“
Forderung nach einer demokratischen Verfassung
Der Journalist schließt mit den Worten: „Neben den wirtschaftlichen Problemen gibt es noch viele andere Faktoren wie politische Vernachlässigung, die Abwanderung der Jugend, die fehlende Sicherheit, die Zerstörung der Zukunft der Jugend, Besatzung, Gewalt gegen Menschen in Syrien und die Art und Weise, wie Entscheidungsprozesse stattfinden, die die Menschen auf die Straße treiben. Die Lösung ist ein friedlicher Machtwechsel und der Aufbau eines zivilen und demokratischen Staates, der die Rechte der Menschen in Syrien garantiert. Es muss eine nationale Verfassung geschaffen werden, die den Erwartungen aller gerecht wird. Die Regierungsform sollte kein Selbstzweck sein, sondern ein menschliches Ziel verfolgen, das ein würdevolles Leben ohne Missachtung des Willens der Bevölkerung gewährleistet.“