Zwei Tage nach dem Tod von IS-Chef Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi im Nordwesten Syriens ist der türkische Innenminister Süleyman Soylu am Samstag nach Idlib gereist, um gemeinsam mit dem Gouverneur von Hatay die von der türkischen Katastrophenschutzbehörde AFAD errichteten Fertighaussiedlungen zu besuchen. Das Gebiet im Norden von Aleppo steht unter der Kontrolle des Al-Nusra-Ablegers HTS (Haiat Tahrir al-Scham) und weiteren dschihadistischen Gruppierungen sowie der Türkei selbst.
Soylu hielt sich bei seinem Besuch ganz in der Nähe von dem Haus auf, in dem al-Quaraishi am 3. Februar bei einer Operation der US-geführten Koalition gegen den IS getötet wurde. Die Operation bei Atmeh wurde seit Monaten vorbereitet, an der Planung waren auch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) beteiligt. Das Ziel des Einsatzes war nur wenige Kilometer von dem Ort entfernt, wo im Herbst 2019 der damalige IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi getötet worden war. Laut dem QSD-Pressesprecher Ferhad Şami befinden sich in einem Umkreis von 200 Metern des Hauses von al-Quraishi drei Stützpunkte der türkischen Armee. Die besetzten Gebiete in Syrien sind von der Türkei in einen „sicheren Hafen“ für IS-Anführer verwandelt worden.
Laut US-Präsident Joe Biden soll al-Quraishi auch für den IS-Sturm auf das Gefängnis in Hesekê verantwortlich gewesen sein, bei dem Ende Januar mindestens 121 QSD-Mitglieder, Sicherheitskräfte und Zivilpersonen ums Leben gekommen sind. Dass die Türkei in den IS-Angriff verwickelt ist, wurde von Biden nicht erwähnt. Im Autonomiegebiet Nord- und Ostsyrien wird zurzeit darüber diskutiert, inwieweit die US-Operation in Idlib mit der Türkei ausgehandelt wurde. Die türkische Luftwaffe hat zwei Tage zuvor Rojava und Südkurdistan bombardiert, was ohne Zustimmung der USA nicht möglich gewesen wäre. Daher stellt sich für viele Menschen in der Region die Frage, was die USA im Gegenzug bekommen haben.