„Meine Schwestern wurden von den Invasionstruppen ermordet“

Vor einer Woche wurden in Serêkaniyê zwei Schwestern ermordet. Hasan Ahmed al-Musa, ein Bruder der getöteten Frauen, sagt: „Wir kennen den Mörder. Früher war er beim IS, jetzt ist er bei der SNA.“

Am 24. Januar stürmten Mitglieder der berüchtigten SNA-Miliz Ahrar al-Sharqiya ein Haus im Dorf Rawiyê bei Serêkaniyê (Ras al-Ain), um die arabischen Bewohner*innen zu vertreiben. Die Schwestern Jamila Ahmad al-Musa (30) und Hatijah Ahmad al-Musa (45) weigerten sich ihr Haus zu verlassen und wurden von den Dschihadisten ermordet.

Der Bruder der beiden Frauen aus dem Rudahir-Stamm (auch als Makhmuri bekannt), Hasan Ahmad al-Musa, hat mit ANF über den Mord an seinen Schwestern gesprochen.

Sie wurden von einem Mitglied von Ahrar al-Sharqiya ermordet“

„An diesem Tag haben unsere Nachbarn Schüsse aus unserem Haus gehört. Sie gingen sofort hin. Sie sahen wie ein Motorrad, dass sie als das von Ahmed Omar al-Abdullah vom Abu-Jammu-Bataillion von Ahrar al-Sharqiya erkannten, wegfuhr. Als sie nach Hause kamen, sahen sie meine Schwestern Cemile und Hatice in ihrem Blut liegen“, berichtet er.

Früher beim IS, jetzt SNA-Söldner

Ahmed Omar Abdullah ist bei der Bevölkerung der Region bekannt. Hasan Ahmad al-Musa beschreibt ihn: „Der Täter ist 25 Jahre alt. Früher war er bei der sogenannten Hisbah, einer polizeilichen Institution des IS. Bereits damals hat er uns Dutzende Male bedroht. Nun wurden meine Schwestern vom türkischen Staat in Komplizenschaft mit dem IS ermordet. Denn wir als Familie unterstützen das Zusammenleben der Völker der Region und die Demokratischen Kräfte Syriens.“

Wir sind vor der Unterdrückung aus Serêkaniyê geflohen“

Auch nach der türkischen Invasion soll die Familie immer wieder von dem Dschihadisten bedroht worden sein. Hasan Ahmad al-Musa gibt an, dass die Miliz, der al-Abdullah angehört, ihn bereits einmal verschleppt habe. „Trotz der türkischen Invasion sind wir eine Weile nicht weggegangen. Aber wir litten sehr unter der Repression. Zuletzt hatte mich Ahmad Omar al-Abdullah festgenommen. Ich konnte fliehen und bin mit meinem Bruder zusammen von Serêkaniyê nach Raqqa geflohen. Meine Schwestern wollten ihr Haus und ihr Land schützen und daher unser Dorf nicht verlassen. Sie dachten: ‚Wir sind Frauen und wir sind Arabisch. Sie werden uns nichts tun.‘“

Nach ANF-Bericht wurden Leichen in die Türkei verschleppt

Die Leichen der beiden Schwestern sollten am 25. Januar nach Raqqa überführt und dort beigesetzt werden. Nach unserer Nachricht über den Mord wurden die Leichen der beiden Frauen jedoch in die Türkei verschleppt.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Al-Musa erzählt, wie der türkische Staat und seine SNA-Söldner in Serêkaniyê eingefallen sind und Traktoren, Wasserpumpen und Land geraubt und Fahrzeuge und Wohnungen der Bevölkerung geplündert haben.

Wir brauchten weder die Türkei noch ihre Milizen“

„Wir brauchten weder die Türkei noch ihre Milizen. Wir waren glücklich auf unserem Land. Unter der demokratisch-autonomen Selbstverwaltung lebten wir in Frieden. Die Invasoren sind gekommen und haben unser Land besetzt. Sie verübten viele Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wir wollen die Besatzung nicht. Menschenrechtsorganisationen sollen hierherkommen und die Gebiete unter türkischer Besetzung kontrollieren. Wir fordern Ermittlungen gegen die begangenen Kriegsverbrechen. Die Weltöffentlichkeit und die internationale Gemeinschaft müssen die Türkei als Hauptgrund für diese Verbrechen verurteilen und dazu zwingen, unser Land zu verlassen“, fordert al-Musa.

Wer ist Ahrar al-Sharqiya?

Ahrar al-Sharqiya ist eine Al-Nusra-Abspaltung, die Deir ez-Zor verlassen hat und von dort zunächst nach Idlib abgezogen ist. Da die Gruppe viele IS-Mitglieder aufgenommen hat, wird sie immer wieder auch als IS-Abspaltung bezeichnet. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde die Miliz jedoch 2016 von dem Dschihadisten Abu Marya al-Qahtani gegründet, der sich von der Al-Nusra-Front abgespalten hatte. Ahrar al-Sharqiya nahm auf türkischer Seite bereits an der Besetzung von Şehba im Rahmen der Operation „Schutzschild Euphrat“ teil. Auch hier nahm die Gruppe viele IS-Überläufer auf. Anschließend beteiligte sich die Miliz an der Efrîn-Invasion und schließlich als Teil des „1. Korps der SNA“ an der Besetzung von Girê Spî und Serêkaniyê. Sie trat durch ihre Brutalität, Plünderung, Diebstahl und Vergewaltigungen ins Rampenlicht. So ist diese Gruppe für Verbrechen wie die Folterung und Ermordung der Generalsekretärin der syrischen Zukunftspartei Hevrîn Xelef (Havrin Khalaf) am 12. Oktober 2019 verantwortlich.

In der Vergangenheit kam es häufig auch zu Gefechten zwischen Ahrar al-Sharqiya und Furqat al-Hamza in Efrîn. Dabei ging es meist um die Verteilung von Plündergut. Ein Teil der Miliz wurde von der Türkei nun nach Libyen verlegt.