Saudische YPJ-Kommandantin: „Ich kämpfe für eine gerechte Sache“

Şiraz Nidal, eine gebürtige Saudi-Araberin, fand ihren Platz vor Jahren in den Reihen der YPJ. Nun ist sie Kommandantin in der Verteidigung der Region rund um den Tişrîn-Staudamm und die Qereqozax-Brücke.

Şiraz Nidal

Seit Beginn der Offensive am 8. Dezember verteidigen die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und die Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) die Region rund um den Tişrîn-Staudamm und die Qereqozax-Brücke gegen die Angriffe der türkischen Armee und ihrer dschihadistischen Proxymilizen. Unter den vielen Geschichten dieses anhaltenden Widerstands sticht eine Kommandantin der YPJ besonders hervor: Şiraz Nidal, eine gebürtige Saudi-Araberin, die nach eigenen Worten „für eine gerechte Sache“ kämpft und bereits vor Jahren ihren Platz in den Reihen der YPJ gefunden hat.

Von Saudi-Arabien nach Aleppo

Die YPJ-Kommandantin Şiraz Nidal kam ursprünglich mit einem ganz anderen Ziel nach Syrien: 2018 reiste sie von Saudi-Arabien nach Aleppo, um eine Krankenpflege-Ausbildung und ein Medizinstudium zu absolvieren. In dieser Zeit begann sie, sich intensiv mit den Ideen der Rojava-Revolution zu beschäftigen und erzählt heute, wie Bücher und Recherchen ihr Weltbild prägten: „Ich habe viel gelesen und bin durch diese Studien auf die Gedanken der Rojava-Revolution gestoßen. Diese Ideale haben mich tief beeindruckt und mich dazu gebracht, mein eigenes Leben und den Sinn von Freiheit zu hinterfragen.“ Der Wunsch, ein Leben zu führen, das nicht nur sich selbst, sondern auch der Gesellschaft etwas gibt, führte sie schließlich dazu, 2020 den Schritt in die Reihen der YPJ zu wagen.

Von einer angehenden Ärztin zur Widerstandskämpferin

Obwohl ihre Ausbildung nicht abgeschlossen war, fühlte sich Şiraz Nidal verpflichtet, aktiv gegen die anhaltenden Angriffe des türkischen Staates und seiner Milizen in Nord- und Ostsyrien vorzugehen: „Als ich mich 2020 entschloss der YPJ beizutreten, war uns allen klar, dass wir uns einer ständigen Bedrohungslage stellen. Die Vorbereitungen auf die Invasionen hatten damals schon begonnen. Dass wir heute standhalten können, ist das Resultat dieser organisierten Anstrengungen.“
So änderte sich ihr Leben von einer angehenden Ärztin hin zu einer Widerstandskämpferin, die inzwischen eine Kommandofunktion in den Reihen der YPJ übernommen hat.

„Wir haben ein Ziel – sie nur Zerstörung und Raub“

Şiraz Nidal beschreibt ihre Motivation im Kampf sehr deutlich: Die YPJ stehe für Freiheit, Verteidigung und den Aufbau eines friedlichen Zusammenlebens. Demgegenüber sieht sie die türkischen Angriffe als unrechtmäßige, destruktive Aggression: „Wir kämpfen für eine gerechte Sache und haben klare Ziele. Die türkische Armee und ihre Milizen hingegen greifen unsere Heimat nur mit Zerstörung und Plünderung an. Indem sie ihre Luftangriffe noch mehr intensivieren, zeigen sie ihre faschistische, völkermörderische und terroristische Mentalität.“
Durch die jüngsten Angriffe habe sie diese „verblendete Kriegsführung“ des türkischen Staates noch deutlicher erkannt und wünscht sich, dass die Weltgemeinschaft die Besatzungs- und Vernichtungspolitik der Türkei nicht länger übersieht.

„Bis zum letzten Atemzug für die Freiheit“

Unter den Kämpferinnen und Kämpfern der YPJ und QSD – ob Kurd:innen, Araber:innen, Assyrer:innen, Suryan:innen, Armenier:innen oder Turkmen:innen – ist Şiraz Nidal schnell zu einer wichtigen Bezugsperson geworden. Mal singt sie Lieder zur Motivation, mal macht sie Witze, um die Moral hochzuhalten. Doch im Kern bleibt sie fokussiert auf das, was sie als ihren Auftrag ansieht: „Wir haben eine große Opferbereitschaft und werden bis zu unserem letzten Atemzug für unsere Freiheit und unsere Rechte kämpfen. Die Welt soll nicht vergessen: Wir sind keine namenlosen Kämpfer:innen, sondern Menschen mit Zielen, mit Idealen und dem tiefen Wunsch nach Gerechtigkeit.“
Die Kämpferinnen der YPJ, so betont sie, seien in der Lage, trotz aller Widrigkeiten eigenständig zu handeln und sich zu verteidigen. Das sei der Grund, weshalb sie überzeugt ist, dass jeder weitere Angriff am Willen der Verteidigerinnen scheitern werde.

Eine neue Generation des Widerstands

Die Geschichte von Şiraz Nidal steht stellvertretend für den Werdegang vieler junger Menschen, die aus unterschiedlichen Teilen der Welt nach Rojava kommen und sich von den Ideen einer demokratischen, ökologischen und frauenbefreiten Gesellschaft inspirieren lassen. Aus einer angehenden Ärztin wurde eine Kommandantin, aus ihrem Wunsch nach Sinn und Freiheit entstand ein kompromissloser Kampf gegen Besatzung und Unterdrückung.
Mit diesem Engagement verkörpert sie jene neue Generation des Widerstands, die entschlossen ist, ihre Heimat – so unterschiedlich die persönlichen Hintergründe auch sein mögen – vor den Angriffen der türkischen Invasion zu schützen. Dass die YPJ in ihren Reihen heute eine saudische Kommandantin hat, unterstreicht einmal mehr, wie international und vielfältig die Revolution in Rojava geworden ist.
„Wir haben vielleicht verschiedene Sprachen und unterschiedliche Kulturen,“ sagt Şiraz Nidal, „aber uns verbindet das Ziel, dass jeder Mensch frei, sicher und in Würde leben kann. Genau dafür stehen wir hier und werden nicht nachlassen.“