Pedersen kündigt neue Gespräche für Syrien an

Die Regierung in Damaskus und die durch die Türkei gestützte „Opposition” haben sich nach UN-Angaben auf die Ausarbeitung von Verfassungsreformen geeinigt. Die Arbeitssitzungen sollen am Montag in Genf beginnen.

Vertreter der syrischen Regierung und der durch die Türkei gestützten „Opposition“ sollen in den kommenden Tagen erstmals gemeinsam an einem konkreten Verfassungstext arbeiten. Das gab der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, am Sonntag in Genf bekannt. Die Bemühungen um eine neue Verfassung für das Bürgerkriegsland laufen seit zwei Jahren. Bisher gab es nur ergebnislose Gesprächsrunden, zuletzt im Januar.

Die Arbeitssitzungen für die neue Runde beginnen formell am Montag. „Das Neue an dieser Woche ist, dass wir einen Entwurfsprozess für die Verfassungsreform in Syrien beginnen werden“, sagte Pedersen bei einer Pressekonferenz. Die vorbereitenden Gespräche mit beiden Seiten seien am Sonntag „ernsthaft und offen“ verlaufen. Der Sondergesandte betonte jedoch, dass die Verfassungsgespräche allein „die Syrienkrise nicht lösen können“.

Insgesamt 30 Vertreter beider Lager sowie 15 Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen werden mit Pedersen bis Freitag in Genf zusammentreffen. „Ich habe mit den Parteien verhandelt, um einen Konsens darüber zu erzielen, wie wir weiter vorgehen werden. Ich freue mich sehr sagen zu können, dass wir einen solchen Konsens gefunden haben“, erklärte Pedersen. Er rief alle 45 Beteiligten auf, diesen Geist beizubehalten.

Das syrische Verfassungskomitee

Das Komitee für eine Verfassung von Syrien wurde im Januar 2018 gebildet und entstand als Ergebnis der Gespräche zwischen Russland, der Türkei und dem Iran in Astana und schließlich in Sotschi. Die folgenden Treffen des Verfassungskomitees dienten vor allem dem Abstecken der einzelnen Interessensphären und des Aushandels von Deals zwischen Russland und der Türkei. Insgesamt besteht das Komitee aus 150 Personen: 50 aus dem Regime, 50 im Namen der sogenannten Opposition und 50 von den UN bestimmten Personen.

Selbstverwaltung nicht am Verhandlungstisch

Ab Ende 2019 wurden die Treffen unter die Schirmherrschaft der Vereinten Nationen gestellt. Der UN-Sicherheitsrat hatte in der Resolution 2254 im Jahr 2015 die Bildung eines Verfassungskomitees als Teil einer umfangreichen friedlichen Lösung für den Syrien-Konflikt festgeschrieben. Auf Drängen der türkischen Regierung sitzt eine Partei nicht am Tisch: Die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien, die etwa sechs Millionen Menschen repräsentiert. Sie vertritt den Standpunkt, dass ein solcher Ausschuss ohne die Einbeziehung der Völker Nord- und Ostsyriens nicht bindend sei. Die bisherigen fünf Runden der Gespräche endeten erwartungsgemäß ohne greifbare Resultate.

Mehr als halbe Million Menschen im Konflikt getötet

In dem seit zehn Jahren andauernden Konflikt in Syrien sind Schätzungen nach mehr als eine halbe Million Menschen getötet worden. Mit Stand von September sind 350.209 Todesfälle dokumentiert – das bedeutet, die vollständige Identität der Getöteten, das Todesdatum und das betreffende Gouvernement sind bekannt. Mehr als 200.000 Menschen gelten als vermisst, die Hälfte der Vorkriegsbevölkerung von 23 Millionen Menschen wurde aus ihren Zuhause vertrieben.