Nordsyrien: WHO-Impfpriorisierung für türkische Besatzungszone

Statt Impfdosen gleichberechtigt in ganz Syrien zu verteilen, priorisiert die WHO die von der Türkei besetzten Gebiete. In der selbstverwalteten Region Nord- und Ostsyrien ist allen Versprechen zum Trotz bisher kein Impfstoff angekommen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat unter dem Namen COVAX eine Kampagne zur globalen Verteilung von Impfstoffen gegen das Coronavirus gestartet. Die WHO hatte angekündigt, bis Mai 90.000 Impfstoffdosen in den selbstverwalteten Gebieten in Nord- und Ostsyrien zu verteilen. Die Region sollte als Kriegsgebiet und eine Region, in der viele Flüchtlinge leben, priorisiert werden.

Die Selbstverwaltung hatte geplant, in einer ersten Impfkampagne Hochrisikogruppen wie schwer Kranke und Gesundheitspersonal zu impfen. Bisher hat Nord- und Ostsyrien jedoch kein Impfstoff erreicht. Nur 700 Dosen wurden dem Regimekrankenhaus in Qamişlo übergeben.

203.000 Dosen für besetzte Gebiete

Währenddessen hat die WHO in der vergangenen Woche 203.000 Impfdosen an die türkisch besetzten Gebiete in Nord- und Ostsyrien übergeben. Die ersten Impfungen sollen dort bereits durchgeführt worden sein.

MSF: „Verteilung von Impfstoffen von Regionalpolitik negativ beeinflusst“

Die Organisation für Ärzte ohne Grenzen (MSF) mit Sitz in Genf (Schweiz) zeigt sich besorgt, ob es überhaupt in der nächsten Zeit in Syrien zu „ernsthaften“ Impfaktivitäten kommen könne, denn: „Die Verteilung von Impfstoffen und anderen lebenswichtigen Hilfsgütern hat sich in den verschiedenen Regionen des Landes als ungerecht erwiesen, das zeigt, dass die humanitäre Hilfe im Nordosten Syriens erneut von der Regionalpolitik negativ beeinflusst wird.“

Zweite Welle erreicht Nordostsyrien

MSF warnt aufgrund explodierender Infektionszahlen: „Ein Jahr nach dem ersten registrierten Fall des Coronavirus in der Region breitet sich eine zweite Welle von COVID-19 schnell über den Nordosten Syriens aus. Bis zum 26. April gibt es über 15.000 bestätigte Fälle – darunter etwa 960 Mitarbeiter im Gesundheitswesen – und 640 Todesfälle. Es wird jedoch angenommen, dass die tatsächliche Zahl der von COVID-19 betroffenen Menschen viel höher ist, da die Menschen weiterhin Schwierigkeiten haben, Zugang zu Tests und Gesundheitsversorgung zu erhalten.“