Die QSD-Kommandantin Newroz Ehmed erinnert an die bei einem Drohnenangriff gefallenen Kämpferinnen Jiyan Tolhildan, Roj Xabûr und Barîn Botan und warnt, der Türkei müsse Einhalt geboten werden. Der türkische Staat bedrohe die ganze Welt.
Am 22. Juli 2022 fielen bei einem türkischen Drohnenangriff die Kommandantin der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und der Antiterroreinheiten (YAT), Jiyan Tolhildan, die YPJ-Kommandantin Roj Xabûr und das YAT-Mitglied Barîn Botan. Jiyan Tolhildan war 2019 die Gebietskommandantin der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) für die Region Deir ez-Zor. Sie führte damals den Kampf in der Offensive „Gewittersturm Cizîrê“ an, mit der in al-Bagouz der Territorialherrschaft des „Islamischen Staat“ (IS) ein endgültiges Ende gemacht wurde. Newroz Ehmed, Mitglied der Generalkommandantur der QSD, erinnert an ihre Kampfgenossinnen Jiyan Tolhildan, Roj Xabûr und Barîn Botan.
„Sie war so lebendig und energisch wie ihr Name“
Newroz Ehmed erinnert an die großen Verdienste von Jiyan Tolhildan bei der Gründung und beim Aufbau der YPJ. Sie habe immer an vorderster Front gekämpft: „Sie war an der Front in Serêkaniyê ein, wo der erste Widerstand in Rojava stattfand. Zum ersten Mal stand sie dort bei den großen Auseinandersetzungen mit den Al-Qaida-Gruppen an vorderster Front. Danach nahm sie überall dort teil, wo es Widerstand gab. Sie kämpfte in Cizîrê, Şehba, Aleppo, Efrîn und Kobanê. Sie beteiligte sich überall am Kampf gegen den IS. Ihr Name war Jiyan (Leben) und sie war wie ihr Name voller Leben. Sie war immer energisch, lebhaft und jugendhaft – wie ihr Name.“
„Selbst unter schwersten Bedingungen behielt sie ihre Moral“
Newroz Ehmed erinnert weiter an Tolhildan: „Selbst unter den schwierigsten Bedingungen, selbst wenn die Situation richtig übel wurde, wusste sie, wie sie die Situation umdrehen konnte. Sie war eine, die schwierigste Lagen in einen Sieg verwandeln konnte. Sie war eine Kommandantin. Sie führte die Kämpfer:innen, die sie immer als ‚meine Freund:innen‘ bezeichnete, an und zeigte ihnen den Weg. An den schwierigsten Stellen begab sie sich ohne Zögern zuerst selbst in die Gefahr. Mit tausendfachen Mühen legte sie die Bausteine der Revolution aufeinander. Bei ihren Freund:innen hat sie einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen. Als Kommandantin gab sie ebenso ihr Bestes wie als Kämpferin und als Lehrerin. Sie brachte ihren Genoss:innen immer etwas Neues bei und ließ sich von keiner Schwierigkeit einschüchtern. Das Wort ‚unmöglich‘ gab es in ihrem Leben nicht.
Wie Jiyan nahmen auch Roj Xabûr und Barîn Botan an den schwierigsten Kämpfen teil und waren Pionierinnen. Vom ersten Schritt, den sie für die Revolution unternahmen, bis zum ihrem letzten Schritt orientierten sich am Sieg. Die drei Freundinnen ergänzten sich. Sie kannten keine Hindernisse.“ Ehmed unterstreicht, die Gefallenen hätten die Aufgabe hinterlassen, die Revolution und den Kampf auszuweiten: „Wir werden das Erbe, das uns unsere Freundinnen hinterlassen haben, mehr denn je annehmen. Das ist für uns eine Aufgabe. Wir sind im neuen Jahr der Revolution mehr denn je bereit für einen harten Widerstand.“
„Niemand kann uns ein Leben als Sklavinnen aufzwingen“
Newroz Ehmed hebt die zentrale Rolle von Frauen in der Revolution hervor. Sie sagt: „Wenn Frausein Leben und Freiheit bedeute, sollten die Frauen sagen: ‚Ich lebe jetzt‘ und die Revolution anführen. Wir Frauen haben mit großen Mühen und Opfern das Heute geschaffen. Niemand kann uns zwingen, einen Schritt zurückzutreten. Niemand kann uns mehr ein Sklavenleben aufzwingen. Ein Leben ohne Gleichheit und Gerechtigkeit akzeptieren wir nicht. Als Frauen werden wir das Erbe von Jiyan Tolhildan, Roj Xabûr und Barîn Botan verteidigen. Es ist an der Zeit, die Invasoren und den faschistischen Feind, der Frauen und Kinder angreift und jeden Tag Massaker verübt, zu besiegen. Diese Angriffe dürfen uns keine Angst machen. Niemand kann ein Volk, das so viele Opfer gebracht und eine Revolution aus dem Nichts geschaffen hat, dazu bringen, einen Schritt zurückzutreten. Unsere Botschaft an die Invasoren: Ihr habt Söldner eingesetzt, euren Geheimdienst mobilisiert, einen schmutzigen Krieg geführt, aber ihr habt versagt.“
„Wir bereuen den Kampf gegen den IS nicht“
In Bezug auf die türkischen Angriffe fährt Ehmed fort: „Unsere einzige Schuld ist es, dass wir für unsere Freiheit eintreten.“ Sie erklärt an die internationale Gemeinschaft gerichtet: „Wir bedauern nicht, dass wir den Kampf gegen den IS führen, aber was macht ihr, während wir unsere Aufgabe erfüllen?“
„Beileidsbekundungen reichen nicht – der Türkei muss Einhalt geboten werden“
Ehmed kritisiert das Zentralkommando der US-Streitkräfte, das eine Kondolenzbotschaft für Jiyan Tolhildan veröffentlichte: „Es reicht nicht aus, eine Beileidsbekundung zu veröffentlichen. Die Angehörigen und vor allem die Mütter unserer Gefallenen fragen uns: ‚Ihr kämpft gemeinsam für die ganze Welt, aber was geben euch diese Kräfte als Gegenleistung? Ist der Lohn dafür, dass täglich unsere Kommandantinnen und Kämpferinnen fallen? Ist ihr Verbrechen, dass sie gegen den IS kämpfen?‘ Warum fragt niemand, was der IS in den von der Türkei kontrollierten Gebieten macht? Es reicht nicht aus, die Angriffe zu verurteilen. Die Türkei wird dadurch gestärkt und setzt ihre Angriffe fort. Internationale Mächte, die behaupten, für die Menschenrechte zu kämpfen, sollten dem einen Riegel vorschieben. Wenn sie stärker reagieren, wird die Türkei es nicht wagen, anzugreifen.“
„Wir wollen frei in unserem Land leben“
Ehmed fordert die Verurteilung der Türkei für ihre Kriegsverbrechen und sagt: „Die AKP/MHP-Regierung unter der Führung von Erdoğan muss für ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht gestellt und zur Rechenschaft gezogen werden. Wir brauchen eine starke Stimme, denn dies ist nicht nur ein Angriff auf das kurdische Volk. Alle befinden sich im Visier. Jeden Tag finden neue Drohnenangriffe statt. Wir fordern nicht nur die Schließung des Luftraums. Wo bleiben die Rechte dieser Völker, die wie alle anderen frei in ihrem eigenen Land leben wollen? Wir haben vor den Augen der ganzen Welt gegen den IS gekämpft, und wir werden dies auch weiterhin tun. Es reicht nicht aus, nur zu sagen: ‚Wir teilen euren Schmerz.‘“
„Es besteht größte Gefahr“
Newroz Ehmed warnt, die Türkei stelle eine Gefahr für die ganze Welt dar: „Es ist an der Zeit, der Türkei Einhalt zu gebieten. Sie hat sich zu einem Ungeheuer entwickelt, das Kriegsverbrechen begeht und die ganze Region terrorisiert. Die Türkei begeht nicht nur in Syrien, sondern auch im Irak, in Aserbaidschan, im Libanon, im Jemen und an vielen anderen Orten Verbrechen. Dagegen müssen wir gemeinsam kämpfen. Wir können unsere Schuld gegenüber unseren gefallenen Freundinnen nur begleichen, indem wir die Revolution von Rojava in der ganzen Welt verbreiten. In dieser Zeit ist die Gefahr größer denn je. Unser ganzes Volk sollte sensibel sein. Wir haben unsere Sicherheitskräfte und Verteidigungseinheiten. Wir werden uns gemeinsam mit unserem Volk verteidigen. Unser Volk muss sich hinter seine Kämpfer:innen stellen. Gemeinsam werden wir alle Angriffe abwehren und den Sieg erringen.“
