MIT betreibt Handel mit IS-Frauen

Nach Angaben einer Quelle aus den Sicherheitskräften im Autonomiegebiet Nordostsyrien entführt der türkische Geheimdienst MIT IS-Frauen aus Internierungslagern, um sie ihren Familien zu verkaufen.

Mit der am Freitag von der türkischen staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansı (AA) veröffentlichten Meldung über die „Befreiung aus den Händen der YPG/PKK“ einer aus Moldawien stammenden Frau und ihrer vier Kinder hat die Türkei offen zugegeben, dass ihr Nachrichtendienst MIT IS-Mitglieder aus dem Camp Hol in Nordostsyrien holt.

Den Sicherheitskräften im Autonomiegebiet Nord- und Ostsyrien sind diese MIT-Aktivitäten seit langer Zeit bekannt. Mehrere diesbezügliche Operationen des MIT konnten verhindert werden. Eine vertrauenswürdige Quelle aus den Sicherheitskräften hat sich gegenüber ANF zum Hintergrund der Entführung von weiblichen IS-Mitgliedern aus Camp Hol geäußert:

„Wir haben vor einer Weile festgestellt, dass eine Gruppe innerhalb des MIT IS-Frauen aus Hol und anderen Lagern holen will. Wir haben dazu Untersuchungen angestellt und einige Mittelsmänner und IS-Frauen festgenommen. Unsere Recherchen haben ergeben, dass diese Gruppe des MIT Kontakt mit den Angehörigen von ausländischen Frauen aufgenommen hat und diese Frauen gegen ein hohes Entgelt entführt und an ihre Familien verkauft.“

Dem MIT geht es dabei nicht nur um Geld, führt die Sicherheitsquelle weiter aus: „Ein großer Teil der IS-Mitglieder, die nicht von den QSD in Gefangenschaft genommen wurden, befindet sich in der Türkei und in vom türkischen Staat besetzten Gebieten wie al-Bab, Dscharablus, Azaz, Efrîn, Idlib, Serêkaniyê und Girê Spî in Nordsyrien. Die Türkei entführt Frauen und bringt sie zu ihren Ehemännern, die dadurch im Krieg des türkischen Staates noch besser einsetzbar sind.“

Die Sicherheitskräfte haben zuletzt am 16. Juni vier Frauen bei einem Fluchtversuch in die Türkei in Camp Hol erwischt. Zwei der Frauen stammen aus dem Sudan, die anderen beiden aus Tansania.

Namensliste bei verhaftetem Schlepper gefunden

Die QSD haben im Juni 2018 den syrischen IS-Dschihadisten und Menschenhändler Shahab Ahmed al-Abdullatif festgenommen. In seinem Telefon wurden ausführliche Informationen über Gespräche mit IS-Mitgliedern gefunden, die der MIT aus Syrien in die Türkei holen wollte. Außerdem befand sich in dem Telefon eine Liste mit den Namen von IS-Frauen, die aus den Lagern in Hol und Ain Issa befreit werden wollten.

Al-Abdullatif hat gestanden, dass er in Riha (türk. Urfa) vom MIT kontaktiert worden ist und danach unter Aufsicht des MIT für den Geldtransfer zum IS gesorgt und auf Wunsch des MIT vor allem ausländische IS-Dschihadisten in die Türkei geschmuggelt hat. Im ANF-Interview sagte er 2019: „Die Polizei hatte mich gefragt, ob ich IS-Mitglieder von Syrien in die Türkei bringen könne. Ich sollte sie über die Grenze bringen und ihnen helfen, Papiere zu bekommen und Wohnungen anzumieten. Später schlossen Omar Muhammed Qadir und Abu-Sudscha ein Abkommen mit dem MIT, auf dessen Grundlage der Geheimdienst einen Korridor an der Grenze öffnen würde, über den wir IS-Mitglieder in die Türkei bringen könnten.“

Weiter sagte al-Abdullatif aus, bei einem Treffen mit MIT-Agenten nachgefragt zu haben, auf welche Weise er die IS-Mitglieder über die Grenze schmuggeln solle: „Sie erklärten: ‚Zuerst sagst du uns, woher sie kommen. Bringt die Ausländer hierher. Wir sagen euch, welchen Weg ihr nehmen müsst.‘ Als die Polizei uns darum bat, IS-Mitglieder in die Türkei zu bringen, wiesen wir sie darauf hin, dass wir ihre Hilfe benötigen, um einen Durchgang durch die Grenze zu öffnen. Die Polizei meinte, nicht genug Macht dafür zu haben, doch der MIT ermöglichte uns den Grenzübertritt.“

Camp Hol

Das Hol-Camp im Kanton Hesekê besteht aus acht Bereichen. In den Bereichen eins, zwei und drei befinden sich Menschen aus Mosul, die 2014 vor dem IS geflohen sind. Im Bereich vier sind syrische Binnenflüchtlinge untergebracht. In den Bereichen fünf, sechs und sieben werden IS-Dschihadisten und ihre Angehörigen und im Bereich „Muhadschirat“ die Familien der ausländischen Dschihadisten festgehalten.

Aktuell sind in Hol über 65.000 Menschen untergebracht, darunter etwa 30.000 IS-Angehörige aus fünfzig verschiedenen Ländern. Die Zeltstadt wurde Anfang 1991 während des Zweiten Golfkriegs vom UNHCR für irakische Flüchtlinge errichtet. Nachdem es zwischenzeitlich geschlossen war, wurde das Camp im Zuge des Irakkrieges 2003 wiedereröffnet. Seit der Zerschlagung der Territorialherrschaft des IS im März 2019 wird es hauptsächlich zur Unterbringung von Frauen und Kindern benutzt, die zuvor in Gebieten unter Kontrolle des IS lebten.

Die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien fordert seit langer Zeit, dass die ausländischen Staatsangehörigen von ihren Herkunftsländern zurückgeholt werden.