Das Netzwerk des MIT gegen die QSD

Shahab Ahmed Abdullatif ist als Menschenhändler, IS-Schleuser und Geldschieber in Nordsyrien inhaftiert. Gegenüber ANF hat er sich über die Verbindungen zwischen dem türkischen Geheimdienst MIT und dem IS geäußert.

Wir veröffentlichen heute den zweiten Teil einer Interviewserie mit Shahab Ahmed Abdullatif, einem von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) gefangengenommenen Dschihadisten und Menschenhändler, zur Zusammenarbeit des türkischen Geheimdienstes MIT mit dem sogenannten „Islamischen Staat“ (IS). Im ersten Teil der Dokumentation äußerte sich Abdullatif insbesondere zu Geldtransfers des IS von Deir ez-Zor in die Türkei sowie nach Europa und in die Golfstaaten.

Im zweiten Teil berichtet Abdullatif von seinem Kontakt mit den türkischen Behörden. Über sein erstes Treffen mit dem MIT gibt er an: „Der MIT hat mich wie zuvor bereits die Polizei nach Abu Bakr al-Turki (Ilhami Bali) gefragt. Unser Treffen arrangierte Abu-Sudscha. Omar Muhammed Qadir und ich trafen uns mit den MIT-Agenten im Nevali Hotel (in Riha/Urfa, Anm.d.Red.). Wir saßen nicht im Café, wie vorher mit der Polizei, sondern trafen uns direkt im Hotel. Es gab zwei Araber und zwei Türken. Bei einem von ihnen handelte es sich um einen syrischen Araber mit türkischer Staatsbürgerschaft. Er sprach Arabisch und Türkisch.

Erster Kontakt mit dem MIT

Die MIT-Agenten sagten zunächst, dass sie Kenntnis über die Informationen haben, die ich über Geldtransfers für IS-Mitglieder an die Polizei weitergegeben hatte. Dann sagten sie: ‚Wir wissen, dass Sie Abu Bakir al-Turki kennen.‘ Ich antwortete: ‚Ich habe bereits bei den Männern in Hajin nachgefragt und bat um ein Foto von ihm. Sie schickten mir Fotos und sagten, der Mann lebe noch.‘ Die Agenten fragten, wie sie ihn erreichen könnten. Sie baten um neue Beweise - ein Foto oder ein Video, das belege, dass er am Leben sei. Damit war das Thema beendet. Sie hatten mich kennengelernt und meine Nummer notiert.“

Arbeit gegen die QSD

Abdullatif gibt an, mit dem MIT über den Aufbau von klandestinen Zellen mit dem Ziel, Attentate und Sabotageaktionen gegen die QSD durchzuführen, gesprochen zu haben: „Nach dem Gespräch mit mir fragten sie Omar über seine Tätigkeiten aus. Omar sagte, er sei bereit, gegen die ‚Gelben‘, also gegen die QSD vorzugehen. Er sagte, er sei in der Lage auf gepanzerte Fahrzeuge zu zielen, er könne wichtige Personen töten. Die MIT-Agenten fragten ihn, was er dafür benötige. Omar bat um 30 Waffen mit Schalldämpfer. Sie stimmten zu, seine Forderung an ihre Vorgesetzten weiterzugeben. Dann wandten sie sich an mich und sagten, ich solle der Polizei nicht sagen, dass ich mich mit ihnen getroffen habe, zudem solle ich nicht mehr mit der Polizei sprechen. Sie sagten: ‚Dein Job läuft direkt mit uns. Wir werden der Polizei eine Nachricht schicken, damit sie dich in Ruhe lässt.‘“

Zweites Treffen mit dem Geheimdienst

Wie mit dem MIT vereinbart, versuchte Abdullatif nach diesem Treffen herauszufinden, ob Abu Bakr al-Turki (Ilhami Bali) am Leben war oder nicht: „Ich hatte von jemandem erfahren, dass sein Haus angegriffen wurde, er aber zu diesem Zeitpunkt nicht dort gewesen und noch am Leben sei. Für Videos oder Fotos wollte diese Person allerdings eine größere Geldsumme. Also schickte ich über Omar eine Nachricht an den MIT. Omar hatte zu diesem Zeitpunkt bessere Kontakte zum MIT als Abu-Sudscha. Nach eigenen Angaben traf er sich mit den Vorgesetzten der Agenten, mit denen Abu-Sudscha verkehrte. Noch im selben Monat, in dem Omar die Nachricht verschickt hatte, trafen wir uns wieder mit dem MIT.“

Dieses zweite Treffen mit dem MIT fand ebenfalls in Riha, doch diesmal im Harran-Hotel statt. Der syrische Araber, der sich als Ahmed Gannam vorgestellt hatte, nahm erneut teil. Abdullatif erklärt, dass Ahmed Gannam hinter den meisten Bombenanschlägen gegen die QSD stecke und ein wichtiges syrisches MIT-Mitglied sei: „Sie gaben ihm türkische Papiere. Er war etwa 30 Jahre alt. Er kam entweder aus Qamişlo oder Hesekê, ich erinnere mich nicht mehr so genau. Ich weiß, dass er einer der Männer war, die sich um den Austausch gekümmert hatten, als der IS das türkische Konsulatspersonal in Mosul feiließ. Das hat mir Omar und einer seiner Verwandten erzählt. Bevor Gannam beim MIT anfing, war er in bewaffnete Gruppen eingebunden.“

Angriffe auf QSD von MIT genehmigt

Abdullatif gibt an, von Gannam beauftragt worden zu sein, eine Wohnung für ihre Teams anzumieten: „Er sagte zu Omar: ‚Unsere Zeit ist begrenzt, wir können uns nicht mit jedem von euch einzeln treffen. Lass uns dir eine Wohnung besorgen und euch hier zu einer Einheit machen. Ihr sollt dort wohnen und euch besprechen. Es wird wie euer Zuhause sein. Wenn etwas ansteht, kommen wir und werden es euch erklären. Du kannst es dann deinen anderen Freunden weitergeben und sie in diesem Sinne anführen.‘ Gannam fragte wieder nach Abu Bakr al-Turki. Ich sagte, ich könne Beweise dafür finden, dass er noch am Leben ist, aber der Typ zu viel Geld verlangen würde. Gannam sagte ‚OK‘. Anschließend fragte er Omar, wie sein Auftrag laufen würde. Er antwortete, dass er auf die Genehmigung warte. Gannam entgegnete: ‚Die Genehmigung ist da, du kannst anfangen. Sprengstoff und Waffen sind bereit.‘ Omar erwiderte: ‚Ich habe Informationen über die gepanzerten Fahrzeuge, die wichtige Kommandanten benutzen. Ich habe die Autos praktisch in der Tasche, ich kann sie in die Luft jagen, aber ihr müsst die Waffen und den Sprengstoff über die Grenze bringen. Danach klären wir das.‘ Die MIT-Agenten hatten den Transport bereits organisiert, Waffen und Sprengstoff sollten über Dscharablus in die Region gebracht werden.“

Schwere Explosion in Raqqa

Für die Organisation und Durchführung von Anschlägen auf die QSD habe Omar vom MIT die geforderten Waffen und Sprengstoff erhalten, sagt Abdullatif. Weiter erklärt er: „Omar und Abu Sudscha sind mit meinem Auto nach Dscharablus gefahren, und haben die Waffem dort gelassen. Organisiert wurde die Reise vom MIT-Agenten Ahmed Gannam, der auch beim Grenzübertritt aushalf. Ich weiß, dass dort Männer organisiert worden waren, die den Sprengstoff weiter nach Raqqa transportierten. Wenige Tage später sollte es in der Nähe des Busbahnhofs von Raqqa zu einer großen Explosion kommen. Omar hatte die Männer ausgesucht und war nach Urfa zurückgekehrt. Es war im Ramadan. Er hatte davon bei einem Abendessen gesprochen, zu dem Abu-Sudscha und ich eingeladen waren. Ein paar Tage später erreichte uns die Nachricht, dass Omars Mann die Bomben liegenließ und geflohen war. Später wurde erklärt, dass die Bombe nicht gezündet habe und der Mann sie deshalb zurückließ und weggerannt sei. Omar war wütend. Er gab die Angelegenheit an den MIT weiter. Sie sagten ihm: ‚Bring die Bomben zurück, dann können wir dir neue geben.‘ Omar fragte mich nach Geld und sagte, es sei sein erster Job beim MIT, den er nicht vermasseln wolle. Ich sagte, ich könne ihm kein Geld geben, aber ich könnte mich um die Bomben und die Zellen kümmern.“

Transport von IS-Mitgliedern in die Türkei

Abdullatif berichtet, wenige Tage vor seiner Festnahme am 26. Juni nach Nordsyrien gereist. Im Auftrag des MIT sollte er sowohl die Bomben zurückholen als auch eine andere Aufgabe - zunächst auf Verlangen der Polizei - ausführen: „Die Polizei hatte mich gefragt, ob ich IS-Mitglieder von Syrien in die Türkei bringen könne. Ich sollte sie über die Grenze bringen und ihnen helfen, Papiere zu bekommen und Wohnungen anzumieten. Später schlossen Omar Muhammed Qadir und Abu-Sudscha ein Abkommen mit dem MIT, auf dessen Grundlage der Geheimdienst einen Korridor an der Grenze öffnen würde, über den wir IS-Mitglieder in die Türkei bringen könnten.“ Abdullatif erklärt, bei einem Treffen mit MIT-Agenten nachgefragt zu haben, auf welche Weise er die IS-Mitglieder über die Grenze schmuggeln solle. „Sie erklärten: ‚Zuerst sagst du uns, woher sie kommen. Bringt die Ausländer hierher. Wir sagen euch, welchen Weg ihr nehmen müsst.‘ Als die Polizei uns darum bat, IS-Mitglieder in die Türkei zu bringen, wiesen wir sie darauf hin, dass wir ihre Hilfe benötigen, um einen Durchgang durch die Grenze zu öffnen. Die Polizei meinte, nicht genug Macht dafür zu haben, doch der MIT ermöglichte uns den Grenzübertritt. Omar konnte einige IS-Mitglieder über die Grenze bringen. Ich wollte meine Aufgaben innerhalb von wenigen Tagen abschließen und nach Urfa zurückkehren, von dort aus hätte ich die Dinge wie gewohnt weitergeführt, aber kurz darauf wurde ich von den QSD erwischt.“