IS-Angriff in Hesekê vom türkischen Staat gesteuert

Die versuchte Erstürmung des Haftzentrums für IS-Gefangene in Hesekê wurde vom türkischen Staat unterstützt. Laut den Aussagen eines gefassten IS-Mitglieds wurden die Vorbereitungen in der türkischen Besatzungszone in Nordsyrien getroffen.

Der sogenannte IS („Islamischer Staat“) hat mit Unterstützung des türkischen Geheimdienstes MIT am 20. Januar einen umfassenden Angriff auf das Sina-Gefängnis in Hesekê durchgeführt. Ziel des Angriffs war die Befreiung von Tausenden Islamisten und die Besatzung der nordsyrischen Großstadt. Der Plan konnte unter hohen Opfern von den Sicherheitskräften und der Bevölkerung vereitelt werden. Einer der Verantwortlichen für den Angriff war Muhammed Abd Avad, der sich im IS „Rashid“ nennt. ANF hat Zugang zu seiner Aussage bekommen.

„Rashid“ ist 1987 in Til Temir geboren und hat sich 2013 dem IS angeschlossen. Nach Angaben der Sicherheitskräfte war der Islamist an zahlreichen blutigen Anschlagen in der Region beteiligt. Unter anderem ist er der Täter des Autobombenanschlags vom 27. Juli 2016 in Qamişlo, bei dem 62 Menschen ums Leben kamen. Vom IS wurde er zum Statthalter in Hesekê und Serêkaniyê (ar. Ras al-Ain) ernannt.

In seiner Aussage zum Angriff auf das Sina-Gefängnis sagt Rashid: „Der Plan für den Angriff auf das Gefängnis wurde seit April 2021 vorbereitet. Ich bin im April von Nasir Dinallah damit beauftragt worden. Zu dieser Zeit war ich in Raqqa. Den Plan und den Angriffsbefehl haben wir von Nasir Dinallah bekommen. Nasir ist Leiter der Sicherheitsabteilung und hält sich in den vom türkischen Staat und von den ihm unterstehenden Gruppen kontrollierten Gebieten auf. Er hält sich in al-Bab auf. Al-Bab ist das sicherste Gebiet für den IS.“

Rashid sagt weiter aus, dass sich die IS-Zellen nicht direkt im Autonomiegebiet Nord- und Ostsyrien getroffen haben, sondern in bestimmten Abständen Versammlungen in der türkischen Besatzungszone durchgeführt wurden. Zur Organisierung der Internierten im Gefängnis sagt Rashid: „Ich hatte anfangs keinen Kontakt zum Gefängnis, die Kommunikation lief über Nasir. Nasir schickte Fotos von den Gefangenen und dem Gefängnis. Die Aufnahmen zeigten, welcher Gefangene in welchem Abschnitt des Gefängnisses ist. Mein erster direkter Kontakt zum Gefängnis erfolgte zehn Tage vor dem festgelegten Angriffsdatum.“

Nach Angaben von Rashid waren neben Selbstmordattentätern dreißig Personen für den Angriff vorgesehen. Es wurden Autobomben vorbereitet. Zwei Personen berichteten ständig über die Bewegungen in dem Gebiet. Eigentlich sollte der Angriff bereits im Oktober vergangenen Jahres stattfinden. Aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen wurde der Plan verschoben. Die Islamisten sollten nach ihrer Befreiung bewaffnet werden, um Teile von Hesekê zu besetzen. Der IS-Plan enthielt außerdem Anordnungen über Ersatzpersonen, falls Rashid oder Nasir Dinallah gefasst werden sollten. Um die Kommunikation zwischen den einzelnen Zellen zu gewährleisten, wurde ein Kurier eingesetzt.

Wie Rashid weiter mitteilt, werden die Schläferzellen des IS im nordostyrischen Autonomiegebiet von türkischen Sicherheitsbehörden finanziert: „Bestimmte Personen in der Türkei finanzierten die IS-Zellen in den von der Autonomieverwaltung kontrollierten Gebieten. Diese Personen haben enge Beziehungen zu den Sicherheitsbehörden der Türkei. Sowohl der Angriff als auch die allgemeinen IS-Aktivitäten in der Region werden von hochrangigen Sicherheitsvertretern finanziert.“