Hochschulrat verurteilt türkische Prämierung eines Kriegsverbrechers

Der in die Hinrichtung von Hevrîn Xelef verwickelte Islamisten-Kommandeur Abu Hatem Shaqra hat in der Türkei einen Universitätsabschluss gemacht. Der Hochschulrat Nord- und Ostsyriens verurteilt die Prämierung des Kriegsverbrechers.

Der Koordinierungsrat der Hochschulen Nord- und Ostsyriens hat die Prämierung des Islamisten-Kommandeurs Abu Hatem Shaqra durch die türkische Universität in der Provinz Mêrdîn scharf verurteilt. Dass einem von internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen (UNO) als „Terrorist“ gelisteten Kriegsverbrecher nicht nur Unterschlupf und Schutz von der Türkei gewährt wird, sondern er dort auch die Möglichkeit erhalten hat, einen akademischen Abschluss zu erwerben, sei ein Zeichen dessen, dass in dem Land eine „Politik der Verstöße“ gegen humanitäre, moralische, politische und internationale Standards herrsche. Das sagte Rohan Mistefa, Ko-Vorsitzende des Hochschulrats der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES), bei einer Presseerklärung am Sonntag an der Universität Qamişlo. „Dieser Schritt sendet zudem die Botschaft aus, dass die Türkei ein sicherer Hafen für unsere Mörder bleibt“, so Mistefa.

An Hinrichtung von Hevrîn Xelef beteiligt

Abu Hatem Shaqra, auch bekannt unter seinem bürgerlichen Namen Ahmad Hassan Fayyad Al-Hayes, ist Kommandeur der syrischen Fundamentalistengruppe Ahrar al-Sharqiya. Die Miliz wurde 2016 von ehemaligen Mitgliedern Al-Qaida-naher Gruppen gegründet, ein Großteil von ihr setzt sich inzwischen aus Dschihadisten der Terrororganisation „Islamischer Staat” (IS) zusammen. Unter dem Dach des von der Türkei gegründeten Proxy-Invasionskorps SNA („Syrische Nationalarmee”) ist Ahrar al-Sharqiya an der Besetzung ehemals selbstverwalteter Gebiete in Nordsyrien beteiligt. Die UNO hat die Gruppierung wegen Kriegsverbrechen angeklagt. Dabei geht es unter anderem um die Hinrichtung der kurdischen Politikerin Hevrîn Xelef, in die Abu Hatem Shaqra verwickelt war.

Gefangengenommene QSD-Kämpfer getötet

Die Generalsekretärin der von einem basisdemokratischen Initiativprinzip geleiteten syrischen Zukunftspartei (Hizbul Suri Mustakbel), die als Hoffnungsträgerin eines vielfältigen, demokratischen Syriens galt, wurde im Zuge des türkischen Angriffskriegs gegen die AANES im Herbst 2019 auf brutale Weise ermordet. Am 12. Oktober 2019 geriet der Wagen der 34-Jährigen in der Nähe von Qamişlo in einen Hinterhalt. Söldner zerrten Xelef aus dem Fahrzeug, misshandelten sie und verstümmelten ihren Körper bei lebendigem Leib, bevor sie sie hinrichteten. Laut Obduktionsbericht wies die Leiche der Politikerin zahlreiche Verletzungen auf, darunter viele Schusswunden, Brüche an Beinen, Gesicht und Schädel. Ihre Kopfhaut war teilweise abgelöst. Auch Xelefs Fahrer wurde ermordet. An der Stelle, in der die beiden in den Hinterhalt gerieten, hatte Ahrar al-Sharqiya in den Tagen danach auch mehrere Kämpfer der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) getötet.

Abschluss in Politikwissenschaften

Abu Hatem Shaqras Beteiligung an diesen Morden wurde durch Fotos und Videos dokumentiert, die von seinen eigenen Leuten im Netz verbreitet wurden. Der Dschihadist leitete in Nordsyrien zudem ein von Ahrar al-Sharqiya außerhalb von Aleppo betriebenes Gefängnis, wo seit 2018 Hunderte von Gefangene hingerichtet wurden. Al-Hayes ist zudem in die Versklavung beziehungsweise in den Sklavenhandel ezidischer Frauen und Kinder verwickelt, die 2014 im Zuge des IS-Genozids aus dem ezidischen Hauptsiedlungsgebiet Şengal verschleppt wurden. An der Universität Artuklu hat er nun einen Abschluss in Politikwissenschaften gemacht. Der nordostsyrische Hochschulrat ist empört. „Hochschulen und Universitäten sind Orte des Lernens und Lehrens, Orte der Bildung und von Debatten, um zu einer demokratischen und pluralen Gesellschaft beizutragen. Der türkische Besatzerstaat aber benutzt Universitäten als Zentren des Spezialkriegs gegen das kurdische Volk“, betonte Rohan Mistefa auf der Pressekonferenz in Qamişlo.

Universitäten vor Faschismus, Nationalismus, Sexismus und Fundamentalismus schützen

Ausgehend vom gewerkschaftlichen Wertekanon die gesellschaftliche Verantwortung, soziale Gerechtigkeit und Mitbestimmung ebenso in den Mittelpunkt zu stellen wie einen hohen Qualitätsanspruch an Studium, Lehre und Forschung, gehöre zum Leitbild von Universitäten auch, wertvolle Beiträge zur Gewährleistung und Weiterentwicklung eines demokratischen Gemeinwesens zu leisten, so Rohan. „Wenn aber faschistische, nationalistische, sexistische und fundamentalistische Ansätze an Universitäten geschützt und sogar gefördert werden, handeln Hochschulen gegen ihr Prinzip der gesellschafltichen Verantwortung. Wir rufen alle Verantowrtlichen auf, ihren Prinzipien treu zu bleiben und die Unversitäten zu schützen.”