Der Appell von UN-Generalsekretär António Guterres für einen weltweiten Waffenstillstand angesichts der Coronavirus-Pandemie stößt in der Türkei weiterhin auf taube Ohren. Die Häufigkeit, der Umfang und die Intensität der Besatzungsangriffe türkischer Truppen und dschihadistischer Verbündeter auf einzelne Regionen im nordostsyrischen Autonomiegebiet haben sich in den letzten Wochen sogar weiter erhöht. Ilham Ehmed, die Ko-Vorsitzende des Demokratischen Syrienrats (MSD), glaubt, dass der entscheidende Hebel, die Türkei zur Einhaltung einer humanitären Waffenruhe zu drängen, Druck der internationalen Gemeinschaft sei.
„Sicherlich ist der Appell ein positiver Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ausreichend. Die Vereinten Nationen müssen jetzt Anstrengungen unternehmen, um langfristige politische Lösungen für einen nachhaltigen Waffenstillstand in Syrien zu finden. Denn kein Waffenstillstand kann dauerhaft sein, ohne den politischen Willen der beteiligten Parteien und die Ursachen der Krise anzugehen. Solange dies nicht getan wird, werden sich immer wieder die Türen zu neuen Kriegen öffnen“, sagt Ilham Ehmed.
Nach dem Aufruf des UN-Generalsekretärs erklärten die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) als erste Kraft in Syrien, dem Appell zu folgen und riefen alle anderen Konfliktparteien in dem Land auf, sich sofort an eine humanitäre Waffenruhe zu halten. Auch der MSD unterstützt den Appell.
„Die Kriege auf der Welt schaden nicht nur der Menschheit, sondern fügen unserer Natur und Umwelt nahezu irreparable Schäden zu. Jeder Waffenstillstand kommt daher uns Menschen und unserer Natur zugute. Die QSD haben bereits mitgeteilt, sich an eine humanitäre Waffenruhe zu halten und haben alle militärischen Initiativen eingestellt. Der türkische Staat allerdings hält nach wie vor an seinen invasiven Besatzungsangriffen auf Nord- und Ostsyrien fest. Während Maßnahmen wie die häusliche Quarantäne im Kampf gegen die Corona-Epidemie äußerst wichtig sind, wird die Zivilbevölkerung aus ihren Häusern in die Flucht getrieben“, erklärt Ehmed.
„Wir brauchen wirklich ernsthafte Schritte, damit die Türkei und mit ihr die Dschihadisten gestoppt werden“, fordert die MSD-Vorsitzende daher. Zu erwarten, dass die Islamisten vor dem Hintergrund der Coronakrise verantwortungsbewusstes Handeln an den Tag legen würden, sei tragikomisch und naiv. „Wie lange will die Weltöffentlichkeit eigentlich noch hinsichtlich der Aktivitäten dieser islamistischen Gruppen schweigen? Wir brauchen eine ernste Haltung der internationalen Gemeinschaft und Druck, viel Druck auf die Türkei. Denn es sind der türkische Staat und seine Milizen, die die Krise in Syrien verschärfen.“
MSD und Autonomieverwaltung
Der 2015 gegründete Demokratische Syrienrat (MSD) ist eine politische Dachorganisation, die den politischen Rahmen für die Lösung des syrischen Konflikts durch innersyrische Gespräche und diplomatische Arbeit bildet. Im MSD sind Vertreter*innen politischer Parteien, der Zivilgesellschaft, der Autonomieverwaltung und Einzelpersonen. Während die Autonomieverwaltung über gewählte Organe für die Verwaltung der sieben Regionen in Nord- und Ostsyrien verantwortlich ist, vertritt der MSD die politischen Parteien und die Zivilgesellschaft. Er ist darauf ausgerichtet, ganz Syrien zu einer föderalen, demokratischen, geschlechtergleichberechtigten und multikulturellen politischen Einheit zu vereinen.