In einem Interview mit der ägyptischen Zeitung al-Watan hat sich Mazlum Abdi Kobanê, Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), zum neo-osmanischen Großmachtstreben der Türkei geäußert und sich für eine aktive und gestaltende Rolle Ägyptens zur Lösung des Syrien-Konflikts ausgesprochen. Kobanê sagte, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan versuche, die Muslimbruderschaft in der arabischen Welt zu verankern, um die Türkei als regionale Führungsmacht zu positionieren.
Die radikal-islamistische Organisation der Muslumbruderschaft sei ein strategischer Partner der Türkei, die auch andere salafistische Milizen wie den „Islamischen Staat” (IS) und al-Nusra nutzt, um ihren Einfluss in der gesamten arabischen Welt auszubauen, so Kobanê. Ohnehin sei nicht neu, dass Erdogan das Zentrum der internationalen Muslimbruderschaft in seinem Land beherbergt. Er bemühe sich, die nationalen Vereinigungen der Muslimbruderschaft unter einem Dach zusammenzuführen, um ohne Rücksicht auf die Verfassung und Souveränität der nach dem Zerfall des Osmanisches Reich entstandenen Staaten seinen transnationalen Nationalismus zu forcieren. Die Einmischung in die inneren Angelegenheiten Libyens seien das jüngste Beispiel dafür, dass die AKP-regierte Türkei nicht an der Förderung politischer Prozesse in den krisengeplagten Ländern des Mittleren Ostens interessiert ist. Vielmehr gehe es darum, die Muslimbruderschaft an die Macht zu bringen. In Nord- und Ostsyrien treibe Ankara unter dem Vorwand der „Terrorbekämpfung” das gleiche Spiel. „Sollte Erdogan Erfolg bei seinem Plan haben, die kurdische Bewegung zu zerschlagen, wird die Türkei ihre auf die Muslimbruderschaft ausgerichtete islamistische Politik überall durchsetzen. Unglücklicherweise ebnete die Tatenlosigkeit der internationalen Staatengemeinschaft Erdogan diesen Weg“, sagte Kobanê.
Ägypten fällt wichtige Rolle zu
Ägypten hingegen habe bewiesen, dass es zur Lösung der Konflikte in Syrien beitragen kann. Die Regierung von Präsident Abd al-Fattah as-Sisi und die Arabische Liga liegen mit ihrer Haltung hinsichtlich der türkischen Invasion in den selbstverwalteten Gebieten Rojavas auf einer Linie mit der nordostsyrischen Administration und den QSD, so Kobanê. Ägypten hatte mehrfach erklärt, den „berechtigten Widerstand“ der Kurden gegen das türkische Vorgehen zu unterstützen und den völkerrechtswidrigen Angriff als „Invasion in das Land eines arabischen Staates“ und „Angriff auf die Souveränität Syriens“ bezeichnet.
„Ägypten fällt eine wichtige Rolle zu. Auch im Hinblick auf die historischen Beziehungen zu Damaskus fordern wir schon länger, dass sich Ägypten als regionale Vermittlermacht aktiv in die Syrien-Gespräche einbringt und konkrete Vorschläge für demokratische Lösungsansätze im Konflikt macht. Länder wie die Türkei oder Iran verfolgen lediglich ihre eigenen Interessen in Syrien. Ihr Handeln dient nicht zur Problemlösung, sondern verschärft den Konflikt. Offizielle Beziehungen Ägyptens zur Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens würden wir ebenfalls begrüßen.“
Die Lösung der Syrien-Krise auf der Grundlage staatsterritorialer Integrität sei entscheidend für den innersyrischen Frieden, so Kobanê. „Ägyptens Rolle als Vermittler zwischen uns und der Zentralregierung in Damaskus wäre daher wichtig für die Entwicklung eines konstruktiven Dialogprozesses, der zum Weg aus der Krise führen kann.“