Die Rolle der Muslimbrüder und des IS in den Plänen der AKP

Die Muslimbruderschaft ist ein strategischer Partner der Türkei, die salafistische Milizen wie den IS und al-Nusra nutzt, um ihre neoosmanischen Pläne umzusetzen.

Der „Islamische Staat“ (IS) und die Ausrufung seines sogenannten „Kalifats“ im Juni 2014 sind nicht alleine ein Produkt der Kriege und Verwerfungen im Mittleren Osten. Sie sind auch das Produkt einer Geisteshaltung, deren Wurzeln über tausend Jahre zurückreichen. Die geistigen Väter des IS sind die grundlegenden Vordenker des Salafismus Ibn-i Taymiyya (661-728) und Ahmad Ibn Muhammad Ibn Hanbal (780-885). Muhammad ibn Abd al-Wahhab griff 1703 das salafistische Gedankengut auf und der Muslimbruder Saiyid Qutb (1906-1966) ließ den Salafismus wiederbeleben. In der Folgezeit bildeten sich Organisationen wie die al-Qaida und der IS, deren Ideologie auf dem Salafismus fußt.

1928 hatte Hasan al-Banna die Gründung einer Organisation mit dem Namen Muslimbruderschaft bekanntgegeben. Die Organisation wuchs schnell und versuchte die Vorherrschaft in den arabischen Staaten zu erlangen. Immer wieder aktivierten die Muslimbrüder in ihrem Kampf um die Macht auch radikale bewaffnete Gruppen zum Kampf gegen die „Ungläubigen.“

Die Muslimbruderschaft, der IS und die AKP

1988 wurde in Afghanistan durch Osama bin Laden eine Organisation mit dem Namen al-Qaida gegründet. Später erklärte auch der berüchtigte irakische Dschihadistenführer Abu Musab az-Zarqawi seine Treue zu bin Laden und begann für das Al-Qaida-Netzwerk zu arbeiten. Al-Qaida und die Muslimbruderschaft verfolgten die gleiche salafistische Ideologie. Die Mitglieder der Muslimbruderschaft wurden in vielen arabischen Ländern verhaftet und die Organisation als Terrororganisation eingeordnet. Allerdings hatte der von der AKP geführte türkische Staat schon 2003 damit begonnen, die Bruderschaft unter seine Fittiche zu nehmen. Erdoğan sah in den Muslimbrüdern eine Chance, seine neoosmanischen Ziele zu erreichen.

Vereint auf einer Ramadan-Laterne in Kairo: Der türkische Präsident Erdoğan und der Muslimbruder Mursi

Der türkische Staat öffnete den Muslimbrüdern Tür und Tor und die Organisation benutzte die Türkei als Ausgangsbasis für ihr weiteres Vorgehen. Die AKP stellte gemeinsam mit Katar die größte Unterstützerin der Muslimbruderschaft und radikal-salafistischer Gruppen in Syrien, dem Irak, Libyen, Ägypten, Tunesien und anderen Teilen der Welt dar.

Irak und Syrien als Aktionsfeld

Nach dem Umsturz des Saddam-Regimes im Irak im Jahre 2003 begann das dortige Al-Qaida-Netzwerk US-amerikanische Kräfte anzugreifen. Unter dem Schlagwort des Kriegs gegen „Besatzer und Ungläubige“ schafften sie es, viele bewaffnete Gruppen unter sich zu vereinen und viele junge Menschen dazu zu bringen, sich ihren Reihen anzuschließen. Die zu al-Qaida gehörigen Gruppen hatten erklärt, dass sie einen Kalifatstaat nach den Regeln der Scharia errichten wollen. Dafür wurden irakische Sicherheitskräfte attackiert und grausame Verbrechen an der Zivilbevölkerung verübt.

Zwischen 2003 und 2016 wurden im Irak tausende Zivilist*innen bei Anschlägen getötet. Einer der grausamsten dieser Angriffe erfolgte 2007 in der Region Şengal. Darüber hinaus griff die Organisation pausenlos Schiiten, Gebäude kurdischer Parteien, politische und religiöse Gruppen an.

Türkische Unterstützung für Dschihadisten gilt als garantiert

Als im März 2011 die ersten Anfänge der Revolution in Syrien zu spüren waren, benutzte die AKP die Muslimbrüder, um diesen Wind in ihre Richtung zu drehen. Der türkische Staat hat mit dieser Politik in den vergangen acht Jahren große Zerstörung über Syrien gebracht. Auf einem Treffen der sogenannten syrischen Opposition wurde durch den Einfluss der Muslimbrüder auch der syrische Al-Qaida-Ableger, die Al-Nusra-Front, zur Vertreterin der „syrischen Revolution“ erklärt. Erdoğan benutzte diese Kräfte, um seine Besatzungspläne zu verwirklichen und die Errungenschaften der Kurd*innen auszulöschen. Auf diese Weise wollte er außerdem die Ölproduktion, die Landwirtschaft und die Industrie unter seine Kontrolle bringen.

Ohne Unterbrechung konnten die Dschihadisten während der Syrienkrise auf die Unterstützung der Türkei zählen. Die Regierung in Ankara schreckte auch nicht davor zurück, Waffen oder personelle und logistische Unterstützung für diese Gruppen zu leisten. Daraufhin griff der IS Şengal und Kobanê an und rief sein Kalifat aus.

Kobanê war der Anfang vom Ende

Der IS tötete tausende Zivilist*innen, die sein sogenanntes „Kalifat“ nicht anerkannten. In Deir ez-Zor, Raqqa und Minbic (Manbidsch) wurden die Stämme massakriert. Anschließend erfolgten Angriffe auf die Orte Jaza und Tell Tamer im nordsyrischen Kanton Hesekê. Als gedachter Höhepunkt erfolgte mit massiver militärischer Mobilisierung der Angriff auf Kobanê. Nachdem hier allerdings das Vorhaben des IS scheiterte, erfolgten von der türkischen Seite der Grenze aus Angriffe und Massaker mit Hilfe von Autobomben. Dennoch war die Niederlage des IS in Kobanê ihr Anfang vom Ende.

Das Ende in al-Bagouz

Aufgrund des unermüdlichen Engagements der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) steht das Ende des Staatsprojekts des IS direkt bevor. Aber der türkische Staat hat die Reste des IS bereits in Minbic, Raqqa und Deir ez-Zor für seine „Schutzschild-Euphrat“-Truppen rekrutiert. Der IS ist mittlerweile auf kleinem Raum eingeschlossen. Damit sind die neoosmanischen Träume Erdoğans zunächst einmal geplatzt.