Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan droht mit einem Angriff auf den Nordwesten Syriens, sollte die Lage in der dortigen Provinz Idlib nicht sofort geklärt werden. „Wir werden tun, was nötig ist, wenn jemand unser Territorium bedroht”, sagte Erdoğan am Freitag in Ankara. Das schließe den Einsatz des türkischen Militärs ein.
Seit vergangener Woche rückt die syrische Armee auf die letzte sogenannte „Rebellenregion” Idlib vor. Am Mittwoch konnte mit Maaret al-Numan die seit 2012 von „Aufständischen” beherrschte zweitgrößte Stadt der Provinz mit Hilfe der russischen Luftwaffe zurückerobert werden.
Die UN sehen eine dramatische Lage für Millionen Geflüchtete. Nach Angaben des UNO-Nothilfebüros wurden seit Anfang Dezember rund 390.000 Menschen aus Idlib durch Bombardierungen und Artillerieangriffe in die Flucht getrieben. Mehr als 80 Prozent von ihnen seien Frauen und Kinder. Die Türkei fürchte deshalb einen weiteren Zustrom von Flüchtlingen aus dem Nachbarland.
Erdoğan sagte, die Türkei werde keine Wahl haben und müsse notfalls dieselben Schritte unternehmen wie zuvor. Damit spielte der AKP-Chef auf die völkerrechtswidrige Invasion im Nordosten Syriens an, wo die türkische Armee seit dem 9. Oktober gemeinsam mit verbündeten Dschihadisten einen Angriffskrieg gegen die selbstverwalteten Gebiete führt. Sein Land könne keinen weiteren Flüchtlingsstrom verkraften. Die Regierung werde keine neuen Bedrohungen in der Nähe der Landesgrenze zulassen, selbst wenn das einen Militäreinsatz auf syrischem Boden bedeute, wie dies bereits dreimal geschehen sei.
In der Region Idlib hat die Türkei zwölf Beobachtungsposten. Basis dafür ist das Deeskalationsabkommen aus dem Jahr 2018, gegen das Russland nach Darstellung Erdoğans nun verstößt. Die syrisch-russische Offensive auf Idlib hat die Spannungen zwischen Ankara und Moskau verschärft. Beide Staaten unterstützen in dem seit 2011 andauernden Krieg in Syrien gegnerische Seiten.
In den selbstverwalteten Gebieten werden die Drohungen Erdoğans ernst genommen. An der Grenze hat die türkische Armee ihre Militäraktivitäten bereits verstärkt. Etliche Konvois seien entlang der Grenzlinie in Stellung. Unterdessen wird aus Idlib gemeldet, dass die türkische Armee nahe der Stadt Saraqib (auch Sarakeb) bereits damit begonnen hat, neue Militärposten zu errichten. Saraqib verbindet die strategischen Verkehrswege M4 und M5 miteinander.