Efrîn: 13 Morde, 208 Entführungen in sieben Monaten

Laut einem neuen Bericht der Menschenrechtsorganisation von Efrîn wurden in diesem Jahr durch die Besatzungstruppen in Efrîn mindestens 13 Personen ermordet, 208 Menschen verschleppt und über 17.000 Bäume abgeholzt.

Im März 2018 wurde Efrîn in Rojava vom türkischen Staat besetzt, und es wurde ein Terrorregime islamistischer Söldnergruppen und des türkischen Geheimdiensts errichtet. Der Großteil der ursprünglichen Bevölkerung ist geflohen oder wurde vertrieben. Berichten zufolge sank der kurdische Bevölkerungsanteil von 90 Prozent auf 22 bis 15 Prozent, mit fallender Tendenz. Hunderttausende Menschen aus Efrîn halten sich in selbstorganisierten Lagern nahe den besetzten Gebieten auf. Dort arbeitet auch die Menschenrechtsorganisation von Efrîn (Rêxistina Mafên Mirovan li Efrîn-Sûriye) daran, die Verbrechen der Besatzungstruppen in der Nähe von Efrîn zu dokumentieren. Die Menschenrechtsorganisation veröffentlichte nun im Serdem-Camp ihre Bilanz für sieben Monate.

Schwerste Verbrechen durch Besatzer

Mihemed Ebdo, der Sprecher der Menschenrechtsorganisation, trug den Bericht vor. Ebdo berichtete von einer Fortsetzung der Vertreibungspolitik in Efrîn: „Der türkische Staat verletzt die Menschenrechte in der Region mit Verbrechen wie Massakern, Entführungen, Gewalt, Lösegelderpressungen, der Beschlagnahmung von Eigentum der Bevölkerung sowie dem Weiterverkauf von beschlagnahmten Materialien und der Zerstörung der Natur.“

Er berichtete von 208 Entführungen seit Jahresbeginn durch die Besatzungstruppen. Unter den Entführten befanden sich 24 Frauen und ein Minderjähriger. Die 13-jährige Person wurde Opfer sexualisierter Gewalt. 13 Personen, davon drei Frauen, wurden von den Besatzungstruppen ermordet. Über 16.000 Bäume wurden gefällt, mehr als tausend weitere Bäume wurden ausgerissen und mehr als 70 Hektar Land wurden verbrannt.

Historische Stätten wie der Ischtar-Tempel von Ayn Dara, das Mausoleum von Nebi Huri, die Şikefta Duderi und das Grab von Mar Maron sowie die umliegenden Klosteranlagen wurden geplündert und zerstört. Historische Objekte aus dem UNESCO-Weltkulturerbe wurden auf dem Schwarzmarkt verkauft.

Siedlungspolitik geht weiter

Die Veränderung der Bevölkerungsstruktur und Siedlungspolitik wird ebenfalls fortgesetzt. Siedlungen wurden ausgebaut und neue Häuser für protürkische Siedler errichtet. Der türkische Staat baut in Zusammenarbeit mit Katar, Kuwait und palästinensischen Organisationen Siedlungen in den Dörfern und Bezirken des Kantons Efrîn auf. Dabei spielt insbesondere die Muslimbruderschaft erneut eine zentrale Rolle. Viele der protürkischen Dschihadistenmilizen hatten sich bereits aus den Reihen der salafistischen Muslimbrüder rekrutiert. Die Muslimbruderschaft, zu der auch ihr palästinensischer Ableger Hamas gehört, dient als Vehikel des türkischen Imperialismus im gesamten Mittelmeerraum und darüber hinaus. In Efrîn sind unter anderem auch die Muslimbrüder-Organisationen al-Ayadi al Bayda, Kuwait al-Rahma (Kuwait) und Binyan al-Qatari (Katar) aktiv.

Kultureller Genozid“

„Das gefährlichste der Verbrechen und Rechtsverletzungen ist die Umgestaltung der Demografie der Region. Diese hat inzwischen das Niveau eines kulturellen Völkermords erreicht“, so Ebdo. Er führte aus: „Der türkische Besatzungsstaat hat den Azadî-Platz, einen der wichtigsten Plätze im Zentrum von Efrîn, in Atatürk-Platz umbenannt und den Namen des Dorfes Qestela Miqdad in Selçuk Obası geändert. Außerdem wurden die kurdischen Namen wichtiger Orte durch türkische Namen ersetzt. Türkische Flaggen und Erdoğan-Plakate wurden überall in Dörfern, Gemeinden und Städten aufgehängt. In den Schulen werden türkische Materialien verwendet. Türkische Flaggen wurden auf die Kleidung der Schüler:innen genäht. Die Namen auf den Schildern von Geschäften werden auf Türkisch geschrieben. Zusätzlich zu all diesen rassistischen Praktiken hat der türkische Besatzungsstaat ezidische, alawitische und christliche religiöse Stätten und Heiligtümer zerstört. Die in den besetzten Gebieten lebenden Menschen wurden gezwungen, türkische Personalausweise zu beantragen. Der türkische Besatzungsstaat hat die Eisenbahnschienen, die die Bezirke Rajo und Şera verbanden, entfernt und sie an Händler in Azaz verkauft.“

Das Ziel der Angriffe ist, die Menschen an der Rückkehr zu hindern“

Ebdo berichtete auch von permanenten Angriffen auf Flüchtlingslager und Dörfer in der angrenzenden selbstverwalteten Şehba-Region und erklärte: „All diese Angriffe und Kriegsverbrechen finden vor den Augen der Welt statt, aber die Welt stellt sich ihnen gegenüber blind, taub und stumm. Das Ziel des türkischen Staates ist es, die Menschen in den Dörfern und Lagern zu zwingen, die Region zu verlassen, und ihre Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Häuser und ihr Land in Efrîn zu vernichten. Andererseits ruft der türkische Staat in einigen digitalen Medien zur Rückkehr nach Efrîn auf und verspricht den Menschen Sicherheit und die Rückgabe ihres Eigentums, ihrer Häuser und ihres Landes. Doch diese Aufrufe entbehren jeder Grundlage. Sie sind vergiftet. Dies zeigen die Verbrechen, die gegen die Menschen, die in ihre Heimat zurückgekehrt sind, begangen wurden.“

Appell an die UN

Abschließend appellierte Ebdo an alle internationalen und humanitären Organisationen, insbesondere an die Vereinten Nationen (UN), „ihrer moralisch-politischen humanitären Verantwortung vor dem Hintergrund ihrer rechtlichen Verantwortung gerecht zu werden,“ Er forderte: „Üben Sie Druck auf den türkischen Staat aus, sich aus allen besetzten Gebieten in Nordsyrien, insbesondere Efrîn, zurückzuziehen. Verfolgen Sie die Kriegsverbrecher vor internationalen Gerichten und sorgen Sie für die sichere Rückkehr der Flüchtlinge.“