Drei Forderungen an Damaskus

Derya Hana, Exekutivratsmitglied des Demokratischen Syrienrats (MSD) erklärte, dass die Demokratische Autonomie eine der unabdingbaren Hauptforderungen an den syrischen Staat sei.

Auf Einladung der syrischen Regierung hat am 26. Juli in Damaskus ein Treffen zwischen Vertreter*innen des Demokratischen Syrienrats und der syrischen Regierung stattgefunden. Ziel des Treffens war es, die Basis für einen breiten Dialog zur Lösung der Syrienkrise und einem Ende der Gewalt zu legen. Beschlossen wurde, in allen Bereichen Komitees für die Entwicklung einer Roadmap für ein dezentrales, demokratisches Syrien zu bilden. Derya Hana, Mitglied im Exekutivrat des Demokratischen Syrienrats, hat sich im Gespräch mit der Frauennachrichtenagentur JinNews zu dem Treffen geäußert und erklärt, dass es sich hierbei um die erste Verhandlungsinitiative der syrischen Regierung im achtjährigen Krieg handelt.

Zwei Komitees gegründet

Hana erklärte zu dem Treffen, an dem im Namen des MSD Vertreter*innen der Völker Nordsyriens, der Suryoye, der arabischen und kurdischen Bevölkerung teilnahmen: „Natürlich betrachten wir den Schritt der syrischen Regierung positiv. Aber wir alle wissen, dass nichts von einem Moment auf den anderen passieren wird. Deswegen fanden breite Diskussionen statt. Als Ergebnis dieser Gespräche wurde die Entscheidung getroffen, zunächst zwei Komitees einzurichten. Im syrischen System gibt es lokale Verwaltungen. Wir haben in Nordsyrien das Modell der Demokratischen Autonomie aufgebaut. Die Autonomie und ihre Umsetzung bietet wesentlich mehr Möglichkeiten als die der lokalen Verwaltungen, die sich lediglich um Dienstleistungen kümmern und An- und Verkäufe erledigen. Die Demokratische Autonomie entscheidet aber. Sowohl politisch als auch gesellschaftlich, sie bestimmt sowohl ihre Vertreter*innen als auch ihre Identitäten. Zu diesem Thema wurde ein Komitee gegründet. Ein weiteres Komitee wurde zu Grenz- und Zollfragen gegründet. Auch dazu gehen unsere Diskussionen weiter.“

Das Ergebnis unseres Kampfes

Die gebildeten Komitees sollen zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen und darüber die Grundlage für Verhandlungen darstellen. Es gehe bei den Verhandlungen darum, die Errungenschaften der vergangenen acht Jahre zu schützen, betonte Hana. Dass die syrische Regierung nun zu Verhandlungen eingeladen hat, sei auch auf den großen Druck des achtjährigen Kampfes zurückzuführen. Die internationalen Mächte werden jedoch versuchen, diese Verhandlungen zu verhindern, so Hana.

„Die Hegemonialmächte, die sich im Mittleren Osten niedergelassen haben setzen alles daran, damit es keine Lösung in Syrien gibt. Die Lösung der Probleme Syriens hängt mit uns zusammen. Wir als MSD vertreten den Willen der Völker Syriens und wir glauben daran, dass aufrichtige Verhandlungen diese Probleme lösen werden.“

Die Verhandlungen werden lange dauern

Derya Hana kündigte langandauernde Verhandlungen an: „Bei dem Gespräch mit dem Regime war unsere Hand stärker. Es war kein Treffen in militärischer Hinsicht. Wir sprachen allein über die Dienstleistungen und wie die Verwaltung und Organisierung Syriens in der Zukunft aussehen müsse. Das syrische Regime wollte mit uns ein schnelles Ergebnis erzielen. Diesmal wird es sich allerdings etwas hinziehen. Die Bevölkerung beobachtet uns und will die Verhandlungen. Denn in Syrien finden schwere Kämpfe statt und die einzige sichere Region ist Nordsyrien. Im Zusammenhang mit Idlib wurden verschiedene Pläne umgesetzt. Russland und die Türkei stationieren ihre Armeen dort. Das syrische Regime hat festgestellt, dass es erneut einen Fehler begangen hat. Deshalb haben wir in der Haltung des Regimes eine Lockerung feststellen können. Unsere Forderungen werden sich aber auf höchstem Niveau bewegen. Wenn sich die Verhandlung von diesem Niveau wegbewegen, dann ist unsere Haltung klar. Wir schützen nordsyrisches Territorium und werden dies auch weiterhin tun.“

Ansprechpartner für Lösung an einem Tisch

Derya Hana wies darauf hin, dass sich zum ersten Mal die entscheidenden Ansprechpartner*innen für eine Lösung in Syrien an einem Tisch versammelt haben und sagte: „Wir hatten schon früher gesagt, wenn es heute eine Lösung für Syrien geben soll, dann wird sich diese im Inneren von Syrien entwickeln. Wenn wir einen Wandel wollen, wird er innerhalb von Syrien geschehen. Jetzt gibt es Treffen zwischen uns und dem Regime. Was für eine Lösung daraus entsteht, hängt nun von beiden Seiten ab.“

Zu den Forderungen des MSD sagte Hana: „Unsere erste Forderung ist die Anerkennung der autonomen Selbstverwaltung. Die zweite ist, dass wir die Syrienfrage nur mit den eigentlichen Ansprechpartnern lösen können. Drittens muss der Krieg in Syrien gestoppt werden.
Diese drei Forderungen haben wir angeführt und erwarten eine Antwort. Denn die Bevölkerung in Gebieten mit einer arabischen Mehrheit wie beispielsweise Raqqa, Dêra Zor und Tabqa ist unruhig. Sie fragen sich, ob das Regime wiederkommt, ob ihre Gebiete dem Regime überlassen werden oder nicht. Aber unsere Bevölkerung kann uns vertrauen. Wir haben dem Regime unsere drei Forderungen mitgeteilt. Wenn sie nicht akzeptiert werden, kann es auch keine Verhandlungen geben. Das Regime muss zu allererst die Demokratische Autonomie akzeptieren. Das ist für uns die absolute Grundlage.“

Verhandlungen haben manche beunruhigt

Die Verhandlungen zwischen dem MSD und der syrischen Regierung haben einige Kräfte beunruhigt, so Hana. Deshalb werde entsprechende Antipropaganda verbreitet. Man versuche die Treffen zu sabotieren, indem man die Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufhetzt. Hana sagte dazu: „Unser Treffen erzeugte ein großes öffentliches Echo. Dieses Echo beruht auf unserer Kraft. Aber diejenigen, die unsere Stärke nicht hinnehmen wollen, versuchten Schmutzkampagnen über die Teilnahme der Kurd*innen an den Treffen durchzuführen und diese so zu stören. Das zeigt eigentlich ihre bedauerliche Situation. Es gibt einige Kräfte, die sich selbst nur durch die Krise am Leben halten.“

Verhandlungen für ganz Syrien

Hana betonte, dass es sich hier nicht nur um Verhandlungen für die Kurd*innen, sondern für alle Völker Nordsyriens handelt. Die kurdische Bevölkerung hätte einen großen Beitrag dazu geleistet und dies der ganzen Welt bewiesen. „Das Regime ist in der Situation, das von uns aufgebaute Modell der Demokratischen Autonomie akzeptieren zu müssen. Dieses Modell ist für die kurdische, turkmenische, arabische, armenische, aramäische und assyrische Bevölkerung notwendig. Das Regime muss verstehen, dass es mit der Mentalität ‚eine Fahne, ein Staat, eine Nation‘ nicht mehr weitermachen kann. Die Kurd*innen haben eine wichtige Rolle beim Aufbau der demokratischen Autonomie gespielt. Wir haben festgestellt, dass wir uns selbst verteidigen können“ sagte Hana abschließend und fügte hinzu, dass die Treffen positiv verlaufen seien. Der MSD werde eine entsprechende Haltung für weitere Schritte an den Tag legen.