Die Einheiten der paramilitärischen Baathisten-Gruppe Difa al-Watani (auch als National Defense Forces / NDF bekannt) stellen die Speerspitze der Kräfte der Assad-Regimes in Nordsyrien dar. Sie sind für eine ganze Reihe von Provokationen vor allem in Qamişlo und Hesekê verantwortlich. Die Angriffe erfolgten, nachdem das Embargo gegen Şehba und die selbstverwalteten Bezirke in Aleppo verschärft wurde.
Seit einer Woche Provokationen
Seit etwa einer Woche nehmen Mitglieder von Difa al-Watani in Hesekê und Qamişlo gezielt Zivilist*innen ins Visier und verschleppen Menschen in der Stadt. Aufgrund dieser Situation kommt es immer wieder zu Eskalationen. Dies sind nicht die ersten Übergriffe der Miliz. Ihre Geschichte ist voller Kriegsverbrechen.
Wurzeln von Difa al-Watani liegen beim syrischen Geheimdienst
Die Vorbereitung für den Aufbau von Difa al-Watani reichen bis vor den Ausbruch des Krieges zurück. Der Muhabarat, der als stärkster Geheimdienst der arabischen Staaten berüchtigt war, hatte die Zeichen der Zeit erkannt und schon ein Jahr vor dem sogenannten „Arabischen Frühling“ begonnen, sich auf mögliche explosive Entwicklungen einzustellen. So wurden Ende des Jahres 2009 verschiedene Personen vom Geheimdienst in den Iran geschickt, um dort für den Aufbau von Milizen und Kontras ausgebildet zu werden. Die Ausbildung beim iranischen Geheimdienst ETELAAT dauerte etwa zwei Monate. Ihre Ausbildung erfolgte vor allem über das Basidsch-e-Mostazafin-System. Bei den kurz Basidsch genannten Gruppen handelt es sich um vom iranischen Geheimdienst organisierten Paramilitärs, ähnlich dem türkischen Dorfschützersystem.
Spitzeldienst für den Geheimdienst der Luftwaffe
Nach ihrer Rückkehr nach Syrien wurden sie dem Geheimdienst der Luftwaffe in Damaskus und Aleppo als Milizionäre zugeteilt. Der Geheimdienst der Luftwaffe gehört zu den einflussreichsten Organisationen des Regimes. Aus diesem ging bereits Hafiz al-Assad, der Vater des aktuellen Diktators Bashar al-Assad hervor. Der Luftwaffengeheimdienst spielte eine wichtige Rolle beim Aufbau dieser Vorläuferstrukturen von Difa al Watani.
Provokateure bei Freitagsprotesten
Als 2011 die Freitagsproteste begannen, mischten sich diese Paramilitärs unter die zivilen Protestierenden und führten einerseits Provokationen durch, waren andererseits aber auch als Geheimdienstspitzel aktiv.
Mit dem Beginn der Kämpfe im Jahr 2012 begann eine Serie von schweren Kriegsverbrechen durch die Miliz. Das Regime hatte zu diesem Zeitpunkt damit begonnen, die Gefängnisse zu räumen und Mörder, Vergewaltiger, Mafiaangehörige und Räuber freizulassen und in die Miliz zu integrieren, die 2012 zum ersten Mal insbesondere in Aleppo und Damaskus als Difa al-Watani in Erscheinung trat. Während ihre Mitglieder zunächst Zuträgeraufgaben für den Geheimdienst erledigten, wurde die Struktur damit zu einer bewaffnet für das Regime kämpfenden Gruppe, die insbesondere den vom mittlerweile getöteten iranischen General Ghassem Soleimani kommandierten Al-Quds-Brigaden und der Hisbollah nahesteht. Soleimani selbst soll koordinierend an der Ausbildung der Einheit beteiligt gewesen sein. Über diese Strukturen organisierte sich Difa al-Watani schnell in ganz Syrien. 2013 betrug die Stärke der Miliz bereits 40.000 Kämpfer.
Folter, Mord und Vergewaltigung durch Difa al-Watani
In den Jahren 2012, 2013 und 2014 nahmen Kriegsverbrechen wie Mord, Folter, Entführung, Vergewaltigung, Lösegelderpressung und Plünderungen insbesondere in Provinzen wie Homs, Hama, Deraa, Latakia, Damaskus und Aleppo zu. In diesem Zusammenhang tauchten immer wieder Täter auf Seiten von Difa al-Watani auf.
Wechsel zum IS
Vielerorts wechselten während des Krieges Mitglieder von Difa al-Watani die Seiten und traten dem IS, al-Nusra oder den Milizen der Muslimbruderschaft bei. Insbesondere bei einem IS-Angriff 2015 auf Hesekê wechselten viele Mitglieder von Difa al-Watani die Seite und liefen zum IS über. Allein die Verteidigungseinheiten YPG und YPJ konnten in tagelangen Kämpfen verhindern, das Hesekê an den IS fällt.
2013: Difa al-Watani wird vom Parlament legalisiert
Erst im August 2013 wurde eine rechtliche Grundlage für Difa al-Watani im syrischen Parlament geschaffen. Das syrische Parlament erließ ein Dekret, das Unternehmen dazu ermächtigte, die Milizen zu finanzieren. Außerdem wurden die Difa al-Watani auch vom syrischen Regime mit Waffen ausgerüstet. Damit stiegen die Möglichkeiten der Miliz immens und die Zahl der Mitglieder nahm von 40.000 auf ihren heutigen Stand von 100.000 zu. Einer der Kommandanten und wichtigsten Unterstützer von Difa al-Watani ist der Unternehmer Fadi Ahmed (auch Fadi Saqr genannt) aus Damaskus. Er gehört zu den von den USA im August 2020 direkt sanktionierten 39 syrischen Schlüsselpersonen.
Selbstverwaltung warnt: Provokationen müssen aufhören
Aufgrund der Provokationen in Qamişlo und Hesekê mussten nun die Sicherheitskräfte in den selbstverwalteten Städten ihre Maßnahmen ausweiten. Die Selbstverwaltung warnte sowohl das Regime als auch Russland vor weiteren Provokationen und kündigte an, in einem solchen Falle die Kräfte des Regimes, insbesondere von Difa al-Watani, aus der Region zu zu vertreiben. Die Paramilitärs kontrollieren einige Viertel in Qamişlo und Hesekê, in denen vor allem Assad-Anhänger leben.