„Der türkische Staat sieht Kobanê als Symbol seiner Niederlage"

Kobanê ist das Symbol der Revolution von Rojava und hier hat auch der Niedergang des IS begonnen. Die Ziele der PYD für 2022 sind ein radikaler Kampf gegen die zunehmende Aggression und die internationale Anerkennung der Autonomieverwaltung.

Im Autonomiegebiet Nord- und Ostsyrien werden in diesem Jahr massive Angriffe erwartet. Die PYD-Vorsitzende Ayşe Hiso erläutert im ANF-Interview, dass mit den Angriffen insbesondere auf Kobanê die Revolution von Rojava eliminiert werden soll. Ende Dezember sind bei einem gezielten Drohnenangriff auf die Revolutionäre Jugendbewegung Syriens sechs Aktivist:innen getötet worden. Am Samstag kam es zu massiven Artillerieangriffen auf Dörfer im Kanton Kobanê, ein Zivilist kam ums Leben und elf Menschen wurden verletzt, darunter mehrere Kleinkinder. Einem Vierjährigen musste ein Bein amputiert werden.

Der türkische Staat erzielt mit seinen Angriffen auf Rojava nicht den von ihm gewünschten Erfolg. Die gesamte Region ist ein permanentes Angriffsziel, insbesondere Kobanê steht im Fokus der Aggression. Wie sollten diese Angriffe bewertet werden und wie verhält sich die Bevölkerung von Kobanê?

Der türkische Staat hat am 25. Dezember ein Massaker in Kobanê begangen. Der Angriff richtete sich gegen die Jugend und muss im Zusammenhang mit den anderen Angriffen auf Nord- und Ostsyrien betrachtet werden. Bereits zuvor sind gezielt Zivilisten angegriffen worden, so auch Yusîf Gulo und seine Familie, die in ganz Rojava bekannt ist.

Diese Aggression entspricht der Reaktion des türkischen Staates auf die Revolution in Rojava, die sich inzwischen auf die Gebiete in Nordostsyrien ausgeweitet hat. Für die türkische Staatsführung war der „Islamische Staat“ (IS) eines ihrer wichtigsten Projekte. Kobanê ist das Symbol der Revolution von Rojava und hier hat auch der Niedergang des IS begonnen. Für den türkischen Staat ist das unerträglich, er hat immer große Wut auf Kobanê verspürt und bei jeder Gelegenheit Angriffe durchgeführt.

Eines der Ziele des türkischen Staates ist die Destabilisierung der Region. Die Bevölkerung soll eingeschüchtert werden und nicht zur Ruhe kommen können. Die Menschen in Kobanê sind sich dieser Politik bewusst und bringen ihre Wut darüber ständig mit Massenaktivitäten zum Ausdruck.

Nord- und Ostsyrien ist nicht nur Besatzungsangriffen ausgesetzt, sondern wird gleichzeitig massiv belagert. Wie muss es gesehen werden, dass sich auch Organisationen wie die PDK an der Belagerung beteiligen?

Von Rojava bis nach Mexmûr wird das Embargo zunehmend intensiviert. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Es wird behauptet, dass die Aktion der Jugendbewegung zur Schließung des Grenzübergangs Sêmalka durch die PDK geführt hat. Das ist jedoch nur ein Vorwand. Die Aktion an der Grenze ist eine zivile Aktivität, mit der die Übergabe der Leichen junger kurdischer Gefallener gefordert wird.

Dass den Angehörigen die Leichen nicht zur Bestattung übergeben werden, ist ein Problem für sich. Unser Volk protestiert dagegen mit Aktionen. Es war die PDK, die die Jugendlichen angegriffen und provoziert hat. Im Anschluss hat sie das als Begründung angeführt, um die Grenzen dicht zu machen. Damit hat sie ein weiteres Mal deutlich gemacht, dass sie sich an der Belagerungspolitik beteiligt.

Das Geschehen findet nicht unabhängig von den Astana-Gesprächen statt. Es werden zwar andere Begründungen vorgeschoben, aber es geht dabei um in Astana getroffene politische Entscheidungen zum Vorteil des türkischen Staates, die von der PDK umgesetzt werden.

2021 hat mit intensiven Angriffen auf Rojava begonnen, im neuen Jahr ist es nicht anders. Wie wird 2022 für Rojava werden?

2021 war für Rojava ein Jahr des unvergleichlichen Widerstands gegen eine massive Angriffswelle. Nicht nur in Rojava, weltweit haben große Veränderungen stattgefunden. Die Autonomieverwaltung in Nordostsyrien hat sich trotz der Umstände weiterentwickelt. Unser System hat sich weiter etabliert und es findet ein Prozess statt, in dem dieses System auf internationaler Ebene zunehmend Anerkennung findet und die bestehenden Unzulänglichkeiten behoben werden.

Bereits jetzt steht fest, dass 2022 ein noch intensiveres und wichtiges Jahr werden wird. Dass wir mit massiven Besatzungsangriffen und Maßnahmen des Spezialkriegs konfrontiert sein werden, ist schon jetzt sichtbar. Ebenso sicher ist jedoch, dass dagegen Widerstand geleistet wird. Für uns wird es ein Kampfjahr werden, in dem wir der aggressiven Politik zum Trotz unser System schützen und aufrecht erhalten.

Auch für die Autonomieverwaltung wird 2022 ein wichtiges Jahr sein. Ausschlaggebend wird sein, ob die notwendige Stärke für eine dauerhafte Stabilisierung dieses Systems und eine Lösung der bestehenden Probleme vorliegt. Unser Ziel ist ein radikaler Kampf gegen die zunehmende Aggression der Spezialkriegspolitik und die internationale Anerkennung unseres Systems. Insofern wird 2022 ein Jahr des Kampfes und harter Arbeit werden.