„Der Kampf der YPJ ist nicht auf die Front beschränkt“

Nach dem militärischen Sieg über den IS erklärt die YPJ-Kommandantin Newroz Ahmed, dass die YPJ auch nach dem Frontenkrieg weiterhin an Operationen gegen den IS teilnehmen und außerdem zur gesellschaftlichen Organisierung beitragen werden.

Der Frontenkrieg gegen den IS geht zu Ende und neue gesellschaftliche Aufgaben stehen an. Im ANF-Interview hat sich Newroz Ahmed als Mitglied der Generalkommandantur der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) zum Verlauf der finalen Offensive in Deir ez-Zor und den künftigen Schwerpunkten der YPJ geäußert.

In welchem Ausmaß haben die YPJ an der Offensive „Gewittersturm Cizîrê“ gegen den IS teilgenommen und welche Rolle haben sie dabei gespielt?

Die Offensive fand in einem weiten flachen Wüstengebiet statt, in dem sich sehr viele IS-Dschihadisten befanden. Der IS hat zu seiner Verteidigung seine gesamte Kriegserfahrung und Technologie eingesetzt. Die regionale Bevölkerung hat lange Zeit unter der Herrschaft des IS gelebt und ihn teilweise freiwillig, teilweise unfreiwillig unterstützt. Der IS war in diesem Gebiet gut organisiert.

Als YPJ sind wir mit großer Entschlossenheit in diese Offensive gegangen, denn wir wollten, dass der IS durch die YPJ besiegt wird. Wir wussten aber auch, dass es schwierig werden würde.

Unsere an der Operation beteiligten Kämpferinnen hatten in der Regel schon Fronterfahrung gesammelt. Es waren jedoch auch einige unerfahrenere Kämpferinnen aus Deir ez-Zor darunter, die auf eigenen Wunsch an der Offensive teilnehmen wollten. Doch im Allgemeinen nahmen erfahrene Kämpferinnen an der Operation teil.

Es war eine ziemlich schwere und riskante Offensive, aber die Entschlossenheit unserer Fraueneinheiten und der unbedingte Wille, den IS zu besiegen, haben dafür gesorgt, dass diese Offensive Erfolg hatte. Vor allem das Ziel der Befreiung der ezidischen Frauen aus den Händen des IS war eine große Motivationsquelle für unsere Kämpferinnen.

Aktuell kontrolliert der IS nur noch ein kleines Gebiet. Der Kampf ist also gegenwärtig weiter nicht abgeschlossen und unsere Kämpferinnen sind entschlossen, an diesem Krieg bis zum Ende teilzunehmen. Wir sind davon überzeugt, dass wir schon bald den Frauen auf der ganzen Welt die frohe Botschaft vom Sieg über den IS verkünden werden.

Als YPJ haben sie auch auf oberster Kommandoebene teilgenommen, nicht wahr?

Nicht nur auf oberster Kommandoebene, wir haben auf allen Kommandoebenen und an der Front unseren Platz an der Seite der anderen Kämpfer eingenommen. Frauen als Teil der Offensive zu sehen, hat auch einen besonderen Eindruck auf die Bevölkerung von Deir ez-Zor gemacht. Dieser Einfluss entfaltet sich täglich weiter. Jetzt sehen sie mit eigenen Augen, dass wir selbst vorneweg dabei sind und unsere Einheiten nicht den Gruppen gleichen, die zuvor die Kontrolle über ihr Gebiet ausgeübt haben.

Welche Taktik haben Sie in dieser schweren Offensive verfolgt?

Der IS hat die meiste Zeit über das Wüstenterrain genutzt. Er kannte die Landschaft sehr gut und profitierte von den oft auftretenden Sandstürmen. Er versuchte uns während der Stürme zu treffen, zu schwächen und zu demoralisieren.

Überraschungsoperationen

Da wir seit 2013 gegen den IS kämpfen, kannten wir wiederum unseren Feind ziemlich gut. Aufbauend auf dieser Erfahrung wollten wir den IS mit Überraschungsoffensiven in die Enge treiben. Das ist uns auch oftmals geglückt. Doch schon bald merkten wir, dass das nicht ausreicht. Denn der IS kennt das Gebiet, das er kontrolliert. Für uns war das zugleich ein schwieriges und breites Gelände, das schwer zu kontrollieren war. Also mussten wir uns ausgefeilte Kampftaktiken einfallen lassen. Das haben wir beispielsweise bei unserem Angriff auf die Ölverarbeitungsanlage al-Omar getan. Unsere Kämpferinnen haben die feindlichen Linien infiltriert und die Anlage eingenommen, die vorher wie eine feindliche Festung war.

Während der gesamten Operation hat der IS immer wieder Selbstmordattentäter eingesetzt, die mit Sprengstoff beladenen Fahrzeuge anzugreifen versuchten. Entsprechend musst du einige Stellungen verstärken und aus anderen alle Kräfte abziehen. Dabei handelt es sich nicht um einen Schritt zurück, sondern um eine Taktik.

Bei den Selbstmordanschlägen wurden auch weibliche Mitglieder des IS eingesetzt. In dieser Intensität ist das zum ersten Mal geschehen. Zudem haben sich Dschihadisten als Frauen verkleidet und unsere Kräfte angegriffen. Eine besondere Rolle bei der Operation spielten unsere Scharfschützen. Die geographischen Gegebenheiten waren hierfür besonders günstig.

Wirkungsvoller Einsatz von Raketen

Auch die Taktik des Raketeneinsatzes hat eine wichtige Rolle gespielt, um feindliche Bomben zu neutralisieren, bevor sie unter unseren Kräften größeren Schaden anrichten konnten. Als Frauen haben wir unsere jahrelange Kriegserfahrung genutzt: Die Details beherrschen, die Technik richtig einsetzen, die ständige Frage, wie ein noch besseres Ergebnis erzielt werden kann. Natürlich hat die Ausbildung vorher maßgeblich dazu beigetragen.

An der stärksten Stelle angreifen

Wir haben den IS in den Gebieten angegriffen, in denen er am stärksten war und nicht dort, wo er schwach war. Den Feind dort anzugreifen, wo er sich sicher fühlt, erzeugt einen größeren Schaden, insbesondere für die Moral. Einige Gebiete konnten wir manchmal unter großen Schwierigkeiten erst nach tagelangen Gefechten unter Kontrolle bekommen, aber genau dort haben wir den Feind gebrochen. Denn in diesen Gebieten hatte er viele Kräfte. Deir ez-Zor ist eine Wüstenregion, aber es gibt auch Dörfer so groß wie Kleinstädte. Insbesondere im Dreieck zwischen den Flüssen Habur und Euphrat ist das so. Diese unter Kontrolle zu bekommen, ist natürlich nicht leicht.

Keine Erwartungen an das syrische Regime

Ein Gebiet einzukreisen und anschließend zu säubern, solche Taktiken haben wir schon bei den anderen Offensiven benutzt, doch diesmal war es anders. In der Wüste ist es nicht leicht, Verbindungswege zu durchtrennen. Der Feind hatte sich dort festgesetzt. Es brauchte Zeit, die Schwachpunkte festzustellen, einzukesseln und zuzuschlagen. Ein großes Problem war dabei, dass auf der einen Seite Wasser war und auf der anderen Seite die Kräfte des Regimes. Wir haben das Regime gefragt, sie sagten uns, sie hätten das Gebiet unter Kontrolle, aber als wir vorgerückt sind, haben wir bemerkt, dass dies nicht zutraf. Sie hatten das aus taktischen Gründen gesagt oder weil sie uns täuschen wollten. Auch wenn es schwer war, wir haben uns in dieser Offensive nicht aufhalten lassen. Der IS benutzte eine Weile sogar den Fluss für Gegenoffensiven und um unsere Kräfte auf der anderen Seite des Flusses anzugreifen. An diesem Punkt haben wir verschiedene Taktiken angewandt, aber wie gesagt, wir hatten Schwierigkeiten. Das war bis zum letzten Gebiet so. Wir haben sie an drei Fronten eingekesselt, aber eine Seite ist Wasser. Deswegen kannst du sie nicht vollständig umzingeln. Der IS ist in dieser Hinsicht ziemlich erfahren. Er weiß, wie man das Wasser überquert, die andere Seite als Hinterland nutzt und Munitionsnachschub von dort heranschafft. In einem solchen Fall müssen stärkere Taktiken eingesetzt werden.

Bei dieser Offensive sind alle Kriegstaktiken gut koordiniert worden und konnten sich somit gegenseitig bereichern. An welchem Punkt der Feind auch angreifen wollte, wir gingen in die Offensive, um ihn scheitern zu lassen. Dies war eigentlich bei allen unseren Kräften in dieser Offensive so.

Viel mehr Dschihadisten als erwartet

Gegen Ende der Operation sind viele IS-Mitglieder und ihre Familien in Ihr Gebiet gekommen. Wie kontrollieren Sie diese Situation, was sind die Probleme in diesem Zusammenhang?

Das war das Problem. Wir hatten vermutet, dass sich dort viele IS-Mitglieder aufhalten, weil es sich um die letzte Offensive nach Hol, Shedade, Minbic, Raqqa und Tabqa handelte. Es war das Rückzugsgebiet des IS an der irakisch-syrischen Grenze. Dort versammelten sich nicht nur IS-Dschihadisten aus Syrien und dem Irak, es handelt sich um Personen aus der ganzen Welt. Wir hatten vermutet, dass es viele sein würden, aber die Realität überstieg unsere Erwartungen bei weitem. Wir wussten, dass es dort Zivilpersonen gab, die der IS als lebende Schutzschilde und Geiseln nutzen konnte. Bei dieser letzten Offensive haben wir viele ezidische Frauen und Kinder befreit.

Die Mehrheit kam aus dem Ausland

Die Mehrheit der IS-Dschihadisten kommt nicht aus Syrien, sondern aus dem Ausland. Natürlich sagt nun ein Teil: ‚Wir wurden belogen, wir wussten nicht, dass es so ist‘. Andere behaupten, sie sind wegen Handel und Geld gekommen, wieder andere sagen: ‚Wir waren arm, weil wir hilflos waren, sind wir gekommen‘. Und manche sagen auch: ‚Wir sind wegen des Islams gekommen.‘ Es ist wirklich interessant, wie sich hier Menschen aus vielen Orten der Welt versammelt haben. Die Mehrheit der Festgenommen kommt aus dem Ausland, aus Dutzenden verschiedenen Ländern.

Ökonomische Probleme und Gefahren für die Sicherheit

Die unerwartet große Anzahl schafft ein sehr ernstes Sicherheitsproblem. Wir haben auch große Probleme, ihre tägliche Versorgung zu decken. Schon zuvor haben wir in unseren Gebieten viele zivile Flüchtlinge untergebracht. Mit ihnen zusammen handelt es sich nun um eine riesige Zahl und wir haben Schwierigkeiten, damit fertig zu werden. Im Moment sind etwa 50.000 dieser Personen in unserem Gebiet. Für die Sicherheit ist es wichtig, bei allen ihren Hintergrund festzustellen. Das braucht aber Zeit. Wir untersuchen bei allen, ob es sich um IS-Dschihadisten handelt und warum sie nach Syrien gekommen sind. Sobald das geklärt ist, sind Sicherheitsmaßnahmen notwendig. Wir müssen sie an sicheren Orten unterbringen. Bis geklärt ist, um wen es sich jeweils handelt, ist die Gefahr groß. Das wissen wir.

Es gibt auch IS-Dschihadistinnen

Abgesehen von den Männern, die ohnehin für die Ermittlungen festgehalten werden, stellen auch die Frauen eine Bedrohung dar. Die internationalen Medien haben gesehen, wie die Frauen aus dem IS-Gebiet gekommen sind und immer noch Drohungen ausgestoßen haben. Manche erklären, der IS oder ihre Ehemänner hätten sie geschickt und angekündigt, sie später wieder zu befreien. Ein großer Teil der Frauen ist nicht gekommen, um sich vor dem IS zu retten oder weil sie die Wahrheit des IS erkannt haben, sie haben sich ergeben, weil ihnen nichts anderes übriggeblieben ist. Sie sind wie scharfe Sprengsätze, es ist nicht klar, wann sie explodieren. Aus diesem Grund müssen ernsthafte Maßnahmen gegen diese Gefahr getroffen werden.

Alleine können wir es nicht schaffen

Die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien hat die Herkunftländer der IS-Dschihadisten immer wieder aufgerufen, ihre Staatsbürger zurückzunehmen. Bisher ist nichts geschehen. Denken Sie über Alternativen nach?

Natürlich, das ist eine wirklich schwere Last. Sowohl die Autonomieverwaltung als auch wir als QSD haben solche Aufrufe getätigt. Wir haben auch von der internationalen Koalition entsprechende Unterstützung gefordert. Natürlich ist es am richtigsten, wenn die Herkunftsstaaten sie zurücknehmen. Wir haben gehört, dass viele Staaten ihnen die Staatsbürgerschaft aberkennen wollen und manche haben das sogar schon getan. Sie stellen eine große Belastung dar und wir können diese Last nicht alleine tragen. Wir wollen immer noch, dass sie ihre Leute zurücknehmen und hoffen darauf. Dass diese Menschen alle an einem Ort sind, ist sehr gefährlich. Sie können es so wie im Irak erneut versuchen. Sie haben vor zu fliehen und an andere Orte zu gehen. Wir ergreifen Maßnahmen dagegen, aber wie gesagt ist es für uns sehr schwer. Diese Last muss gemeinsam geschultert werden. Deshalb haben wir keine Alternative dazu aufgestellt. Wir bemühen uns immer noch darum, dass sie zurückgenommen werden. Wir sprechen mit den Regierungen darüber.

Wenn sie ihre Staatsbürger nicht nehmen, dann müssen wir über Alternativen nachdenken. Dann müssen die involvierten Staaten helfen und wir richten einen sichereren Ort ein. Unser Gebiet steht unter permanenter Bedrohung. Es besteht die ständige Gefahr, dass der türkische Staat, das syrische Regime oder erneut der IS in unser Gebiet einrückt. Insbesondere deswegen stellt es ein besonders hohes Risiko dar, dass diese ganzen gefährlichen Personen bei uns versammelt sind. Auch wenn wir die juristische Dimension und die Versorgung von ihnen bedenken, haben wir dabei größte Schwierigkeiten. Unser Gebiet ist immer noch umstellt. Wir haben keine ausreichenden materiellen Möglichkeiten.

Uns gibt es auch nach dem Frontenkrieg

Der Generalkommandant der QSD, Mazlum Abdi, hat erklärt, dass es nach dem Frontenkrieg mit dem IS einen Zweistufenplan zum Kampf gegen die Dschihadisten geben soll. Sind die YPJ Teil dieses Plans oder haben sie hierzu eigene Pläne?

Für uns ist erstmal wichtig, diesen Frontenkrieg zu Ende zu bringen. Wir hoffen, dass dies bald geschieht. Natürlich sind wir auch dabei, wenn es weitere Offensiven der QSD gibt. Als YPJ-Kommandantur haben wir darüber diskutiert, dass wir mehr Verantwortung als alle anderen haben. An der Offensive nach dem Frontenkrieg müssen wir uns noch stärker beteiligen. Der IS hat die Frauen dazu benutzt, den Willen der Gesellschaft zu brechen. Deswegen sind in Şengal so viele Männer umgebracht und die Frauen verschleppt worden. Wir haben das bei der letzten Offensive gesehen: Es sind Kinder in sehr jungen Jahren verheiratet worden, die Frauen sind mit etlichen Männern verheiratet worden. Sie wollten in Şengal, in Kobanê und überall die Bedeutung des Lebens ermorden.

Der Frontenkrieg gegen den IS geht zu Ende, aber er hat selbst erklärt, er habe überall geheime Zellen und die Angriffe würden fortgesetzt. So ist es auch. In vielen unserer Städte kommt es zu Explosionen, die Zivilbevölkerung wird angegriffen. Das ist natürlich eine große Gefahr. Als Frauen haben wir hierzu auch unsere Bedenken. Als YPJ haben wird uns als Selbstverteidigungskraft von Frauen gegründet. Natürlich führen wir in dieser Hinsicht einen sehr langfristigen Kampf.

Unsere Spezialeinheiten werden ihre Aufgabe übernehmen

Bei der nach dem Frontenkrieg anstehenden Offensive werden ausgebildete Frauenspezialeinheiten eingesetzt. Es ist jetzt wichtig, den Krieg gegen den IS noch professioneller zu führen. Unsere dafür ausgebildeten und vorbereiteten Einheiten werden diese Offensive anführen. Aber auch unsere YPJ-Kräfte insgesamt werden auf die Operation vorbereitet. Diese Offensive wird lange dauern.

Es gibt für uns auch noch eine gesellschaftliche Ebene, die wir als dritte Offensive bezeichnen. Wir werden es nicht erlauben, dass sich die patriarchale Herrschaftsmentalität und das Denken des IS reorganisieren. Es gibt in der Gesellschaft immer noch dieses Bewusstsein, es gibt Menschen, die sich fürchten und dem IS mutlos und willenlos gegenüberstehen. Der IS hat viel Grausamkeit über diese Gesellschaft gebracht. Frauen wurden ermordet, zerstückelt oder verbrannt. Die Gesellschaft fürchtet sich immer noch vor dem IS. Wir als YPJ übernehmen eine Führungsrolle in der Ausweitung des Kampfes gegen den IS.

Wir werden die IS-Mentalität vernichten

Wir müssen für die gesamte Gesellschaft eine Mentalität der Freiheit und den Mut zur Selbstverteidigung gewinnen. Unsere Kräfte sind seit sehr langer Zeit im Krieg. Wir haben sehr große Erfahrungen gesammelt, aber diese Kraft muss sich neu definieren, neu bilden und neu organisieren. Unsere Hauptaufgabe wird es sein, die IS-Mentalität in der Gesellschaft zu vernichten. In der letzten Zeit war zu sehen, wie viele Frauen die IS-Gebiete verlassen haben und zu uns gekommen sind. Aber sie stoßen dennoch immer wieder Drohungen aus. Sie betrachten uns immer noch als ‚Ungläubige.‘ Wenn Frauen so etwas sagen, dann schmerzt uns das viel mehr und es vergrößert unsere Verantwortung. Damit meinen wir nicht, dass wir diesen Frauen böse sind oder sie als Feindinnen betrachten. Wir wissen, dass die patriarchale Mentalität die Frauen in diese Lage gebracht hat. Sie kennen ihre eigene Realität und die des Lebens nicht mehr. Man muss sich intensiv darum bemühen, damit sie diese wahrnehmen. Dafür ist Bildung notwendig. Sie sollen sehen, dass unsere Gesellschaft eine andere Realität darstellt. Also liegt immer noch ein sehr schwerer Kampf vor uns. Wir müssen unsere gesamten Kräfte darauf vorbereiten, diesen Kampf anzuführen.

Sicherheitszone ohne Türkei

Immer wieder kommt die Debatte auf das Thema einer Sicherheitszone in Nordsyrien zurück. In dieser Zone sollen sich keine Einheiten von YPG und YPJ aufhalten. Wie betrachten Sie diesen Plan, würden Sie auch türkische Kräfte in dieser Region akzeptieren?

Wir kämpfen, um die Existenz unserer Bevölkerung zu schützen. Unsere Grundlage ist der Wille der Völker der Region, sich selbst zu verwalten. Die YPG, YPJ wie auch die QSD bestehen aus Menschen aller Völker der Region. Unsere Kräfte bestehen aus Menschen aus Kobanê, Minbic, Girê Spî, Qamişlo und allen Städten Nordsyriens. Es sind Kurden, Araber, Aramäer, Assyrer, Turkmenen, sie kommen aus allen Völkern der Region. Sie sind alle von hier, sie sind nicht von außen gekommen. Der türkische Staat will seine eigene Realität schaffen und behauptet, wir stellten eine Gefahr für ihn dar und würden gar nicht aus dieser Region stammen. Die Bevölkerung der Region oder einige aus der Region sollten sich selbst verwalten. Genau das ist eines der Themen unseres Kampfes und wir haben es bereits erreicht. Unserer Auffassung nach ist unsere Region die sicherste. Hunderttausende sind als Flüchtlinge in unsere Gebiete in Nordsyrien gekommen und leben hier.

Die Türkei bedroht uns tagtäglich. Wir sind bereit, unsere Region zu verteidigen. Wir werden es nicht akzeptieren, dass der türkische Staat sich in unseren Gebieten aufhält. Es ist unsere Bedingung, dass die Türkei unsere Gebiete nicht betritt und die Bevölkerung der Region sich selbst verwaltet. Dass sich YPG oder YPJ dort aufhalten sollen, ist für uns kein Thema. Wenn die Türkei hier einmarschieren will oder sagt, sie nehme an der Operation teil, dann täte sie das, um anzugreifen. Dies ist ein Kriegsgrund. Wir sind bereit zum Krieg und tun alles, was wir tun müssen.

Haben Sie Pläne für die von der Türkei besetzten Gebiete Efrîn und Şehba?

Es findet im Moment ein Kampf in Efrîn statt. Wie wir bereits auf unserer letzten Versammlung erklärt haben, akzeptieren wir weder als QSD noch als YPJ eine Besatzung syrischen Territoriums. Unser Grundziel und unser Existenzgrund ist es, die Völker der Region und ihre Freiheit verteidigen zu können und dafür zu sorgen, dass die Menschen in ihrem eigenen Land leben können.

Die Bevölkerung von Efrîn ist geflohen und hat sich auf ganz Rojava verteilt. Das ist natürlich für uns nicht hinnehmbar und nicht nur das, es ist für uns ein Grund zum Kämpfen. Nicht nur unsere Menschen werden vertrieben, in Efrîn werden jeden Tag Menschen verschleppt, ermordet, vergewaltigt und die Demografie wird verändert. Efrîn muss befreit werden. Was auch immer nötig ist, um den Kampf in Efrîn zu stärken und die Region zu befreien, wir sind bereit.

Als YPJ kämpfen Sie bisher in Form von Einheiten an der Front. Haben Sie die Absicht, sich in Zukunft innerhalb der Strukturen der Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien als professionelle Frauenarmee zu organisieren?

Unsere Region ist akut bedroht. Wir bereiten uns einerseits selbst vor, um die Angriffe zu beantworten und führen diesen Kampf, andererseits arbeiten wir daran, uns neu zu organisieren und unsere Existenz zu verstetigen. Wir arbeiten also an mehreren Punkten gleichzeitig. Natürlich ist das ein langfristiger Kampf und es gibt dabei Schwierigkeiten. Für uns sind zwei Dinge aktuell wichtig: Die Offensive nach dem Ende des Frontenkrieges mit dem IS durchzuführen und unsere Kräfte zu reorganisieren.

Weder der Krieg noch die Aufgabe der YPJ ist zu Ende

Wir arbeiten sowieso gebunden an die demokratisch-autonome Selbstverwaltung. Um jetzt über eine Organisierung als Heer zu sprechen, ist es noch zu früh. Uns stehen noch immer große Gefahren bevor und wir müssen diese aus dem Weg räumen. Um das alles schaffen zu können, müssen wir noch stärker werden. Für uns ist der Krieg nicht vorbei und die YPJ haben weiterhin eine militärische Aufgabe. Hier beginnt unsere eigentliche Aufgabe. Wir sind dabei, unser Bewusstsein, unsere Taktik, unser Organisierungsniveau und unser technisches Niveau zu stärken. Wir werden uns noch stärker organisieren.