Corona: Punktuelle Ausgangssperren in Nord- und Ostsyrien

Das neuartige Coronavirus setzt seinen Vormarsch in Nord- und Ostsyrien fort. Wegen der immer weiter steigenden Anzahl an Infektionen treten in den Autonomiegebieten wieder punktuelle Ausgangssperren in Kraft.

In den Autonomiegebieten von Nord- und Ostsyrien treten an diesem Freitag wieder punktuelle Ausgangssperren in Kraft. Das neue Dekret der Selbstverwaltung zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie umfasst neben Ausgangsbeschränkungen auch weitere Maßnahmen, darunter das Verbot von privaten und öffentlichen Veranstaltungen und Menschenansammlungen, strenge Regeln für den Einzelhandel und Gastlokale sowie eine allgemeine Maskenpflicht.  

Der Grund für die verschärften Maßnahmen ist die immer weiter steigende Anzahl an Infektionen. „Wir appellieren an die Bereitschaft unserer Bevölkerung, die Verhaltensregeln zum Schutz vor dem Coronavirus einzuhalten“, sagte Dr. Ciwan Mistefa als Ko-Vorsitzender des Gesundheitskomitees der Autonomieverwaltung am Dienstag in Qamişlo. „Wir sperren Nord- und Ostsyrien nicht ein“, erklärte der Arzt. „Aber jetzt müssen wir die Maßnahmen wieder deutlich verschärfen. Die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen hat die Schwelle von 200 überschritten. Eine Abflachung der Infektionskurve scheint in weiter Ferne zu liegen.“

Nordostsyrien de facto auf sich allein gestellt

Ciwan Mistefa führte weiter aus, dass Nordostsyrien de facto auf sich allein gestellt sei, da die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kaum nennenswerte Unterstützung für die selbstverwalteten Gebiete im Kampf gegen Corona leiste. Die Folgen der Pandemie belasten zudem das fragile Gesundheitssystem der Region, die permanenten Bedrohungen ausgesetzt ist: die Türkei und die dschihadistischen Verbündeten des Nato-Partners aus der sogenannten SNA („Syrische Nationale Armee“), Schläferzellen des IS, oder aber auch das Regime in Damaskus. Nord- und Ostsyrien steht daher vor besonderen Herausforderungen bei der Bekämpfung beziehungsweise Eindämmung der Pandemie.

Dr. Ciwan Mistefa

Das neue Corona-Dekret sieht für zunächst zehn Tage (bis zum 8. November) punktuelle Ausgehverbote vor. Es ist weiterhin erlaubt, zur Arbeit zu gehen, allerdings dürfen die Betriebe nur von 6 bis 15 Uhr öffnen und Arbeitgeber müssen dafür sorgen, dass der nötige Abstand eingehalten werden kann. Einkaufszentren und Großmärkte bleiben während den Ausgangssperren geschlossen, nur Supermärkte haben geöffnet – jedoch ebenfalls nur bis 15 Uhr. Frisöre, Baumärkte und die komplette Gastronomie sind ab Freitag geschlossen, lediglich Lieferungen durch Restaurants werden möglich sein. Apotheken und Bäckereien sind von dem Verbot ausgenommen.

Schulen und Universitäten bleiben offen

Die Kindergärten, Schulen und Universitäten in Nord- und Ostsyrien sollen ebenfalls offen bleiben. Das Gesundheitskomitee hat in Zusammenarbeit mit dem Bildungskomitee ein Konzept zur Einhaltung des Infektionsschutzes erarbeitet. Neben der Maskenpflicht im Unterricht und Hygienemaßnahmen beinhaltet es auch ein Lüftungskonzept - Lüften in geschlossenen Räumen gilt als Geheimwaffe gegen die Covid-19-Verbreitung.

Ausgenommen von den Ausgangsbeschränkungen sind auch die Beschäftigten in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Verwaltung sowie Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen. Freitagsgebete in Moscheen und der Sonntagsgottesdienst in Kirchen fallen nicht unter das Verbot. Die Sicherheitskräfte Nord- und Ostsyriens werden diesen Beschluss massiv kontrollieren, wer sich widersetzt, muss mit Bußgeld rechnen. „Viele Menschen haben sich bislang vorbildlich verhalten, allerdings hat auch ein viel zu großer Teil der Bevölkerung den Ernst der Lage nicht verstanden. Diese Menschen erweisen sich als Gefahr für sich und andere”, sagte Ciwan Mistefa mit Blick auf das neue Corona-Dekret.

Knapp 4.000 Corona-Fälle in Rojava

Bis Montag (26. Oktober) wurden in den Autonomiegebieten von Nord- und Ostsyrien 3.948 Infektionen mit dem Erreger von Covid-19 labordiagnostisch bestätigt. Die Zahl der Menschen, die im Zusammenhang mit Corona gestorben sind, lag zu dem Zeitpunkt bei 115. Als genesen galten bis zum Vortag insgesamt 687 Menschen. Die Zahlen von heute liegen noch nicht vor.