Asya Abdullah: Von Russland genehmigt, von Erdoğan vollstreckt
Die Ko-Vorsitzende von TEV-DEM, Asya Abdullah bewertet im ANF-Interview die aktuelle Situation in Efrîn.
Die Ko-Vorsitzende von TEV-DEM, Asya Abdullah bewertet im ANF-Interview die aktuelle Situation in Efrîn.
Der Widerstand gegen die türkische Militärinvasion in Efrîn dauert an. Im ANF-Interview äußerte sich Asya Abdullah, Ko-Vorsitzende von TEV-DEM, zu den Zielen des türkischen Staates, der Rolle Russlands und dem Charakter des Widerstands in Efrîn.
Asya Abdullah macht darauf aufmerksam, dass der türkische Besatzungsversuch mit russischer Genehmigung erfolgt. Der türkische Staat benutze das Astana-Abkommen, so die kurdische Politikerin. „Bei dem Widerstand von Efrîn handelt es sich gleichermaßen um einen kurdischen und einen syrischen Widerstand. Es geht um die Verteidigung aller Völker Syriens, um die Zukunft Syriens. Efrîn ist mittlerweile zu einer internationalen Angelegenheit geworden.“
Seit über 40 Tagen leistet Efrîn Widerstand. Beginnen wir mit den Angriffen des türkischen Staates und der dschihadistischen Gruppen sowie mit dem Widerstand dagegen. Wie bewerten Sie den Widerstand?
Der türkische Staat führt seit 44 Tagen Terrorangriffe auf Efrîn durch. Diese Angriffe finden vor den Augen der Weltöffentlichkeit statt. Dagegen wird Widerstand geleistet. Die ganze Welt kann diesen Widerstand sehen. Der türkische Staat will Efrîn besetzen und die Bevölkerung töten. Die Angriffe sind darauf ausgelegt, den Kanton Efrîn zu entvölkern und stattdessen die dschihadistischen Milizen anzusiedeln. Es geht darum, einen neuen Islamischen Staat zu gründen. Der IS soll wiederbelebt werden.
Die Besatzungsoperation in Efrîn wird nicht zu einer Lösung und politischer Stabilität in Syrien beitragen. Syrien kommt nicht zur Ruhe. Eine ausländische Macht greift militärisch in Syrien ein und will einen Teil Syriens besetzen. Zuvor sind Cerablus und Bab besetzt worden, jetzt sollen die Grenzen der Besatzung erweitert werden. Ein anderer Staat interveniert in Syrien, tötet Menschen und will einen Teil besetzen. In einer solchen Situation kann von Stabilität nicht die Rede sein. Das wissen auch die internationalen Kräfte.
Möchte der türkische Staat die Syrien-Krise fortsetzen?
Hier übt ein Staat entgegen aller internationalen Abkommen völkerrechtswidrig Terror aus. Mit Kampfflugzeugen, Panzern, Granaten und allen Arten schwerer Waffen sowie der Unterstützung von Gruppen wie al-Nusra, al-Qaida und dem IS, die von der ganzen Welt als terroristische Organisationen betrachtet werden, wird Efrîn angegriffen. Alles, was der IS getan hat, macht Erdoğan heute in Efrîn. Der türkische Terror ist sogar noch gefährlicher als der IS-Terror. 24 Stunden am Tag werden Kampfjets gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt. Wie sollen wir das nennen, wenn nicht Terror? Aufgrund der Angriffe sind die Bewohner einiger Grenzdörfer gezwungen, diese zu verlassen. Hier sollen die dschihadistischen Milizen angesiedelt werden. Die Bevölkerung der Region soll vertrieben werden, damit sich diese Banden hier niederlassen können. Das ist ein Genozid. Das Angriffsziel sind die Geschichte der Region, die Zivilbevölkerung, Frauen, Kinder, Alte, die Infrastruktur und die Natur, kurz gesagt alles, was im Völkerrecht als Verbrechen gilt. Es muss endlich politisch Haltung bezogen werden gegen den türkischen Staat. Die Vereinten Nationen, die Großmächte, die EU müssen sich positionieren. Tun sie es nicht, machen sie sich mitschuldig. Viele haben sich früher zur Souveränität des syrischen Territoriums geäußert. Zu der türkischen Besatzung wird jedoch geschwiegen.
Welche Abkommen oder Berechnungen gibt es Ihrer Meinung nach zu diesem Besatzungsversuch?
Jede Intervention des türkischen Staates erfolgt auf der Basis gewisser Abkommen. Das war bereits bei der Besatzung von Cerablus und Bab so und so ist es auch bei dem heutigen Angriff. Für Aleppo wurde den Türken Cerablus übergeben. Die jetzige Militärinvasion basiert auf dem Astana-Abkommen. Der türkische Staat benutzt dieses Abkommen. Ich möchte noch einmal betonen, dass kein Abkommen, an dem die Türkei beteiligt ist, zu Stabilität und Ruhe in Syrien beitragen kann. Die Efrîn-Operation ist direktes Ergebnis eines Abkommens mit Russland. Die politische Entscheidung für eine Besatzung und die damit einhergehenden Massaker hat Russland getroffen. Den Terror-Anteil führt Erdoğan aus. Russland trägt Verantwortung für die Angriffe. Das ist kein Geheimnis. Türkische Vertreter bejubeln nicht umsonst jeden Tag das mit Russland geschlossene Bündnis.
Die Militärinvasion richtet sich gegen die territoriale Gesamtheit und die Völker Syriens. Falls Russland wirklich an einer Lösung in Syrien interessiert wäre, warum sollte es dann die türkische Besatzung erlauben? Russland möchte aus Eigeninteressen seinen Einfluss in Syrien ausweiten und lässt daher die Türkei gewähren. Die Krise in Syrien soll anhalten, weil zu viele Kräfte davon profitieren wollen. Efrîn ist ein Teil Syriens, in dem Hunderttausende Menschen sicher gelebt haben. Daher ist Widerstand der einzige Weg, sich der Besatzung entgegen zu stellen.
Russland ist seit Beginn des Krieges mit dem syrischen Regime verbündet und hat gleichzeitig die türkische Besatzung zugelassen. Wie lässt sich die syrische Haltung dazu, oder vielmehr die Passivität des syrischen Regimes erklären?
Der Schutz der Außengrenzen ist Aufgabe der Zentralregierung. Das gilt auch für den Luftraum. Türkische Kampfjets können jedoch problemlos Efrîn bombardieren. Das zu verhindern, ist Aufgabe des syrischen Staates. Er muss auch Soldaten an der Grenze stationieren und die Grenzen schützen. Es hat sich herausgestellt, dass die Kraft des syrischen Staates dafür nicht ausreicht. Er hat nicht die Stärke, um solche Entscheidungen zu treffen.
Trotz der Passivität der syrischen Regierung leistet Efrîn seit über vierzig Tagen Widerstand. Nicht nur Efrîn wird verteidigt, ganz Syrien wird in Efrîn verteidigt. Erdoğan ist eine Gefahr für ganz Syrien. Hätte er Cerablus nicht bekommen, würde er heute nicht Efrîn angreifen. Wenn er in Efrîn nicht gestoppt wird, kommen weitere Regionen an die Reihe.