Die selbstverwalteten Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiyê in Aleppo stehen unter einem Totalembargo durch das Assad-Regime. Die Bewohner:innen versuchen mit allen Mitteln, der Belagerung zu widerstehen. In den selbstverwalteten Stadtteilen leben nicht nur die ursprünglichen Einwohner:innen, sondern auch tausende Binnenflüchtlinge, die aus Efrîn vor dem Terror der Besatzungsmacht geflohen sind.
Eine von ihnen ist Sadet Mihemed Elî, Mutter von sechs Kindern. Jeden Morgen nach dem Aufstehen beginnt für sie ein Kampf gegen die vom Embargo aufgezwungenen Schwierigkeiten. Sie macht sich auf den Weg nach Til Eran, Til Hasil und Ramûsê, Gebiete, die für ihre Landwirtschaft bekannt sind, sammelt dort Kräuter und essbare Pflanzen von abgeernteten Feldern und bringt diese zum Verkauf nach Aleppo. Gegenüber der Nachrichtenagentur ANHA berichtet sie über ihre verzweifelte Situation: „Mein Mann ist behindert und sehr alt. Er kann gar nichts machen. Aus diesem Grund trage ich doppelte Verantwortung. Ich muss die Kinder versorgen und das Geld für die medizinische Versorgung meines kranken Kindes aufbringen.“ Sadet verkauft im Winter Rüben und im Sommer verschiedene wilde Kräuter und Gemüsearten. Der Kampf um den Lebensunterhalt kostet sie viel Kraft. Sie sagt: „Ich gehe viel zu Fuß, aber das ist nicht so ein Problem. Was mich schmerzt, ist, dass die Händler versuchen, meine Ernte so billig einzukaufen. Wir müssen auch den Bauern die Miete für die Autos zahlen, mit denen sie die Zwiebeln, die wir geerntet haben, abholen und in Aleppo verkaufen. Manchmal beträgt die Miete bis zu 35.000 Lira.“
Manchmal erwirtschaftet sie mit den von ihr gesammelten und verkauften Pflanzen einen guten Gewinn, mit dem sie die Miete für das Transportfahrzeug bezahlen und den Haushaltsbedarf decken kann. Doch manchmal deckt der Gewinn aus den verkauften Produkten nicht einmal die Miete für das Fahrzeug. Deshalb kann sie oft nicht einmal den Grundbedarf für den Haushalt beschaffen. Immer wieder muss sie auch mit leeren Händen von den Äckern zurückkehren: „Einige Feldbesitzer haben ein Gewissen und erlauben uns, auf ihren Feldern Pflanzen zu sammeln. Aber manche Leute erlauben uns nicht, ihre Felder zu betreten, so dass wir manchmal mit leeren Händen zurückkehren.“
Trotz allem ein Lächeln im Gesicht
Trotz aller Schwierigkeiten empfängt Sadet ihre Kundschaft immer noch mit einem Lächeln im Gesicht. Sie stellt die Kräuter, die sie sammelt, auf dem Markt im Westen des Viertels Şêxmeqsûd vor sich auf und wartet auf ihre Kund:innen. Sadet sagt: „Wegen des Embargos und der hohen Preise mangelt es mir und meinen Kindern an vielen Dingen. Das Geld, das ich durch den Verkauf der Pflanzen erhalte, reicht nur für die Grundbedürfnisse wie Brot und Lebensmittel.“ Sadet verkauft die Kräuter zu Preisen, die den finanziellen Möglichkeiten der Menschen entsprechen. So kostet das Kilo Lauchzwiebeln bei ihr gerade 3.500 Lira (umgerechnet 1,30 Euro).
„Das Embargo hat unser Leid vertieft“
Sadet berichtet, dass ihre Probleme vor allem mit dem Embargo zusammenhängen, da damit die Preise explodieren. Ihre Situation verschlechtere sich daher von Tag zu Tag. Trotzdem mobilisiert sie alle Kräfte für ihre Familie. So konnte sie mit Hilfe von verschiedenen Organisationen im vergangenen Juni eine Operation für ihre Tochter finanzieren.