Die türkische Armee und die Söldner der sogenannten Syrischen Nationalarmee (SNA) greifen die selbstverwalteten Gebiete in Nordsyrien pausenlos an. Seit November sind vor allem die Region Ain Issa und der Süden des besetzten Girê Spî von den Angriffen betroffen. Insbesondere das Stadtzentrum von Ain Issa, die umliegenden Dörfer und die strategisch wichtige Schnellstraße M4 werden beschossen. Immer wieder kommt es auch zu Versuchen, mit Bodentruppen vorzudringen.
Während die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und der Militärrat von Ain Issa alles daran setzen, die Region zu verteidigen, ist die Bevölkerung entrüstet über die Toleranz des syrischen Regimes und der Waffenstillstandsgarantiemacht Russland gegenüber den Angriffen. Viele befürchten, dass Russland und die Türkei einen neuen Deal geschlossen haben, welcher der Türkei die Erweiterung der besetzten Gebiete ermöglichen soll. Sicher ist, dass Russland und das syrische Regime einkalkulieren, auf diese Weise die Selbstverwaltung zu schwächen.
„Kein Ort mehr zum flüchten“
Die Menschen der Region und insbesondere auch die Stämme sind zum Widerstand entschlossen. Der Ko-Vorsitzende des Rats von Hişê, Xelil Isa Xelil, erklärt: „Aufgrund der türkischen Aggression musste die Bevölkerung fliehen. Wir appellieren an die internationalen Mächte, nicht weiter gegenüber den türkischen Angriffen zu schweigen. Aufgrund der türkischen Angriffe und der Invasion musste ein Großteil der Bevölkerung von Girê Spî und den anderen besetzten Gebieten fliehen und hat sich in die Dörfer um Ain Issa zurückgezogen. Diese Menschen haben keinen Ort mehr, wo sie sonst noch hingehen können. Aber jetzt wird auch Ain Issa vom türkischen Staat beschossen. Das Ziel dieser Angriffe ist es, die Menschen einzuschüchtern und in die Flucht zu treiben. Dieses Land gehört jedoch uns, wir werden es nicht verlassen. Wir appellieren an Russland und das Regime, hört auf zuzusehen! Jeden Tag sterben Kinder und alte Menschen. Was auch immer der türkische Staat tun wird, wir werden unser Zuhause nicht aufgeben.“
„Sie tun nichts für eine Lösung“
Scheich Faysal Horan vom Fiddian-Stamm weist auf den täglichen Artilleriebeschuss hin und kritisiert das syrische Regime und Russland, dagegen nichts zu unternehmen. Er fährt fort: „Sie schaffen keine Lösung. Die Menschen von Ain Issa verlassen ihre Häuser nicht. Wir können unser Zuhause nicht verlassen. Deswegen werden wir bis zum Ende der Angriffe Widerstand leisten. Die Verantwortlichen müssen endlich eine Lösung finden. Wir sind Bürger Syriens und das Land gehört uns. Der türkische Staat hat hier nichts verloren. Er ist ein Besatzer.“
„Russland schweigt“
Zaimi Kurdo Ughur vom Stamm der Shedad sagt: „Russland und Syrien sind angeblich hierhergekommen, um Angriffe zu verhindern, aber sie machen gar nichts. Wir gehen zu den Russen und fragen sie: ‚Jeden Tag werden vor Euren Augen unsere Siedlungen mit Artillerie beschossen, unsere Kinder und Frauen sterben. Warum tut ihr nichts?‘ Sie hören zu und schweigen. Sie machen gar nichts. Menschen aus 200 Dörfer sind geflohen und wir haben sie in Ain Issa und der Umgebung untergebracht. Ain Issa steht nicht leer, aber die Angriffe hören nicht auf.“
„Sie schossen auf jeden, den sie gesehen haben“
Hadsch Ismail, selbst aus Girê Spî geflohen, erzählt: „Unser Land, unsere Häuser, alles mussten wir zurücklassen. Wegen der Angriffe konnten wir in keinem unserer Dörfer die Ernte einfahren. Sie schossen auf jeden, den sie gesehen haben. Sie machen keinen Unterschied zwischen Kindern, Frauen und Alten. Jede Nacht schlagen Artilleriegranaten ein. Wir sind die Bevölkerung Syriens und das Land gehört uns, nicht dem türkischen Staat. Er hat dieses Land angegriffen und betrachtet sich nun als Besitzer. Er vertreibt uns von unserem Land. In erster Linie müsste das syrische Regime dieses Land verteidigen, es tut aber nichts. Dass die Türken hierher kommen und meinen, uns beherrschen zu können, ist inakzeptabel. Der türkische Staat hat Efrîn, Serêkaniyê und Girê Spî besetzt, aber mögen noch so viele Jahre vergehen, wir werden auf unser Land zurückkehren. Warum geben Russland und Syrien der Türkei diese Möglichkeit? Sie wollen uns vertreiben. Wir als Armenier, Suryoye, Kurden und Araber halten an unserer autonomen Selbstverwaltung und unserem Land fest.“