Im Februar starben in Şêrawa fünf Zivilisten bei Artillerieangriffen islamistischer Milizen, die im Dienste des Nato-Mitgliedsstaates Türkei in Nordsyrien den Dschihad betreiben. Viele weitere Menschen wurden verletzt. Insgesamt zählten die Bewohner*innen der Region fast dreihundert Bombardierungen im Vormonat. Der in Efrîn liegende Kreis befindet sich nicht vollständig unter Kontrolle der türkischen Armee und ihrer salafistischen Verbündeten. Doch um auch den weiterhin selbstverwalteten Teil von Şêrawa an die ein Kilometer entfernte türkische Besatzungszone anzugliedern, die angestammte Bevölkerung zu vertreiben und somit Platz für weitere Dschihadisten und ihre Familien zu schaffen, finden gezielte Angriffe auf Siedlungsgebiete statt. Der Widerstand der betroffenen Menschen geht, wenn auch unter pausenlosem Artilleriefeuer und unter den schwierigsten Bedingungen, dennoch selbstlos weiter.
Besonders betroffen von den Vertreibungsversuchen der Dschihadisten sind die Dörfer Bir El Qas, Mezin, Kalutê und Başemra. Die Bewohner*innen sitzen nicht nur in einem Islamistenkessel fest, sondern unterliegen zudem einem Embargo des syrischen Regimes. Straßen, die nach Nubl und Zahra in das vom Regime kontrollierte Gebiet führen, sind gesperrt. Gelingt es Menschen aus Şêrawa dennoch, Wege Richtung Aleppo zu passieren, werden sie von syrischen Soldaten zurückgedrängt. Ein weiteres Hindernis stellen die Minen außerhalb der Dörfer dar, die von Dschihadisten systematisch um die selbstverwalteten Ortschaften gelegt wurden. Somit wird den Menschen, die ihren Lebensunterhalt ausschließlich mit Landwirtschaft und Viehhaltung bestreiten, die Lebensgrundlage genommen. Weder können die Anbauflächen bewirtschaftet werden, noch ist es möglich, Tierherden zu den Weiden zu führen.
Die Bewohner*innen der Region sind trotz alledem nicht bereit, ihre Häuser zu verlassen. Hisên Hemadê aus Başerma gibt an, dass alle Dorfbewohner*innen die Nächte gemeinsam an einem sicheren Ort verbringen, um sich vor dem Dauerbeschuss zu beschützen. „Wir wissen schon, dass wir diese Zustände hier erleben müssen, weil wir bleiben. Aber warum sollen wir gehen? Warum sollen wir unsere Häuser verlassen, unserem Geburtsort den Rücken kehren, unsere Heimat und unsere Existenz irgendwem überlassen? Weil es die Türkei will? Wir gehen nicht, wir bleiben. Wir werden jeden einzigen Fußbreit unserer Erde verteidigen und Widerstand leisten“, sagt Hemadê. „Koste es, was es wolle.“